Gemeinde kämpft gegen Abschiebung

In diesen Tagen kommen Zehntausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland. Die EU plant, ihnen ein dreijähriges Bleibeberecht zu gewähren. Es ist nach 2015 der zweite große Flüchtlingsstrom, den unser Land bewältigen muss. Die nackten Zahlen sind so gewaltig, dass bisweilen der Blick auf Einzelschicksale verloren zu gehen droht: Wie auf das des bislang geduldeten und seit Jahren in Deutschland lebenden und top integrierten Somaliers Riffat Adnan. Ihm gelang vor acht Jahren die Flucht nur mit gefälschten Papieren – und deshalb soll er nun ausgewiesen werden. Das mag juristisch und formal stimmen – aber trotzdem lohnt der Blick auf diesen jungen Mann, der es bis in die Mitte unserer Gesellschaft geschafft hat!

Somalia gilt als eines der gefährlichsten Länder der Welt. Jahrzehnte des Bürgerkrieges und des Terrors haben das Land verwüstet. Eine im ganzen Land anerkannte Regierung gibt es bereits seit den 90er Jahren nicht mehr. 2014 beschließt Riffat Adnans Mutter, sich und ihre drei Kinder in Sicherheit zu bringen und nach Deutschland zu fliehen. Die Familie landet schließlich in Gladenbach, in Mittelhessen.
Riffat Adnan, abgelehnter Asylbewerber
„Ich bin nach Deutschland gekommen als ich 13 war. Wir sind damals mit gefälschten Pässen angereist. Ich wusste das damals nicht, ich war 13. Uns wurde damals nur gesagt: Koffer packen, wir gehen weg. Und seitdem ich nach Deutschland kam, also wir alle, musste ich mich um meine Familie kümmern. Das heißt, ich musste die Sprache schnell lernen, damit ich halt meiner Familie helfen kann.“
Acht Jahre ist das jetzt her. Acht Jahre in denen Riffat und seine Geschwister vollkommen in Hessen angekommen sind. Der 21-Jährige hilft in der Kirche, hat seine Fachhochschulreife gemacht und einen Ausbildungsplatz und eine Freundin gefunden. Außerdem spielt er leidenschaftlich Fußball und tritt mit seinem FV Breidenbach in der mittelhessischen Verbandsliga an.
Doch dann folgte im vergangenen Jahr der Schock: Die Ausländerbehörde hob die Duldung von Riffat und seinem Bruder Daud auf. Der Grund: die gefälschten Pässe, die die Schleuser der Familie auf der Flucht gegeben hatten.
Riffat Adnan, abgelehnter Asylbewerber
„Wir hatten damals halt tansanische Pässe benutzt. Das läuft so, nicht jeder, ich weiß nicht wie, aber in Somalia hat nicht jeder einen Pass. Also, wenn du raus willst, musst du irgendetwas illegales machen.“
Die Behörden argumentierten, man könne die Identität der Brüder nicht eindeutig feststellen und so wurde Riffats Bruder Daud nach Tansania abgeschoben, saß da erst wochenlang im Gefängnis und sitzt jetzt seit Monaten fest; ohne gültige Papiere, ohne Perspektive. Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, flüchtete Riffat erst ins Kirchenasyl, versteckte sich dann bei Freunden. Seine Ausbildung musste er auf Anweisung des Amtes abbrechen. Aber schnell formierte sich Wiederstand in der kleinen Gemeinde. Freunde und Bekannte sammeln seit Monaten Unterschriften und kämpfen dafür, dass Riffat bleiben darf.
Louis Preisig
„Mit ihm kann man immer sehr viel Spaß haben und ich schätze ihn sehr als Person und deswegen setze ich mich auch so sehr für ihn ein, dass er hier in Deutschland bleiben kann.“
Noah Devic
„Also, Riffat ist wie ein großer Bruder für mich und es ist einfach auch sozusagen schwer für mich, dass ich ihn dann verlieren würde.“
Felix Baum & Johannes Burk, Trainer FV Breidenbach:
„Er ist ein herzensguter Mensch und das würde uns natürlich fehlen, weil er auch mit Bestandteil unseres guten Geistes ist.“
Andreas Otto, Vater von Riffats Freundin
„Jemanden, der so integriert ist, durch die Schule, durch die Ausbildung die er angefangen hat, durch den ganzen Sport, die Sprache, alles passt – verstehen wir einfach nicht, warum halt eine Person, so also dann halt einfach abgeschoben werden soll.“
Auch die kommunale Politik steht hinter Riffat. Der Bürgermeister von Gladenbach und die Stadtverordnetenversammlung haben eine Resolution für seinen Verbleib zum Innenminister nach Wiesbaden geschickt. Genauso die Nachbargemeinde Bad Endbach. Auch aufgrund dieses Drucks ist Riffats Abschiebung inzwischen ausgesetzt, zumindest solange bis eine Härtefallkommission noch einmal über seinen Fall beraten hat.
Peter Kremer, parteilos, Bürgermeister Gladenbach
„Es ist eigentlich die letzte Chance oder die letzte Möglichkeit und in der Härtefallkommission wird ja auch losgelöst von allen anderen Dingen das mal betrachtet und da hoffe ich, dass da die Einsicht da ist, dass man jemanden der, ich habe es eben schon mal gesagt, der so gut integriert ist, dass der eben auch hierbleiben darf.“
Im Innenministerium will man sich auf unsere Nachfrage hin nicht zu dem laufenden Abschiebeverfahren äußern. Erst wenn die Härtefallkommission noch einmal über Riffats Fall beraten hat wird er wissen, ob er die nächste Saison mit seinem FV Breidenbach erleben wird, oder das Land verlassen muss. Für Riffat steht nur eines fest: aufgeben, will er nicht.
Riffat Adnan
„Ich habe schon Angst, aber wie gesagt, ich habe gute Freunde, die mich unterstützen. Also nicht nur Freunde, Fußballmannschaft, die Familie von meiner Freundin. Also viele, viele Leute die mich unterstützen und die geben mir halt diese Kraft nicht aufzugeben und daran zu glauben, dass das alles gut ausgehen wird.“