Hessischer Landtag debattiert über Anschlag in Hanau

Der 19. Februar 2020. Der mutmaßlich rassistische Tobias R. tötet neun Hanauer Bürger, seine Mutter und schließlich sich selbst. Hätte der Anschlag verhindert werden können? Welche Fehler wurden von Behörden gemacht? Und wer trägt die politische Verantwortung? Diese Fragen hat ein Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags jetzt zwei Jahre lang zu klären versucht. Heute haben die Ausschussmitglieder ihren Abschlussbericht dem Parlament vorgestellt.

642 Seiten ist er lang, der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Attentat in Hanau.
Die Kernaussage: Die Tat sei nicht zu verhindern gewesen. Auch wenn außer Frage stehe, dass der Täter Tobias R. aufgrund seiner psychischen Erkrankung nie eine Waffe hätte besitzen dürfen.
Der Ausschuss kommt in seinem Bericht außerdem zu dem Ergebnis, dass die Notausgangstür in einem der Tatorte – der Arena Bar – verschlossen war. Eine Einschätzung, die die Staatsanwaltschaft nicht teilt. Zudem sei der Notruf überlastet, bzw. unzureichend besetzt gewesen.
Eine Zumutung aus Sicht der SPD.
Heike Hofmann (SPD), Obfrau Hanau-Untersuchungsausschuss
„Es gibt keine Umleitungen, bzw. Weiterleitungen. Nicht angenommene Notrufe gingen ins Leere. Das stellt aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ein erhebliches Organisationsverschulden da. Und es ist bitter und scharf zu kritisieren, dass es für dieses Organisationsverschulden bis zum heutigen Tage keine Verantwortungsübernahme gibt.“
Eine Entschuldigung kommt heute von den Grünen.
Vanessa Gronemann (Bündnis ’90 / Die Grünen), Obfrau Hanau-Untersuchungsausschuss
„Und ich weiß, das kann die Tat nicht ungeschehen machen und es kann Ihnen Ihren Schmerz nicht nehmen. Es ersetzt aber auch keine Entschuldigung von Polizeibeamten oder politischen Verantwortlichen. Ich hoffe aber, dass den eben genannten dies als Vorbild dienen kann.“
Es seien viele Fehler passiert, vor allem auch im Umgang mit den Angehörigen. Die Worte „Staats- oder Behördenversagen“ will aber kaum jemand in den Mund nehmen.
Obwohl Tobias R. immer wieder auffällig war, seine Gefährlichkeit sei nicht abzusehen gewesen, betont die CDU.
Michael Ruhl (CDU), Abgeordneter Landtag Hessen
„Und deshalb auch keine Maßnahmen ergreifen. Die vor dem Anschlag bei verschiedenen Behörden vorhandenen Informationen waren aus rechtlichen Gründen nicht miteinander vernetzt und somit nicht umfänglich verfügbar. Manche der Informationen lagen zudem zeitlich so weit zurück, dass es nicht möglich gewesen wäre, aus diesen Informationen frühzeitig konkrete Warnhinweise abzuleiten.“
Die CDU attestiert dem Ausschuss einen breiten Aufklärungswillen. In 42 Ausschusssitzungen wurden 84 Zeugen und zwölf Sachverständige befragt. SPD und Grünen konstatieren, dass trotzdem nicht alle Frage beantwortet werden konnten.
Das beklagen auch die Angehörigen.
Armin Kurtovic, Vater eines Opfers
„Alle Fragen, die offen waren zum Anfang des Untersuchungsausschusses, wurden nicht beantwortet. Man kann hier nicht von einem Abschluss reden. Wir hatten gar keine Zeit zu trauern. Alles, was rausgekommen ist, war die Arbeit der Angehörigen.“
Bleibt die Frage nach den Konsequenzen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse klären Missstände auf und können dazu führen, dass politisch Verantwortliche ihren Hut nehmen müssen.
Im Fall des Hanau-Untersuchungsausschusses vermissen die Angehörigen der Opfer Konsequenzen.