Hessische Landtagswahl 2023: Stefan Naas, Spitzenkandidat der FDP

In neun Tagen entscheiden Sie, wer in den neuen Hessischen Landtag einzieht. Und zuvor wollen wir Ihnen Entscheidungshilfe geben in unseren Wahl-Spezial-Sendungen hier in 17:30 Sat.1 live.

Markus Appelmann, Moderator: Herzlich willkommen zu Hause und “Herzlich willkommen hier bei uns im Studio”, sage ich zu dem Spitzenkandidaten der FDP bei der hessischen Landtagswahl, Stefan Naas.
Stefan Naas (FDP), Spitzenkandidat Landtagswahl Hessen: Hallo Herr Appelmann.
Appelmann: Herr Naas, einige haben Sie schon auf den Wahlplakaten gesehen, aber nicht alle kennen Sie. Deswegen stellen wir Sie noch einmal vor und wir haben sie bei einem Wahlkampftermin begleitet.
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Stefan Naas, 49 Jahre alt, aus Steinbach im Taunus. Von 2009 bis 2018 war Naas Bürgermeister seines Heimatortes. Seit 2019 sitzt er nun im hessischen Landtag. „Nah bei de Leut“ – so versteht sich Stefan Naas. Auf dem Laternenfest in Bad Homburg packt der FDP-Mann deshalb auch mit an und schenkt Getränke aus.
„Ham sie was zu trinken? Wollen sie was?“ – „Nee ich trink kein Bier!“ – „Wir haben auch Wasser. Wir ham auch Wasser. Wir ham auch Apfelschorle! Ich mach ihnen eine.“
Apfelschorle und Bier – natürlich alles im FDP-Gelb. Und was darf’s bei ihnen sein Herrn Naas?
„Typ Äppler – ich bin Hesse!“
Stets gut gelaunt ist Naas. Und gut gekleidet. Mit schickem Anzug und Krawatte wirkt der FDP-Mann konservativ. Auf den Wahlplakaten eher wie ein Rockstar. Die Hessen-FDP versucht ein breites Spektrum an Wählern anzusprechen – besonders im Wahlkampf.
Stefan Naas, FDP, Spitzenkandidat für die hessische Landtagswahl
„Ja hier sind alle. Und hier erreichen wir auch alle. Also das Laternenfest in Homburg, da geht jeder hin. Die besten Gespräche sind die, wo man gar nicht über Politik spricht, sondern über alles andere und trotzdem am Ende klar ist, dass man sich gegenseitig unterstützt. Das sind die besten Gespräche.“
Doch längst nicht jeden, der ein Getränk am FDP-Stand nimmt, kann Stefan Naas überzeugen. Die Meinungen in Bad Homburg; geteilt.
Nikolaj Imwalle, Ingenieur
„Aktuell kommt die FDP ein bisschen so rüber als dass sie eben nur Politik für die ganz oben machen, also für das komplette Management. Und sie eigentlich nicht wirklich für das gesamte Land interessieren.“
Gerhard Schneider, Pensionär
„Ich würde sie wählen. Das ist diese Marktwirtschaftlichkeit, die sie propagiert. Und das ist für mich interessant.“
Nikolaj Imwalle, Ingenieur
„Ja, was die Klimapolitik angeht – na, da haben sie eigentlich auch noch nicht den Schuss gehört. Aber was manche Sachen angeht, haben die vielleicht mal ein paar gute Ideen, aber da fallen mir jetzt grad so direkt keine ein.“
Es gilt also noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Stefan Naas muss zünden! Ganz nach dem Motto „Feuer und Flamme für Hessen.“
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Appelmann: “Feuer und Flamme für Hessen.” Wir haben Sie gerade eben gesehen auf den Wahlplakaten als Rockstar, ansonsten ein bisschen konservativer, seriöser. Ist das nicht ein zu breites Spektrum, was Sie da abdecken wollen?
Naas: Nein. Wir wollen als Partei natürlich alle ansprechen und deswegen haben wir auch eine Kampagne gewählt, die, glaube ich, die ganze Breite der Partei auch abbildet.
