Hanau-Überlebender veröffentlicht Buch

In wenigen Tagen jährt sich der grausame Anschlag von Hanau, bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen wurden, bereits zum vierten Mal. Einer der Hinterbliebenen, der selbst nur knapp überlebte, hat nun ein Buch veröffentlicht, in dem er die Tatnacht und auch die Jahre danach aufarbeitet.

Der Abend des 19. Februar. Der mutmaßlich rechtsextreme Täter erschießt in Hanau insgesamt zehn Menschen und sich selbst.
Said Etris Hashemi besucht zu dem Zeitpunkt eine Bar, einen der Tatorte. Mehrere Kugeln treffen den damals 23-Jährigen in Hals, Kiefer und Schulter. Er überlebt schwer verletzt, sein jüngerer Bruder Nesar aber wird tödlich getroffen. Nach dem schweren Verlust beginnen für Etris vier Jahre der Aufarbeitung.
Said Etris Hashemi, Überlebender Anschlag Hanau
„Ich war schon immer ein Mensch, der nach vorne schaut und auch positiv nach vorne schaut. Es war mir wichtig gewesen, das auch vielen anderen Menschen dort draußen zu vermitteln. Nach Hanau war es vor allem so gewesen, dass viele Freunde auch am Boden zerstört waren und sie nicht mehr hochgekommen sind.“
Seine Aufarbeitung mündet in einem Buch, der eindringliche Titel: „Der Tag, an dem ich sterben sollte.“ In ihm beschreibt der Sohn afghanischer Einwanderer die Zeit nach dem Anschlag, als die Hinterbliebenen eine Initiative gründen und für einen Untersuchungsausschuss kämpfen. Und natürlich die Tatnacht selbst.
„Es ist mein kleiner Bruder, der da keucht. Dessen Lunge rasselt. Und bevor ich den Wahnsinn begreifen kann, begreifen kann, was hier passiert, bewusst realisieren kann, was wahr ist, gibt mein Bewusstsein auf. Leere.“
Zur Buchvorstellung mischen sich unter die über 200 Gäste auch Hessens Integrationsministerin Heike Hofmann und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky, um das Engagement des jungen Autors zu würdigen.
Heike Hofmann (SPD), Integrationsministerin Hessen
„Trotz dieses furchtbaren Schicksalsschlags, wie er sich weiterentwickelt hat. Und wie er sagt ‚Ich kämpfe politisch weiter um Gerechtigkeit. Ich kämpfe um Aufklärung.‘“
Claus Kaminsky (SPD), Oberbürgermeister Hanau
„Und wenn jemand seine Erinnerungen hier in Buchform präsentiert, ist der Platz von mir heute Abend hier.“
Im Buch des gebürtigen Hanauers findet sich aber auch Kritik: Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags hat zwar Versäumnisse von Behörden eingeräumt, die Hinterbliebenen aber hatten sich mehr erhofft.
Said Etris Hashemi, Überlebender Anschlag Hanau
„Dass die Verantwortung übernommen wird. Dass sich jemand hinstellt und sagt: ‚Ich war dafür verantwortlich, was dort passiert ist. Da ist einiges schiefgelaufen, es tut uns leid. Und das, was schief gelaufen ist, werden wir aufarbeiten und dafür sorgen, dass so etwas nicht nochmal passiert.’“
Vor allem vermittelt Said Etris Hashemi aber eine klare Botschaft: Dass Hass nie eine Lösung ist und die Gesellschaft sich nicht spalten lassen darf.