Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori zu Gast im Studio

Seit rund zwei Wochen ist sie im Amt – die neue hessische Landesregierung. Ein Bündnis aus CDU und SPD unter Führung von Ministerpräsident Boris Rhein. Und er ist der zweite starke Mann der Koalition: Kaweh Mansoori, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Wirtschaft, Verkehr und Energie. Eva Dieterle spricht mit ihm über seine neue Rolle und die Herausforderungen, vor denen die neue Regierung, aber auch seine Partei, die SPD, jetzt steht. Vorher stellen wir Ihnen Kaweh Mansoori kurz vor.

In der Hessen-SPD gilt er als Senkrechtstarter: Mit 35 Jahren ist Kaweh Mansoori der jüngste Minister im neuen Kabinett.
Der Sohn iranischer Flüchtlinge wird 1988 in Gießen geboren. Mansoori studiert Jura, arbeitet als Anwalt unter anderem bei der Wirtschaftsberatung KPMG. 2018 wird er Chef der hessischen Jusos, 2019 dann Vorsitzender des SPD Bezirks Hessen-Süd. 2021 gelingt ihm der Sprung in den Bundestag. Seit letztem Jahr sitzt er auch im SPD-Parteivorstand.
Schon seit 2006 ist Mansoori Mitglied der SPD. Während er in der Partei immer weiter aufstieg, blieb doch eines immer gleich: Die Sozialdemokraten saßen im hessischen Landtag auf der Oppositionsbank.
Vielleicht waren Mansoori und seine SPD auch deshalb in den Koalitionsverhandlungen sehr kompromissbereit – zu kompromissbereit, finden die Jusos.
Lukas Schneider (SPD), Vorsitzender Jusos Hessen am 16.12.2023
„Ich weiß, es gibt die Hoffnung, dass diese Koalition ein sicherer Hafen ist für uns nach dieser verheerenden Wahlniederlage. Aber ich glaube, es ist leider ein Sumpf in den wir reingetappt sind und aus dem wir jetzt so schnell nicht rauskommen, wenn wir dem Koalitionsvertrag zustimmen.
Doch die hessische SPD stimmt dem Koalitionsvertrag mit deutlicher Mehrheit zu. Vielen scheint klar zu sein: mehr konnte man in den Verhandlungen nach dem historisch schlechten Wahlergebnis von nur rund 15 Prozent wohl einfach nicht durchsetzen. Und nach rund einem Vierteljahrhundert in der Opposition muss die SPD eben einfach mal wieder beweisen, dass sie auch eine Regierungspartei sein kann.
Und eine Regierungspartei – die hat Posten zu verteilen. Viele hatten den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Günter Rudolph schon als Minister gesehen. Doch er ging leer aus. Und auch den Fraktionsvorsitz ist der 67-Jährige los. Er ist erst gar nicht mehr zur Wahl angetreten. Er wusste wohl, dass er verlieren würde.
Günter Rudolph (SPD), Ehem. Fraktionschef Landtag Hessen, am 18.01.2024
„Jetzt müssen die, die Verantwortung übernehmen auf Seiten der SPD, erst mal beweisen, dass sie es können. Wir stehen vor großen Herausforderungen: Die Menschen wollen Orientierung und Sicherheit, das, was die Ampel in Berlin nicht liefert, und die wollen keine parteipolitischen Ränkespiele, das muss der ein oder andere Funktionär der SPD noch lernen.“
Rudolphs Niederlage ist auch eine Schlappe für die Noch-Vorsitzende der Hessen-SPD Nancy Faeser. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie den Landesvorsitz beim Parteitag im März abgibt. Ihr möglicher Nachfolger: Kaweh Mansoori.
Das Superministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und Ländlichen Raum führen, als Juniorpartner der CDU mitregieren und trotzdem das Profil der Hessen-SPD wieder schärfen – es sind viele Aufgaben, die auf unseren heutigen Studiogast warten.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Und jetzt begrüße ich Ihnen hier bei mir. Kaweh Mansoori, herzlich willkommen zu Ihrer Premiere hier bei uns.