Appelmann: Wir haben es eben auch als Feedback gehört: “Die Partei, die FDP, hat den Schuss nicht gehört, wenn es um die Klimapolitik geht.” Macht Sie das ein bisschen nachdenklich, wenn Sie das hören?
Naas: Nein, gar nicht. Wir haben ein ganz, ganz breites Portfolio an Vorschlägen, was die Klimapolitik angeht. Wir wollen die Geothermie in Hessen verstärken, wir wollen die Kernfusion besser erforschen, wir wollen Solarenergie verstärken in Hessen. Also wir sind da sehr breit aufgestellt.
Appelmann: Sie haben sich als FDP stark gemacht für die Verlängerung der damals abgeschalteten Atomkraftwerke.
Naas: Ja. Wir hätten die drei Meiler am Netz gelassen. Wir hätten damit natürlich die Unabhängigkeit auch erhöhen können und wir müssten jetzt eben nicht Atomstrom aus Frankreich importieren.
Appelmann: Was am Ende aber auch bedeutet, dass der Strompreis vielleicht eine Veränderung erfahren hätte.
Naas: Ja, wir hätten damit Versorgungssicherheit gehabt und auch günstigere Preise. Das war ein Fehler.
Appelmann: Über die Strompreise sprechen wir gleich noch, denn gerade die Wirtschaft sieht das als ganz großen Standortnachteil. Zunächst schauen wir aber auf das Wahlprogramm der FDP. 120 Seiten ist es lang. Wir bringen es zusammen in aller Kürze auf 120 Sekunden.
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Bildung:
Bereits in der frühkindlichen Bildung will die FDP den Grundstein für digitale Kompetenzen setzen. Sie will außerdem ein „Qualifiziertes Schulvorbereitungsjahr“ einführen. In der Schule selbst soll das Fach Informatik verpflichtend werden. Das Konzept der selbstständigen Schulen, die mehr Eigenverantwortung bei Unterrichtsgestaltung, Personal und Finanzen bekommen, soll ausgebaut werden.
Verkehr:
Die FDP will Klimaschutz und Individualverkehr versöhnen. Dabei setzt sie auf synthetische Kraftstoffe. Die Mittel für den Straßenbau sollen erhöht und die Schieneninfrastruktur ausgebaut werden. Beim Straßenbau will die FDP weg vom Grundsatz „Erhalt vor Neubau“. Sie fordert Straßenneubau in Ballungsräumen und neue Ortsumfahrten.
Wohnungsbau:
Durch weniger Regulierung will die FDP den Wohnungsbau ankurbeln. Dazu will sie den Erwerb von Eigentum fördern, auch indem die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wieder erlaubt wird. Mietpreisbremsen lehnt sie ab, weil Investitionen wegen ihr unrentabel seien. Die Grundsteuer für baureife, aber unbebaute Grundstücke will sie abschaffen.
Energie:
Die FDP will durch den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur die Energieversorgung sichern. Photovoltaik und Biomasse-Kraftwerke sollen ausgebaut werden, Windenergie-Anlagen auf dem Land hält die FDP für weniger sinnvoll.
Wirtschaft:
Die FDP will die Wirtschaftsförderung vermehrt auf die Bedürfnisse von Gründern ausrichten. Der Finanzplatz Frankfurt soll durch die Ansiedlung der EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche aufgewertet werden. Ein „House of Production“ soll Wirtschaft und Wissenschaft unter einem Dach vereinen und Hessen zum innovativsten Industriestandort Europas machen.
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Appelmann: Herr Naas, Sie sagen, dass es der Wirtschaft in Hessen nicht ganz gut geht. Aber trotz Coruna-Krise und Ukraine-Krise haben wir so viele Erwerbstätige wie noch nie. Das müssen Sie doch gut finden.
