Gottesdienst für Gehörlose

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Für unser heutiges Adventskalender-Türchen waren wir zu Besuch in Deutschlands einziger Gehörlosenpfarrei in Trier und haben einen ungewöhnlichen katholischen Gottesdienst besucht – mit wenig Lautstärke, aber ganz viel Herz.

Letzte Vorbereitungen, letzte Absprachen, dann geht es los. In der Herz-Jesu-Kirche in Trier ist Gehörlosengottesdienst. Pfarrer Ralf Schmitz begrüßt die Kirchgänger.
„ Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen. Der Herr sei mit euch. Ja, hier an diesem Nachmittag in der Herz-Jesu-Kirche, herzlich willkommen.“
Schmitz spricht simultan mit seiner Stimme und seinen Händen und die Gemeinde antwortet, ohne ein Geräusch. Sie gehören zu einer besonderen Kirchengemeinde: Der einzigen selbstorganisierten Pfarrei für gehörlose Menschen in Deutschland.
Ralf Schmitz, Pfarrer
„Das hier war, als ich hier hingekommen bin im Jahr 2003 ein sterbender Ort. Der hatte sicher mal eine große Vergangenheit, aber davon war nichts mehr übrig, und als die Gehörlosengemeinde kam und ihre Lebendigkeit mitgebracht hat, ihre Gebärden, ihre Farben – bei uns gibt es ganz viel Visuelles -, da haben die Übriggebliebenen aus der alten Gemeinde gesagt: Das ist wirklich schön bei denen, da gehen wir gerne wieder hin.“
Und so gibt es mehrmals im Monat Gebärdensprachen-Messen, aber auch inklusive Gottesdienste, bei denen Hörende und Gehörlose gemeinsam singen und beten. Besonders während den Phasen der Pandemie, in denen lautes Singen untersagt war, haben viele Hörende in seiner Kirche Freude am Ausdruck mit Gebärden gefunden, erzählt Pfarrer Schmitz.
Ralf Schmitz, Pfarrer
„Der entscheidende Begriff ist für mich Inklusion. Und zwar Inklusion nicht in irgendeinem, ich sag mal, sozialarbeiterischen Sinn, sondern mehr Inklusion als der Tanz der Kulturen. Also als das Miteinander von Menschen mit ganz unterschiedlichen Begabungen, Möglichkeiten, Grenzen, Charismen. Wenn die zusammenkommen, dann entsteht etwas ganz Neues, was jeder Einzelne für sich niemals erlebt hätte. Und das finde ich ist etwas ganz großartiges.“
Zur Gemeinde gehören alle Gehörlosen und Schwerhörigen Katholiken im Bistum Trier. In den Gottesdiensten wird auch viel gesungen, ein Job für Kantorin Beate Reichertz.
Beate Reichertz, Kantorin der Gehörlosengemeinde
„Manchmal war ich früher auch in der Hörendenkirche, klar, und dann haben die Hörenden gesungen und wir haben überhaupt nichts verstanden. Wir haben dann immer geguckt, aber die machen mit dem Mund so komisch. Naja, und dann habe ich gedacht, ich möchte aber auch in Beziehung mit Gott sein und ich möchte das in meiner Form, in meiner Sprache, da möchte ich mit Gott in Beziehung sein.“
Daniel Beinhoff, Hauptamtlicher Pfarrei-Mitarbeiter
„Für mich ist es am schönsten, wenn die Gebärdenlieder gebärdet werden. Da fühle ich einfach ein wunderbares Gefühl, auch wenn ich die Fürbitten schreibe und selber gebärde, dann ist das ein besonderes Gefühl, weil ich dann merke, das ist so meine eigene Kultur, meine eigene Identität. Ich kann mir selbst einen Rhythmus suchen, ich kann dann meine eigenen Gefühle zum Ausdruck bringen und so kann ich mit Gott in Beziehung sein.“
Ralf Schmitz ist das Bindeglied, das die Gehörlosen und die Hörenden Mitglieder der Kirche verbindet – das echte Inklusion ermöglicht. Doch damit ist er inzwischen fast alleine. In Deutschland gibt es laut ihm nur noch ca. fünf katholische Pfarrer, die die Gebärdensprache beherrschen. Vor 20 Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Schmitz weiß, dass die Gebärdensprache eine eigene Kultur und eine eigene Spiritualität schafft und hofft, dass dieses Wissen nicht verloren geht.