Gewerkschaft der Polizei äußert sich zu Sicherheitslage und Personalnot

Nach dem brutalen Terrorangriff auf Israel ist auch die Sicherheitslage hier bei uns in Hessen und Rheinland-Pfalz angespannt. Immer wieder finden Demonstrationen statt – sowohl pro-israelisch, als auch pro-palästinensisch. Und dann gibt es noch den teilweise auch offen zur Schau getragenen Judenhass auf deutschen Straßen. Für die Polizeibeamten im Einsatz eine heikle Aufgabe.

Volle Konzentration auf das Geschehen. Die Polizeibeamten sollen auf der einen Seite deeskalieren, auf der anderen Seite müssen sie bei antisemitischen und israelfeindlichen Parolen sofort einschreiten. Immer wieder kommt es im Zuge solcher Veranstaltungen zu Festnahmen wegen Volksverhetzung.
Thomas Hollerbach, Polizei Frankfurt
„Eines ist klar, solche Äußerungen können wir in der Öffentlichkeit nicht akzeptieren.“
Erst kürzlich musste die Polizei bei einer verbotenen pro-palästinensischen Mahnwache einen Wasserwerfer einsetzen. Die Stadt Frankfurt hatte die Demonstration bereits am Nachmittag verboten, weil sie befürchtete, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Dennoch versammelten sich zahlreiche Menschen.
Vor wenigen Tagen erst beriet sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden über die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland.
Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin (am 20.10.2023)
„Wir haben sehr genau im Blick, welche Auswirkungen der furchtbare Terror der Hamas gegen Israel für unsere Sicherheitslage in Deutschland hat. Wir bekämpfen den abscheulichen Antisemitismus und Islamismus, den wir dieser Tage erleben müssen.“
Bundesweit seien in diesem Zusammenhang bis zum 20. Oktober mehr als 1.100 Straftaten registriert worden, darunter auch Angriffe auf Polizeibeamte bei Demonstrationen.
Für die hessischen Polizisten bedeutet der aktuelle Konflikt: Dauerbereitschaft. Und das bei – laut Gewerkschaftsangaben – ohnehin schon über 3,5 Millionen Überstunden.
Weil Israel aktuell eine Bodenoffensive in Gaza vorbereitet, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Deutschland noch weiter zuspitzen wird.
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Markus Appelmann, Moderator: Schlechte Nachrichten für den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei in Hessen, Jens Mohrherr , heute im Studio. Guten Abend.

Jens Mohrherr, Vorsitzender Gewerkschaft der Polizei Hessen: Schönen guten Abend.

Appelmann: Herr Mohrherr, wir haben gerade eben die Szenen gesehen. Der Terrorangriff auf Israel und die Auswirkungen auf Deutschland – wie sehr fordert das Ihre Polizisten?

Mohrherr: Nun, das fordert meine Kolleginnen und Kollegen immens. Und wir stehen jetzt auch vor der Herausforderung: Wie geht es in Israel im Konflikt weiter? Möglicherweise entwickelt sich eine Bodenoffensive, und das würde dann noch mal Abertausende Menschen in Deutschland und auch bei uns in Hessen auf die Straßen bringen.
Appelmann: Sie sagen gerade “auf die Straßen bringen”. Wo sind denn die Städte mit Konfliktpotenzial in Hessen? Wo sind die Schwerpunkte?
Mohrherr: Nun, Frankfurt hat sich schon herauskristallisiert als ein Schwerpunkt pro-palästinsischer Demonstrationen. Aber auch in Kassel hatten wir viel Betrieb. Und jetzt ist aktuell in Wiesbaden eine Demonstration angemeldet für den kommenden Samstag mit rund 2000 Demonstrierenden. Und das, gepaart mit dem Hochrisikospiel in der Arena in Wiesbaden mit Hansa Rostock als Gästefans, wird meine Kolleginnen und Kollegen an den Rand ihrer Kräfte führen.
Appelmann: Das wird eine große Herausforderung. Normalerweise gab es da immer Unterstützung von der Bundespolizei. Die ist nun auch gefordert für Grenzkontrollen. Müssen Sie da noch mehr eigene Polizisten einsetzen?
Mohrherr: Nun, die Bundesbereitschaftspolizei ist immer bundesweit unterwegs und unterstützt die Bundesländer. Jetzt hat fast jedes Bundesland Bedarf, so wie wir es auch immer haben. Und jetzt wird es knapp. Das Personal ist endlich, auch bei der Bundespolizei und auch bei uns in Hessen.
Appelmann: Und jetzt kommt noch die schwierige Situation im Herbst und Winter. Wir haben mehr Einbrüche, die dunkle Jahreszeit, Weihnachtsmärkte zum Beispiel. Was erwarten Sie da?
Mohrherr: Ja, Sie sprechen es richtigerweise an, jetzt geht es richtig los. Vom 7. Oktober bis zu diesem Wochenende keine Bundesligaspiele wegen der Länderspielpause, jetzt die Bundesligaspiele auch in Frankfurt ein Hochrisikospiel und dann die Weihnachtsmärkte und die Prävention, die abzuleisten ist. Da bin ich gespannt, wie lange das gutgeht, ohne dass wir krankheitsbedingte Ausfälle zu verzeichnen haben.
Appelmann: Jetzt hatten wir gerade in Hessen den Landtagswahlkampf und alle Parteien haben gesagt, die Polizei braucht mehr Personal. Sogar die regierende CDU hat gesagt, 500 Beamtinnen und Beamten mehr. Wie viel braucht es denn wirklich?
Mohrherr: Nun, wir haben errechnen, dass wir rund 2000 Beschäftigte mehr brauchen bei unserer hessischen Polizei. Und damit sind ausdrücklich nicht nur Vollzugsbeamtinnen und -beamte gemeint, sondern auch Wirtschaftsingenieure und anderes Fachpersonal, was uns bei bei der Aufklärung schwerster Straftaten natürlich behilflich sein kann. Da ist der Fachkräftemangel aber signifikant. A) braucht es jedes Bundesland bei seinen Länderpolizeien und B) klagt ja fast jede Branche über Fachkräftemangel.
Appelmann: Das heißt, Polizisten zu bekommen ist gar nicht so einfach momentan.
Mohrherr: Richtig. Wenn die Attraktivität noch nicht mal stimmt, dann wird es noch schwieriger. Und da darf man gespannt sein, wie es bei uns in Hessen weitergeht.
Appelmann: Jetzt haben wir dreieinhalb Millionen Überstunden bei der hessischen Polizei, sage und schreibe. Was bedeutet das denn für den Bürger? Wann wird er denn merken, dass seine Polizei einfach nicht mehr so schnell beim Einsatz zum Beispiel ist?
Mohrherr: Ja, die Kolleginnen und Kollegen ertragen das, dreieinhalb Millionen Mehrdienststunden. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen sind zu Tausenden schon im Oktober mit der Jahresarbeitszeit fertig und machen dann wieder neue Überstunden. Das heißt aber auch, dass ein Runterkommen von Einsatzbelastung nicht möglich ist, weil man permanent in den Stiefeln steht. Und das ist meine Sorge, die ich ja eben geschildert habe. Nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen wegen krankheitsbedingter Ausfälle dann nicht zum Dienst kommen können.
Appelmann: Die überlastete Polizei in Hessen – dieses Bild zeichnet Jens Mohrherr, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Hessen. Danke für den Besuch.
Mohrherr: Vielen Dank.