Naas: Das stimmt. Aber trotzdem sind wir im Vergleich zu anderen Bundesländern zurückgefallen. Wir hatten in den letzten neun Jahren unter Schwarz-Grün sieben Mal unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum und deswegen sagen wir: Die Wirtschaft muss gestärkt werden, wir müssen wieder stärker wachsen, wir müssen jetzt Impulse setzen. Wir wollen uns einsetzen, dass wir die Bürokratie abbauen in diesem Land, dass die Wirtschaft auch wieder richtig wirtschaften kann. Wir sagen: Verbieten wir uns die Wirtschaft nicht kaputt.
Appelmann: Sie wollen ja Wirtschaftsminister werden, haben Sie ganz klar kommuniziert. Ob das funktioniert, steht in den Sternen. Die Umfragen gucken wir uns später ja auch noch an. Was die Wirtschaft momentan als großes Problem sieht, sind die Energiepreise. Was würden Sie als Wirtschaftsminister tun, um die zu senken?
Naas: Ich glaube, als Land müssen wir schauen, dass wir insgesamt mehr Fach- und Arbeitskräfte nach Hessen bekommen. Das ist das größte Problem der Wirtschaft im Moment. Und wir müssen dafür sorgen, dass wir am Ende die Bürokratie wirklich bekämpfen, weil sie liegt wie Blei auf diesem Land und sie führt zu erhöhten Kosten in der Wirtschaft. Und das wäre mir ein wichtiges Anliegen, dass wir dort Freiräume erschließen, wo dann auch Unternehmen wieder richtig investieren können.
Appelmann: Jetzt haben Sie andere Probleme genannt, die sicherlich auch da sind, aber wie würden Sie die Energiepreise senken?
Naas: Die Energiepreise sind natürlich zunächst mal Aufgabe des Bundes sozusagen. Hier wäre für mich ein sinnvoller Vorschlag, die Energiesteuer, die Stromsteuer zu senken, und zwar für alle. Spezielle Subventionen für einzelne Branchen lehnen wir als Freie Demokraten ab – wir finden das ungerecht – und deswegen ist hier natürlich zunächst auch mal der Bundesgesetzgeber gefragt.
Appelmann: Wobei In der Ampel in Berlin regieren Sie ja auch mit und haben auch Mitspracherecht natürlich. Sie präsentieren sich ganz klar als Anti-Al-Wazir und Sie sagen: “Es gibt auch ein Leben ohne Elektroautos und ohne Wärmepumpe.” Passt das in eine Zeit, wo der Klimawandel ein so großes Thema ist?
Naas: Ja, wir wollen die Technologievielfalt, wir wollen die Technologieoffenheit. Ich glaube, dass die Heizung zum Haus passen muss und nicht das Haus zur Heizung und deswegen gibt es natürlich ganz verschiedene Formen, wie man auch ein Haus beheizen kann. Es kann die Wärmepumpe sein, aber das kann auch die Pelletheizung sein.
Appelmann: Also da sind Sie wirklich sehr offen und bieten alle Möglichkeiten.
Naas: Ja, und das gilt natürlich auch für die Antriebstechnik. Also natürlich kann ich synthetische Kraftstoffe verwenden, die gibt es ja auch in Hessen schon, zum Beispiel aus Reststoffen, aus alten Pommes-Fett und das kann ich auch in Spezial-Fahrzeuge füllen. Da gibt es eine ganze Menge. Und nur auf Elektromobilität zu setzen, das halten wir für den falschen Weg.
Appelmann: Aber es muss ja letztlich auch die Infrastruktur geben. Der Bürger muss überall sein E-Auto laden können und das Frittenfett bekommen, wie Sie sagen.
Naas: Richtig. Und gerade bei den E-Ladesäulen sind wir ziemlich zurück. Da müssen wir mehr tun. Und auch was die Tankstellen angeht und die Versorgung mit synthetischen Kraftstoffen, würde ich mir mehr Tempo wünschen, auch von dieser Landesregierung. Denn die zwei Tankstellen, die eröffnen wollten, wurden ja gleich verboten.
Appelmann: Ein ganz großes Thema – wir haben es bei Ihnen auch im Wahlprogramm gesehen – ist der Wohnungsmarkt, der momentan völlig überhitzt ist, denn es fehlen in Hessen Zehntausende neue Wohnungen.