Kaweh Mansoori (SPD), Wirtschaftsminister Hessen: Danke schön. Guten Abend.
Dieterle: Ja, Sie sind jüngster Minister im Kabinett, gleich so ein XXL-Ressort und dann auch noch stellvertretender Ministerpräsident. Wie hoch ist da der Druck?
Mansoori: Na ja, ich habe die Aufgabe mit einer großen Portion Respekt angetreten, aber auch mit sehr viel Vorfreude, weil es mir darum geht, zu gestalten, etwas für die Menschen zu bewegen. Und am Ende ist das natürlich auch eine große Chance, aus diesem Ministerium heraus viel für Hessinnen und Hessen voranzubringen.
Dieterle: Und wie viel Druck ist das? Wie viel spüren Sie?
Mansoori: Ich fühle mich gut vorbereitet auf die Aufgabe. Ich bin ja jetzt politisch kein Neuling, auch wenn ich noch nicht so lange im politischen Hauptamt bin. Ich beschäftige mich mit politischen Fragen seit meinem 16. Lebensjahr. Ich habe die letzten zweieinhalb Jahre ja auch unter schwierigen Bedingungen im Deutschen Bundestag Verantwortung getragen als Regierungsabgeordneter und insoweit ist das natürlich eine fordernde Aufgabe. Aber ich bin ein Typ, der sich gerne Herausforderungen stellt und gerne Verantwortung übernimmt. Und deswegen werden wir jetzt die nächsten fünf Jahre auch die Ärmel hochkrempeln, damit wir was für die Menschen bewegen.
Dieterle: Lassen Sie uns auch auf die Fraktion schauen. Da kann man ja sagen: Die Neuerfindung der SPD ist nicht ganz so ruhig vonstatten gegangen. Es gab diesen internen Machtkampf, am Ende wurde Fraktionsvorsitzender Tobias Eckert – allerdings mit zwölf zu elf Stimmen. Geschlossenheit sieht anders aus, oder?
Mansoori: Na ja, es gab ein demokratisches Angebot. Da sind zwei angetreten, die ihre Vorstellungen in die Fraktion eingebracht haben. Und am Ende hat die Fraktion entschieden. Beide bilden ja gemeinsam jetzt auch die Spitze in der SPD-Fraktion. Und von daher finde ich das eigentlich ein sehr erwachsenen und demokratischen Umgang. Es geht in der Demokratie am Ende auch darum, Alternativen aufzuzeigen.
Und jetzt arbeiten wir gemeinsam daran, Regierung, Fraktion und Partei, in den nächsten fünf Jahren auch den Unterschied zu machen und deutlich zu machen, dass mit der SPD in der Regierung sich auch etwas in Hessen bewegt.
Dieterle: Sie waren Bundestagsabgeordneter in der Ampel. Sie zählen in der SPD eher zum linken Lager. Sie selbst haben nach der Bundestagswahl 2021 gesagt: “Nicht mehr mit der Union.” Und jetzt sind ausgerechnet Sie derjenige, der hier steht in einem Regierungsbündnis mit der CDU, der diesen Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hat. Wie passt das zusammen?
Mansoori: Na ja, ich finde, in der Demokratie gehört es dazu, dass man Kompromisse macht, dass man kompromissfähig ist. Die Wahl im deutschen Bundestag ist ja so ausgefallen, dass die SPD diese Wahl damals gewonnen hat. Es gab eine Alternative, und deswegen habe ich mich damals für ein progressives Bündnis stark gemacht. Diesmal war die Situation in Hessen anders und es hat sich die Frage gestellt, ob die SPD auch unter schwierigen Bedingungen bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, um etwas zu bewegen. Und ich finde, der Einsatz für bezahlbares Wohnen, der Einsatz für Industriearbeitsplätze in Hessen, da lohnt es sich auch, unter schwierigen Bedingungen Kompromisse zu machen.
