Gewerbesteuer-Streit zwischen Mainz und Wiesbaden

Ein Geldsegen für Mainz: Der Erfolg des Impfstoff-Herstellers BioNTech hatte der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erst kürzlich ungeahnt hohe Gewerbesteuereinnahmen in die Kassen gespült. In der Folge hatte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling verkündet, die Gewerbesteuer senken zu wollen. Ein Schritt, der in der hessischen Nachbarstadt Wiesbaden gar nicht gut ankommt.

Der plötzliche Reichtum der Nachbarstadt Mainz setzt die Wiesbadener Stadtpolitik mächtig unter Druck. Während in der hessischen Landeshauptstadt nach wie vor ein Hebesatz von 454 Prozentpunkten gilt, kann Mainz die Gewerbesteuer von bislang 440 Punkten auf jetzt 310 Punkte senken. Ein Schritt, der der Fraktion der Linken im Wiesbadener Rathaus bitter aufstößt.
Ingo von Seemen, Die Linke, Fraktionsvorsitzender Wiesbaden
„Ich habe mich darüber sehr geärgert, denn das ist auf jeden Fall sehr unsolidarisch von Mainz, was sie da jetzt machen. Sie senken die Gewerbesteuer ganz extrem auf 310 Prozentpunkte. Wenn Wiesbaden das nachmachen wollte, dann würden das für uns Einnahmeausfälle von 100 Millionen Euro im Jahr bedeuten. Das ist nicht machbar.“
Um im Konkurrenzkampf um die Unternehmen zu bestehen, hat die oppositionelle FDP gefordert, den Gewerbesteuersatz in Wiesbaden zumindest leicht auf das alte Niveau von 440 Punkten zu senken. Das würde die Stadt rund 10 Millionen Euro kosten. Sonst – so die Befürchtung – könnten Unternehmen von Wiesbaden abwandern.
Christian Diers, FDP, Fraktionsvorsitzender Wiesbaden
„Natürlich ist Mainz eine, ich sag mal, attraktive Alternative. Ist immer die Frage von den Unternehmen, die jetzt hier sind, ob die dann abwandern. Aber es geht ja auch um ganz, anz viele Unternehmen, die von extern irgendwo hinwollen. Und wenn die die Möglichkeit haben nach Mainz oder nach Wiesbaden zu kommen, fallen mir im Moment kaum Argumente ein – außer, dass die Stadt sehr sehr schön ist natürlich – warum man nach Wiesbaden gehen sollte.“
Wiesbaden müsse neben der Senkung der Gewerbesteuer auch Flächen zur Ansiedlung bereitstellen.
Der Mainzer Oberbürgermeister kann die Missgunst aus der Nachbarstadt nicht verstehen.
Michael Ebling, SPD, Oberbürgermeister Mainz
„Also,wir senken unsere Gewerbesteuer auf das Niveau der Nachbarstadt Ingelheim ab und ich habe in der Vergangenheit nicht erlebt, dass jetzt plötzlich in Ingelheim Wiesbadener Unternehmen aufgeschlagen sind. Insofern würde ich immer ein bisschen auch zur Gelassenheit raten in der Debatte. Vielleicht eher die gemeinsame Freude. Wenn es in der Region boomende Unternehmen gibt, haben wir alle etwas davon.“
Henrik Schmehl von der Wiesbadener SPD-Fraktion zeigt sich trotzdem „not amused“. Eine Gewerbesteuersenkung könne sich die Stadt nicht leisten – deshalb habe das linksgrüne Mehrheitsbündnis den Vorschlag abgelehnt.
Hendrik Schmehl, SPD, Fraktionsvorsitzender Wiesbaden
„Ein Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen um die Gewerbesteuer. Wenn am Ende alle das so machen, ja, dann hat niemand mehr einen Vorteil, aber die öffentliche Hand in Summe – vielleicht nicht die einzelne Kommune – aber die öffentliche Hand in Summe hat insgesamt weniger Geld zur Verfügung. Deshalb blicken wir da durchaus kritisch drauf.“
Mit BioNTech habe Mainz eben einen Sechser im Lotto gezogen, so viel Glück habe die hessische Landeshauptstadt nicht. Und so werden die Wiesbadener wohl auch in den kommenden Jahren neidisch auf die andere Rheinseite blicken.