Streit über Grundstücksstreifen – Anlieger darf nicht zu seinem Haus

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem eigenen Grundstück gefangen, dürfen von der eigenen Hofeinfahrt nicht mehr auf die Straße gehen oder fahren. Was erst mal völlig abwegig klingt, erlebt aktuell der 89-jährige Günter Schumacher aus Hamm im Kreis Altenkirchen. Dabei hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Eine kuriose Geschichte, deren Ende noch offen ist.

In diesem Haus in der Lindenallee wohnt Günter Schumacher fast schon sein ganzes Leben lang. Bei schönem Wetter geht er gerne ein paar Schritte vor die Tür, heute gemeinsam mit Tochter Monika.
Günter Schumacher, Anlieger
„Das habe ich seit 86 Jahren gemacht. Und jetzt auf einmal soll ich das nicht mehr machen? Das ist ein Witz!“
Grund für seinen Ärger ist dieser ein Meter breite Streifen, der nicht zu seinem Grundstück gehört. Um vom Haus zur Straße zu gelangen, muss er diesen überqueren. Allerdings darf er das neuerdings offiziell nicht mehr. Ein Immobilienunternehmen, das sich nicht vor der Kamera äußern will, hat den Streifen kürzlich erworben und die Nutzung schriftlich untersagt.
Monika Müller, Tochter von Günter Schumacher
„Im August 2023 haben wir das Schreiben bekommen. Und dann haben wir eben gesagt: ‚Das ist ein Fake, so was gibt es nicht.‘ Und dann haben wir das Schreiben erst mal in die Schublade gelegt. Dann kam unser Nachbar und sagt, er hätte auch so ein Schreiben bekommen, dann habe ich mit der Nachbarin da unten gesprochen, die hat auch so ein Schreiben bekommen, ja und dann haben wir uns erst mal erkundigt. Und dann haben wir gesag: ‚Die Firma gibt es wirklich.’“
Aktuell seien die betroffenen Grundstücke gefangen, heißt es in dem Schreiben, aber es gebe eine Lösung:
„Es besteht für Sie die Möglichkeit von der Eigentümerin Stückländerei GmbH den Grundstücksstreifen zu erwerben, damit Ihr Hausgrundstück wieder erschlossen ist.“
2.500 Euro verlange die Firma von Günter Schumacher. Dabei habe sie für den Erwerb gerade mal 100 Euro bezahlt, für alle betroffenen Mini-Grundstücke in der Straße zusammen.
Monika Müller, Tochter von Günter Schumacher
„Wie kann man Menschen so ausnutzen, so ausbeuten? Das ist doch nicht mehr normal, das kann doch nicht rechtens sein, so was!“
Entstanden sind die ungenutzten Grundstücksstreifen vor zehn Jahren infolge einer Sanierung der Bundesstraße. Die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben habe daraufhin nach eigenen Angaben die Parzellen den jeweiligen Anwohnern und der Gemeindeverwaltung für eine kleine Summe zum Kauf angeboten.
Dietmar Henrich (parteilos), Bürgermeister Verbandsgemeinde Hamm (Sieg)
„Die Ortsgemeinde hatte aus gutem Grund diesen Erwerb aber abgelehnt, weil Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten dadurch entstehen.“
Mit den Anliegern habe man vonseiten der Gemeinde nicht weiter darüber gesprochen. Man sei davon ausgegangen, dass sie direkt ein Kaufangebot erhalten hätten. Allerdings habe ihnen die Bundesanstalt nie ein Angebot vorgelegt, beklagen sich die betroffenen Anlieger. Damit steht Aussage gegen Aussage – auch juristisch eine verfahrene Situation.
Arndt Kempgens, Rechtsanwalt
„Man muss ja wirklich sagen, dass hier eine völlig unbedeutende Grundstücksfläche, die für niemanden interessant ist, die wird auf einmal von einem Investor gekauft und der versucht da jetzt Kasse zu machen. Und das ist natürlich für die Anwohner total ärgerlich. Andererseits muss man natürlich sagen, wenn die Anwohner ihre Chance verpasst haben dieses Grundstück zu kaufen, dann haben sie Pech gehabt und dann müssen sie diesen Fehler jetzt quasi ausbaden.“
Vorausgesetzt natürlich, sie haben das Kaufangebot tatsächlich erhalten. Günter Schumacher will sich gemeinsam mit seinen Nachbarn jetzt einen Anwalt nehmen und für sein Recht kämpfen. Dass er den Grundstückstreifen kaufen muss, sei ihm klar, aber nicht zu einem solchen Wucherpreis.