Hilfe für Fatoumata – Bad Kreuznacher Arzt André Borsche operiert Mädchen aus Gambia

Am 1. August endet in Bad Kreuznach eine Ära. Dann verabschiedet sich Dr. André Borsche in den Ruhestand. Seit 28 Jahren ist er am dortigen Diakonie Krankenhaus Chefarzt für plastische Chirurgie. Was aber nicht endet, ist sein Engagement für die gemeinnützige Hilfsorganisation Interplast. In ihrem Auftrag hat er schon 160 kranken oder verletzten Kindern und Erwachsenen ein neues Leben geschenkt. So wie aktuell der jungen Fatoumata.

Fatoumata hat es geschafft. Mittlerweile kann sie auf eigenen Beinen stehen. Sogar Ballspielen klappt schon ganz gut. Dabei war lange nicht sicher, ob sie überleben würde. Denn die 12-Jährige aus dem westafrikanischen Gambia hat einen angeborenen Gendefekt: das seltene Großwuchssyndrom, weltweit sind nur 200 Fälle bekannt. Bei Fatoumata erstrecken sich die Tumore von der Brust über den Bauch bis zum rechten Fuß. Haut, Gewebe und Knochen müssen entfernt und neu geformt werden. Immer wieder bilden sich Thrombosen. Eine Herausforderung für Doktor André Borsche und sein Team.
Dr. André Borsche, Plastischer Chirurg Bad Kreuznach
„Die große Schwierigkeit war halt, dass alles komplett wie ein Schwamm durchblutet war. Und an der kleinsten Stelle, wo ich reingeschnitten habe, ein Springbrunnen von Gefäßen mir entgegen kam. Ich sah kaum, ich habe rumgestochen, ich habe gewickelt. Wir haben x Hauttransplantationen versucht, um es ein bisschen auf die Reihe zu kriegen. [lacht] Und finally we made it.“
Insgesamt 20 Eingriffe waren bislang nötig, darunter fünf große Operationen. Mit Erfolg: Fatoumatas Bein muss nicht amputiert werden. Und schon bald wird sie wohl ganz ohne Hilfsmittel laufen können.
Immer wieder hilft André Borsche ehrenamtlich Menschen in Not, die sich keine Behandlung leisten können.
Seine erste Patientin: Rikita aus Indien. Ihr Gesicht – von einem riesigen Muttermal entstellt. Heute führt sie ein weitgehend normales Leben, als Anwältin in Australien.
Letztes Jahr dann der Fall Melania, einen Hyänenangriff hat sie nur knapp überlebt. Nach unzähligen OPs kann sie wohlauf zurück in ihre Heimat Tansania, wo sie wieder zur Schule geht.
Seit 33 Jahren operiert André Borsche für Interplast. Der gemeinnützige Verein bietet schwerverletzten Patienten in Entwicklungsländern kostenlos medizinische Hilfe. Über 65 Auslandseinsätze haben ihn unter anderem nach Indien, Zentralafrika und Südamerika geführt.
Dr. André Borsche, Plastischer Chirurg Bad Kreuznach
„Da ein Leben geschenkt zu haben, das ist was Tolles. Es ist eine Gabe, einen Beruf erlernt zu haben, in dem man wirklich auch so viel Gutes tun kann. Und dann guckt so ein Gesicht einen an und dann kann man eigentlich nur sagen: ‚Ich will, ich will, ich muss eigentlich ihr helfen‘.“
Für Fatoumata und André Borsche heißt es nun nach einem Dreivierteljahr endgültig Abschied nehmen. Für sie geht es zunächst nach Oberhausen, in die Hilfseinrichtung Friedensdorf International, und von dort zurück zu ihrer Familie nach Gambia. Und statt groß Interviewfragen zu beantworten, singt uns Fatoumata zum Abschied lieber noch ein Ständchen …
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Eva Dieterle, Moderatorin: Wieder eine sehr bewegende, berührende Geschichte, die uns Dr. André Borsche mitgebracht hat. Jetzt ist er bei mir im Studio. Herzlich willkommen!
Dr. André Borsche, Vorsitzender Interplast Deutschland: Vielen Dank für die Einladung.
Dieterle: Wir haben das gerade gesehen, was alles möglich ist. Sogar Fußballspielen im Flur geht schon wieder einigermaßen. Für Sie ist das ein medizinischer Eingriff natürlich in allererster Linie, für die kleine Patientin aber ist es wie ein Wunder, oder?