Dieterle: Es gab auch Kritik für den Koalitionsvertrag. Wir haben die Jusos gerade gehört, die sagen zu wenig SPD-Handschrift. Die Grünen gehen ein Schritt weiter, sagen sogar: “Die SPD wurde in diesem Koalitionsvertrag gedemütigt.” Das werden Sie jetzt wahrscheinlich weit von sich weisen, aber sagen Sie uns mal: Wo erkennt man im Koalitionsvertrag: “Das ist SPD”?
Mansoori: Na ja, man muss die Kräfteverhältnisse in dieser Koalition sehen. Wenn ein Partner 35 % erreicht hat und einer 15, dann ist doch klar, dass der, der 35 erreicht hat, auch deutlicher erkennbar ist im Koalitionsvertrag. Trotzdem gibt es aus meiner Sicht eine klare sozialdemokratische Handschrift. Das macht sich beispielsweise daran fest, dass wir per Gesetz spekulativen Leerstand in Hessen verbieten wollen, um mehr Wohnungen auch verfügbar zu machen für Menschen, die kleines und mittleres Geld verdienen. Wir werden uns einsetzen für Bildungsgerechtigkeit. Wir werden uns einsetzen für den Erhalt von Industriearbeitsplätze. Das Thema eines Hessen-Fonds, um einerseits Innovationsförderung zu betreiben, andererseits Transformationsförderung zu betreiben – das sind ja alles wichtige SPD-Themen auch im Wahlkampf gewesen. Und all diese Themen werden jetzt auch in einer gemeinsamen Vernunftkoalition umgesetzt und von daher gehen wir da selbstbewusst in diese Regierungsarbeit rein und freuen uns auf die nächsten fünf Jahre.
Dieterle: Eine der wichtigsten Aufgaben dieser Vernunftskoalition, wie Sie es gerade genannt haben, wird es sein, die Zuwanderung, ich sage jetzt mal, in den Griff zu bekommen. Wird die SPD diesen Weg konsequent mitgehen?
Mansoori: Es gilt der Koalitionsvertrag und da haben wir uns ja auch klar verabredet. Wir wollen einerseits, dass Menschen, die vor Krieg und politischer Verfolgung fliehen, eine Heimat hier finden. Und gleichzeitig muss eben Migration auch schulterbar sein. Deswegen wollen wir da auch stärker steuern. Und am Ende muss man das auch kombinieren mit Hessen als einem Industrieland, das ja auch Arbeitskräfte braucht, Facharbeiterinnen und Facharbeiter braucht. Und deswegen bekennen wir uns natürlich klar auch zu Erwerbsmigration und wollen auch einiges unternehmen, um das schneller hinzubekommen für Unternehmen, die händeringend gute Leute brauchen.
Dieterle: Also da stehen Aufgaben an. Wir wollen jetzt noch mal kurz auf den März schauen, da ist ja der Landesparteitag der SPD. Vieles deutet darauf hin, dass Nancy Faeser den Landesvorsitz dann abgeben wird. Was tun Sie dann? Greifen Sie dazu?
Mansoori: Am Ende muss sich erst mal die Landesvorsitzende erklären. Aber wir haben jetzt, glaube ich, in der Aufstellung Fraktion und Regierung ein gutes Team gefunden, das gut zusammenarbeitet und ein Garant dafür ist, dass wir stabil regieren werden und gleichzeitig die SPD erkennbar machen, auch jenseits dieser Koalition. Weil wir sind ja am Ende immer noch eine eigenständige Partei und wollen das auch bleiben. Und diese Teamaufstellung werden wir dann auf dem Landesparteitag vervollständigen.
Dieterle: Aber könnten Sie sich’s theoretisch vorstellen?
Mansoori: Ich habe mich nie vor Verantwortung gedrückt. Dann, wenn es auf mich ankam, habe ich mich auch Wahlen gestellt. Aber es geht nicht um meine Person, sondern es geht darum, dass wir eine gute, erfolgreiche Teamaufstellung für die SPD finden und daran arbeiten wir.
Dieterle: Egal, wie es kommt, wir werden im März darüber berichten. Jetzt bedanke ich mich erst mal, dass Sie heute zum Interview bei uns waren. Kaweh Mansoori. Danke schön.
Mansoori: Ich danke Ihnen.