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Wohnungssuche in Großstädten – fast überall gilt: Zu viele Bewerber treffen auf zu wenige Wohnungen. Und der Wohnraum ist nicht nur knapp, sondern auch teuer.
In Frankfurt und 48 anderen hessischen Gemeinden gilt deshalb die sogenannte „Mietpreisbremse“. Das heißt: Wird eine Wohnung erneut vermietet, dann darf die neue Miete nur maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Wir sind unterwegs in Wiesbaden. Auch hier gilt die Mietpreisbremse. Und hier sitzt auch der Deutsche Mieterbund Hessen. Direktorin Eva-Maria Winckelmann weiß: Viele können sich schon jetzt das Wohnen in den Innenstädten nicht mehr leisten.
Eva-Maria Winckelmann, Direktorin Deutscher Mieterbund Hessen
„Die Mietpreisbremse brauchen wir im Moment leider weiter. Ich sage auch“ leider“, es wäre uns auch lieber, sie wäre nicht nötig. Wichtig ist es tatsächlich, dass die Mieten jetzt auf einem bestimmten Niveau eingefroren werden, dass sie nicht immer mehr in extreme Höhen steigen – das ist einfach notwendig, dass man da auch staatliche Maßnahmen ergreift und nutzt, die für eine Stabilisierung stehen.“
Die Mietpreisbremse gilt nur in Gemeinden mit einer „angespannten Wohnungslage“. Wo die Lage angespannt ist, das entscheiden die jeweiligen Landesregierungen. Sollte die FDP an der nächsten Regierung in Hessen beteiligt sein, könnte das das Aus für die Mietpreisbremse bedeuten. Denn für die Partei steht fest: Die Mietpreisbremse ist eine „Wohnraumbremse“ und gehört abgeschafft.
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Appelmann: “Die Mietpreisbremse ist eine Wohnraumbremse”, sagt die FDP. Warum ist das so Ihrer Meinung nach?
Naas: Wir brauchen insgesamt mehr Wohnungen in Hessen. Das heißt, wir müssen mehr bauen. Und deswegen brauchen wir natürlich auch staatlichen Wohnungsbau. Aber wir brauchen vor allem den privaten Wohnungsbau. Und wenn private Investoren, private Vermieter das Vertrauen in den Markt verlieren, dann führt das dazu, dass es immer weniger Wohnungen gibt und das führt dazu, dass die Nachfrage gleichbleibend hoch ist, aber das Angebot sinkt und damit steigen die Preise. Das wollen wir verhindern.
Appelmann: Das ist aber kein Argument für Eva Maria Winkelmann vom Deutschen Mieterbund in Hessen. Wir lassen Sie noch mal ganz kurz zu Wort kommen.
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Eva-Maria Winckelmann, Deutscher Mieterbund Hessen
„Viele, viele Mieterinnen und Mieter zahlen mittlerweile mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete und das ist einfach zu viel, da bleibt kein Geld mehr übrig, um mit den Kinder mal in den Zoo zu gehen oder mal ins Kino oder sich einfach tatsächlich mal was Zusätzliches zu gönnen. Sondern man arbeitet tatsächlich für die Miete.“
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Appelmann: Ja, es ist Ihnen egal, wenn der Busfahrer oder die Verkäuferin sich die Miete gerade in Ballungsgebieten nicht mehr leisten kann?
Naas: Nein, das ist uns nicht egal. Deswegen haben wir aber gesagt, wir brauchen beides. Wir brauchen staatlichen Wohnungsbau, aber wir brauchen vor allem privaten Wohnungsbau. 85 % der Mietwohnungen werden von privaten Vermietern gestellt und deswegen kommt es darauf an, jetzt diese privaten Vermieter auch zu bestärken und zu sagen: “Bitte investiert weiter in den Wohnungsmarkt.” Das ist wichtig.
Appelmann: Der Wohnungsmarkt ist auch begrenzt, weil immer mehr Flüchtlinge momentan zu uns kommen. Was würden Sie in Regierungsverantwortung tun, dass weniger Flüchtlinge zu uns kommen?