Borsche: Ja, aber es ist auch ein bisschen ein Wunder für mich. Ich muss sagen, das hätte ich mir am Anfang überhaupt nicht vorstellen können. Wir standen vor der Frage, ob wir das Bein amputieren mussten, und es waren so viele Schwierigkeiten im Vorfeld. Und da dachte ich: “Meine Güte, wenn das mal gut geht”, aber es hat im Endeffekt super geklappt. Hat lange gedauert, aber im Endeffekt sind wir sehr glücklich.
Dieterle: Das waren viele Operationen und sie war sehr tapfer, oder?
Borsche: Sie war sehr tapfer. Ist ja ein ganz zartes Geschöpf und strahlt einen aber immer an und dann weiß man, wenn man die Bettdecke hoch macht, was da alles für Grausamkeiten doch noch zurückgeblieben worden sind Und da ist dann einfach mein Ziel, ich muss alles drangeben, es besser zu machen.
Dieterle: Das ist nur einer von unzähligen Fällen, in denen Sie in dieser Form helfen konnten. Wir haben es im Beitrag gerade gehört. Sie sagen, es ist auch der Blick in diese Gesichter. Ist es das, was Sie antreibt, was Ihnen dafür auch die Kraft gibt?
Borsche: Ja, uns geht es an sich ja so gut. Wir können ins Krankenhaus gehen und da wird einem geholfen. Aber die Leute haben ja gar keine Alternative. Und wenn dann jemand kommt, ihnen anbietet, da kann man was tun, ist es nicht sozusagen schicksalshaft, dass du damit dein Leben lang klarkommen musst, dann ist es was ganz Tolles. Und da bin ich so dankbar, dass wir mit so vielen wichtigen Leuten zusammenarbeiten. Da ist das Friedensdorf International, was uns immer wieder auch ganz toll unterstützt, meine Ärzte im Krankenhaus und das ganze Team. Das ist ein tolles Erlebnis, gemeinsam für so ein Schicksal doch alles zu geben.
Dieterle: Sie sind ja Chefarzt für Plastische Chirurgie am Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach. Irgendwann kamen dann ihre Hilfseinsätze dazu. Wie hat das eigentlich angefangen?
Borsche: Das war ein ganz aufregender Moment. Ich war 1990 in Frankfurt gewesen, da hatte mein früherer Chef, Professor Lemperlich, mich mitgenommen nach Westafrika, nach Guinea. Und das waren zwei Wochen, die so intensiv mich beeindruckt haben, da habe ich gesagt: “Ab sofort will ich das doch regelmäßig und öfter machen”. Und jetzt sind es über 65 Einsätze geworden und ich bin sehr froh, dass ich es nicht alleine machen kann. Meine Frau begleitet mich, die ist auch Ärztin, sodass wir das im Team jedes Jahr eigentlich realisieren.
Dieterle: Daraus ist was richtig Großes geworden mit Interplast. Jetzt werden Sie in Bad Kreuznach bald in den Ruhestand gehen, aber für Ihre Herzenssache, für Ihr Herzensprojekt, da, so wie ich Sie einschätze, gibt es keine Minute.
Borsche: Da geht es vielleicht sogar noch intensiver los, nicht? Nein, ich bin da sehr glücklich, dass wir das intensivieren können, so lange ich noch nicht zittere und vernünftige Arbeit mache. Und einfach auch der Erfahrungsschatz. Das ist eine tolle Sache, wenn man da vielen helfen kann, aber auch zeigen kann, wie es geht. Es geht nicht nur darum, dass den Einzelnen geholfen wird, sondern dass man andere kennenlernt, ihnen Mut macht, das durch Tricks und besondere Techniken, das einfach zu realisieren, damit sie selber in der Lage sind, ihren Patienten noch besser zu helfen.
Dieterle: Also ihr Wissen weitergeben. Wie wird das künftig sein? Sind das dann hauptsächlich Auslandseinsätze oder wie werden sie das gestalten?
Borsche: Sowohl als auch. Ich habe das große Glück, einen Nachfolger gefunden zu haben, der sich auch sehr engagiert, aber noch nicht dieses Erfahrungsschatz mit sich bringt. Und wir haben verabredet, dass ich regelmäßig auch weiter im Diakonie Krankenhaus Interplast-Kinder mit ihm zusammen operieren werde.
Dieterle: Also es wird auch noch Fälle in Bad Kreuznach geben.
Borsche: Allemal. Wir haben schon einen Terminplan gemacht, das geht schon in Reichweite.
Dieterle: Herzensprojekte kennen keinen Ruhestand. Das ist ganz toll. Herr Dr. Borsche, vielen Dank, dass Sie heute bei uns waren.
Borsche: Sehr gerne. Herzlichen Dank für die Einladung.