Grüne wählen Al-Wazir zum Ministerpräsidenten-Kandidaten

Noch gut sieben Monate sind es bis zur Landtagswahl in Hessen, doch langsam macht sich ein Gefühl von Wahlkampf breit. Vor allem nach diesem Wochenende. Linke, AfD und Grüne haben sich getroffen. Starten wir mit den Grünen. Die haben am Wochenende ihre Spitzenkandidaten gewählt und dabei klargemacht, wie hoch sie ihre Latte legen wollen: Sie wollen den Ministerpräsidenten stellen. Dafür distanzierte sich Tarek Al-Wazir klar von der linken Szene: Er sei nicht so der Typ Berlin-Kreuzberg, sondern eher das Modell Doppelhaushälfte.

Was aussieht wie eine ganz normale Parteitagsabstimmung ist eine Kampfansage: Die Grünen nominieren einen eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Tarek Al-Wazir, bisher stellvertretender Ministerpräsident, will nach ganz oben.
Tarek Al-Wazir, Bündnis 90 / Die Grünen, Ministerpräsidentenkandidat Hessen
„Warum eigentlich sollen immer nur CDU und SPD darum streiten, wer ein Land anführen soll? Und deswegen meine ich das sehr ernst: Lasst uns diesen Dreikampf um die Staatskanzlei aufnehmen! Lasst ihn uns aufnehmen!“
Mehr als eintausend Parteimitglieder waren nach Wetzlar gekommen, um den Führungsanspruch der Grünen klarzumachen. In seiner Bewerbungsrede macht Tarek Al-Wazir deutlich, dass es angesichts des Klimawandels Veränderungen brauche. Das müsse man den Menschen auch deutlich sagen.
Tarek Al-Wazir, Bündnis 90 / Die Grünen, Wirtschaftsminister Hessen
„Die einen machen Politik und sagen: ‚Wählt uns, dann bleibt alles so wie es ist. Wir müssen nichts verändern‘. Die andern machen das genaue Gegenteil aber irgendwie dann doch das gleiche. Die sagen: ‚Es verändert sich so viel, wähle uns und wir sorgen dafür, dass du davon nichts merkst‘. Beides ist nicht ehrlich und es ist nicht mein Verständnis von Politik.“
Weil der erste Listenplatz bei den Grünen traditionell einer Frau gehört, wird Tarek Al-Wazir auf Platz zwei gewählt – mit 86,6 % bei einem Gegenkandidaten. Auf Platz eins steht Wissenschaftsministerin Angela Dorn mit 91,6%.
Angela Dorn, Bündnis 90 / Die Grünen, Wissenschaftsministerin Hessen
„Wenn wir den Wandel gemeinsam gestalten, dann können wir aus den Krisen dieser Zeit erstarkt hervorgehen, der Corona-Krise, der Energiekrise und der Klimakrise. Und dann, liebe Freundinnen und Freunde, können wir stolz auf das sein, was vor uns liegt.“
Ein grüner Sieg bei der Landtagswahl am 8. Oktober hätte bundespolitische Signalwirkung. Dessen ist sich auch der Bundesvorsitzende – der Frankfurter Omid Nouripour – bewusst, der die Grünen in Wetzlar auf den Wahlkampf einschwört.
Omid Nouripour, Bündnis 90 / Die Grünen, Bundesvorsitzender
„Es gibt einen Unterschied zwischen Außenminister Heiko Maas und Annalena Baerbock, es gibt einen Unterschied zwischen Wirtschaftsminister Altmaier und Robert Habeck, es gibt einen Unterschied zwischen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Cem Özdemir. Es gibt einen Unterschied, wenn die Grünen regieren oder nicht. Und es gibt einen Unterschied, ob die Grünen in der Staatskanzlei sitzen oder nicht.“
Der frisch gekürte Ministerpräsidenten-Kandidat bekommt als Geschenk ein Paar Turnschuhe. Wie einst Joschka Fischer als erster grüner Minister überhaupt, soll Tarek Al-Wazir sie bei seiner Vereidigung als Ministerpräsident tragen. Ein Geschenk, das deutlich macht: Die Partei erwartet sehr viel.