Naas: Ich glaube, dass die hessischen Kommunen an der Belastungsgrenze sind. Ich glaube, dass wir dafür sorgen müssen, dass die Zahlen insbesondere bei der irregulären Migration auch nach Hessen zurückgehen. Und ich würde mir wünschen, dass wir an die Flüchtlinge kein Geld mehr auszahlen, sondern dass wir in ein Bezahlsystem kommen mit Gutschein oder mit einer Giro-Karte, mit einer Bezahlkarte, wo auch der Anreiz hierher zu kommen, Geld zu erhalten und auch zurück zu überweisen an Schlepper oder an Angehörige, dass das nachlässt.
Appelmann: Das ist auch eine Idee, die heute Bundestagsfraktionschef Christian Dürr geäußert hat. Also die Anreize müssen ganz klar zurückgeschraubt werden?
Naas: Ja.
Appelmann: Sie haben noch was gesagt in Ihrem Wahlprogramm: “Die Zuwanderung muss gesteuert werden.” Heißt das im Umkehrschluss, dass auch die FDP eine Obergrenze an Flüchtlingen fordert?
Naas: Das sehe ich nicht, zumal wir ja auch Zuwanderung in unser Land brauchen. Aber ich glaube, wir müssen sie besser ordnen und wir müssen sie besser steuern. Wir müssen für die, die wir wollen, mehr tun, auch mehr Anreize bieten.
Appelmann: Da meinen Sie jetzt die Fachkräfte kommen, mir ging es jetzt vor allem um Asylanten, die zu uns kommen.
Naas: Aber mir war wichtig, das auch zu sagen, weil wir, glaube ich, an dieser Stelle auch mehr tun müssen. Und auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass weniger Menschen zu uns kommen, die unseren Sozialstaat vor allem belasten und wenig Interesse an unserer Arbeitswelt haben.
Appelmann: Klingt aber trotzdem irgendwie nach Begrenzung. Und eine Mehrheit – auch der FDP-Wähler – fordert letztlich eine Begrenzung der Flüchtlinge, so eine aktuelle Studie.
Naas: Also eine Begrenzung, die würde ich noch nicht sehen. Ich sage: Im Moment müssen wir schauen, dass wir schneller abschieben, dass wir die Zahlen runter bekommen, auch durch eine Begrenzung der Nachzugsregelung, dass wir die Drittstaaten, also die sicheren Herkunftsstaaten ausweiten, hier neue Staaten aufnehmen – das verhindern insbesondere die Grünen auch im Hessischen Landtag – und da gibt es eine Menge zu tun.
Appelmann: Lassen Sie uns bei dem Thema bleiben. Die FDP hat ja die Forderung, die Maghreb-Staaten, also Tunesien, Algerien und Marokko, zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Grünen im Bund sind klar dagegen. Aber am Ende geht es doch in der Berliner Ampelregierung auch mit der FDP nach Hause.
Naas: Ja, aber wir haben uns innerhalb der Bundesregierung sehr klar positioniert, wie ich finde. Und das ist jetzt an den Grünen hier sich zu bewegen. Ich finde auch, dass der Kanzler da auch eingreifen muss und das hat er ja auch schon in den letzten Tagen getan.
Appelmann: Okay. Dann haben wir noch ein Thema: In Ihrem Wahlprogramm steht auch, dass die Städte und Gemeinden gestärkt werden müssen, finanziell gestärkt werden müssen, um diese Flüchtlingskrise auch zu schaffen. Haben Sie da mal mit Ihrem Bundesfinanzminister, mit FDP-Chef Christian Lindner darüber gesprochen? Denn der sitzt ja an der Geldquelle letztlich. Der müsste den Geldhahn ja aufdrehen.
Naas: Das stimmt, aber auch das Land ist gefordert, die Kommunen besser zu unterstützen. Wir Freie Demokraten sind der Auffassung, dass die Kommunen insgesamt besser ausgestattet werden müssen für die vielen Sozialaufgaben, die sie haben. Dazu gehört die Kinderbetreuung, Kindergarten, Kindertagesstätten und natürlich auch die Unterbringung der Flüchtlinge.
