Holocaust-Zeitzeuge spricht in Marburg
Der Konflikt im Gazastreifen birgt auch bei uns einen enormen gesellschaftlichen Sprengstoff. Dass das auch anders gehen kann, zeigen die islamische, jüdische und christliche Gemeinde in Marburg. Unter dem Motto „Nie wieder“ haben sie gemeinsam zum Vortrag eines Holocaust-Überlebenden eingeladen.
Es sind Augen, die viel Leid gesehen haben, von einem Menschen, der viel Leid ertragen hat. Ivar Buterfas-Frankenthal ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden in Deutschland. Einem Land, das ihn in seiner Kindheit ausgegrenzt und gejagt hat.
Ivar Buterfas-Frankenthal, Holocaust-Überlebender
„Der Schulleiter stand auf der Freitreppe und rief „Buterfas, tritt einmal hervor. Du darfst nicht mit auf den Klassenausflug, und du gehst sofort nach Hause. Du brauchst auch morgen und übermorgen nicht wiederzukommen. Du bist ein kleiner Saujude.“
Das war nach seiner Einschulung 1938. Mitschüler und Hitlerjungen misshandeln Ivar, der als Sohn einer Christin und eines Juden als „Halbjude“ galt. Doch Buterfas schafft es, sich im Krieg jahrelang in den Kellern ausgebombter Städte zu verstecken. Er entgeht den Gräueltaten in den Vernichtungslagern.
Nach dem Krieg bleibt er in Deutschland – einem Land, das ihm erst 1964 wieder seine Staatsbürgerschaft zurückgibt. Und dennoch sagt Buterfas heute:
Ivar Buterfas-Frankenthal, Holocaust-Überlebender
„Ich frage nicht, was mein Land für mich tun kann, sondern was kann ich für mein Land tun.“
Getan hat er viel: Zusammen mit seiner Frau bricht der Hamburger immer wieder auf, um seine Geschichte zu erzählen. Er spricht über das Unsagbare und das Unvorstellbare, über das nach dem Krieg lange geschwiegen wurde.
Sein 1561 Vortrag gestern Abend in Marburg steht unter dem Eindruck des Kampfes zwischen Israel und den Hamas.
Ivar Buterfas, Holocaust-Überlebender
“Unerträglich, unerträglich. Es ist schon unerträglich, was wir in der Ukraine gesehen haben. Sie sehen schon, dass sämtliche jüdische Einrichtungen geschützt werden müssen, auch in Hamburg, überall in der Welt. Das ist grausam, das ist ganz ganz schlimm.“
Seine jüngsten Auftritte stehen erstmals unter Polizeischutz. Doch der Zeitzeuge mit jüdischen Wurzeln versteht auch die palästinensische Seite.
Ivar Buterfas, Holocaust-Überlebender
„Die Israelis müssen langsam begreifen, dass die Siedlungspolitik, wenn sie die nicht ganz energisch ändern, wenn das nicht passiert, wird dieser Konflikt immer blutig enden.“
Gerade wegen des Konflikts wollen die jüdische und islamische Gemeinde ein Zeichen des Zusammenhalts senden.
Bilal El-Zayat, Vorsitz Islamische Gemeinde Marburg
„Ich glaube, dass diese Zusammenkünfte verschiedener Menschen, verschiedener Religionen, verschiedener Sichtweisen, verschiedener Lebenswelten genau dazu führen, dass wir uns austauschen und dafür sorgen, dass wir gute Nachbarschaft haben und ein friedliches Zusammenleben haben.“Polina Solovej, Vorstand Jüdische Gemeinde Marburg
„Aber das ist auch ganz wichtig, dass wir sagen können „Schauen Sie hier in Marburg können wir zusammenleben. Wir können zusammen Gemeinsames finden.“