Appelmann: Wenn Sie solche Forderungen stellen, müssen Sie sich aber die Frage gefallen lassen, wo das Geld herkommt. Also irgendwo anders muss es ja eingespart werden, denn am Ende ist es Steuergeld, wird also von allen Bürgern erwirtschaftet.
Naas: Das stimmt. Aber wir haben ja schon gesagt, der Bürokratieabbau, der ist ein wichtiges Thema in Hessen. Wenn Sie sich überlegen, dass die hessische Ministerialbürokratie, die Beamten, in den letzten neun Jahren um 40 % angewachsen sind – wir haben fast 1000 Stellen mehr in den hessischen Ministerien -, gibt es da auch Einsparpotenzial. Und zwar reichlich.
Appelmann: Wir wollen jetzt mal zur Frage kommen, welche Möglichkeiten die FDP in Hessen hat, überhaupt an eine Regierung zu kommen. Und deswegen schauen wir uns die aktuelle Umfrage mal an.
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Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl in Hessen wäre, käme die CDU auf 32 Prozent. SPD und Grüne würden 17 Prozent erreichen. Die AfD käme auf 16 und die FDP auf 5 Prozent. Die Freien Wähler und die Linke würden den Sprung in den Landtag verpassen.
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Appelmann: Ja, es gibt aktuelle Umfragen. Gestern hatten Sie 6 %, bei der heutigen Umfrage 5 %. Das ist momentan so der Bereich. Im Unterschied zu Berlin sehen wir in Hessen momentan keine Neigung zu einer Ampelregierung. Gibt es von Ihnen ein No-Go für die Ampel oder sind Sie da trotzdem noch offen?
Naas: Also wir sind eine eigenständige politische Kraft der Mitte. Es gibt von uns aus keine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken, den Extremen. Und wir haben eine klare Präferenz für eine Koalition mit der CDU und der SPD, die sogenannte Deutschland-Koalition.
Appelmann: Okay, also Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und dann eben auch FDP. Aber Sie haben schon auch mal nachgerechnet und gesehen, dass also CDU und SPD auch alleine zusammen könnten?
Naas: Ja, aber die Ergebnisse sind knapp und 1/3 der Hessinnen und Hessen hat sich ja auch noch nicht entschieden. Wir kämpfen bis zum Schluss.
Appelmann: Das ist richtig. Bis zum nächsten Sonntag, wenn dann die Wahl ist. Ampel ist kein großes Thema für Sie, weil Sie sich auch ganz klar gegen die Grünen in diesem Wahlkampf stark positioniert haben. War das schlau? Denn es ist doch die zweite mögliche Regierungsoption für Sie.
Naas: Kann ich mir für Hessen nicht vorstellen. Ich bin ja einer der größten Kritiker der Grünen-Landesregierung. Ich finde, die Grünen gehören raus aus der Landesregierung.
Appelmann: Okay, klares Statement von Ihnen. Wie wollen Sie in den letzten Tagen vor der Wahl Ihrem Wähler noch mal klar machen, dass es keine verlorene Stimme ist? Denn momentan, wir haben es gesehen, liegen sie bei 5 bis 6 %, was ja eher knapp werden könnte mit dem Einzug ins Parlament.
Naas. Ich bin da sehr optimistisch, dass wir wieder eine starke Fraktion im nächsten Hessischen Landtag haben. Und ich kämpfe bis zum 8. Oktober für ein gutes Ergebnis. Ich glaube, wir haben die richtigen Themen – Wirtschaft, Bildung, Freiheit – und da ist mir auch nicht bange, dass wir damit nicht viele, viele Wählerinnen und Wähler auch überzeugen können.
Appelmann: … sagt Stefan Naas, der Spitzenkandidat der hessischen Liberalen. Danke, dass Sie heute bei uns im Studio waren.
Naas: Herzlichen Dank. Hat Spaß gemacht.