Freie Fahrt auf der Schiersteiner Brücke

Für viele Pendler im Rhein-Main-Gebiet dürfte der heutige Tag eine Erlösung sein. Seit heute Morgen ist die neue Schiersteiner Brücke freigegeben und damit endet für die Autofahrer zwischen Wiesbaden und Mainz eine Bauphase voller Frust, Staus und Sperrungen. Doch richtige Feierstimmung kam bei der symbolischen Eröffnung nicht auf. Das lag zum einen an Protesten rund um den Festakt, zum anderen wohl auch daran, dass es rund um den Straßenverkehr zwischen Mainz und Wiesbaden weiter viele offene Fragen gibt.

Der Verkehr rollt – endlich, werden viele hier denken. Seit 5 Uhr heute Morgen ist die neue Schiersteiner Brücke komplett freigegeben. Nach zehn statt der geplanten sechs Jahren Bauzeit und mit Kosten von rund 250 Millionen Euro, über 30 Millionen mehr als geplant. Bundesverkehrsminister Volker Wissing zieht bei der symbolischen Eröffnung gestern daher ein gemischtes Fazit.
Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister
„Mich machen Baukostensteigerungen natürlich nicht glücklich, aber wir dürfen an diesen Fragen ja nicht verzweifeln oder irgendwas in Frage stellen, sondern wir müssen vorankommen und die Investitionen tätigen, die gebraucht werden. Und wir können sie nur zu den Preisen tätigen, die eben der Markt vorgibt.“
Kein Grund zu feiern ist die Eröffnung für etwa 200 Demonstranten, die rund um die Brücke mit Trillerpfeifen und Schildern auf sich aufmerksam machen. Sie wollen verhindern, dass die angrenzende A643 durch die Naturschutzgebiete Mainzer Sand und Lennebergwald von vier auf sechs Spuren ausgebaut wird.
Heinz Hesping, Bündnis „Nix in den Mainzer Sand setzen“
„Diese Naturschutzgebiete genießen den höchstmöglichen Schutzstatus, den es gibt und da brauchen wir keine zusätzlichen, ausgebauten Autobahnen.“
Das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium spricht von einem Abwägungsprozess zwischen Umweltschutz und Straßenverkehr.
Andy Becht (FDP), Staatssekretär Verkehrsministerium Rheinland-Pfalz
„Wir werden da rechtlich eine Lösung hinkriegen, aber am Schluss wird die politische Entscheidung stehen, dass im Zweifel natürlich dieses Projekt zu realisieren ist, weil wir es brauchen, um unseren Wohlstand zu erhalten.“
Wie wichtig die Brücke für die Region ist, haben Pendler in den vergangenen Jahren besonders deutlich zu spüren bekommen. 2013 begann der Neubau für die Brücke, die einst für 20.000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt war. Doch am Ende fuhren täglich bereits 90.000 Fahrzeuge über die baufällige Brücke. Nach einem Bauunfall 2015 war die Brücke einsturzgefährdet und wurde zwei Monate lang gesperrt. Die Folge: chaotische Zustände auf den Umleitungsstrecken durch die Mainzer Innenstadt.
Auf hessischer Seite bleiben auch nach dem Neubau Hindernisse, zum Beispiel die Bauarbeiten am Schiersteiner Kreuz und die kaputte Salzbachtalbrücke. Der Abschnitt über die A66 ist voraussichtlich noch bis Ende des Jahres gesperrt.
Tarek Al-Wazir (Bündnis 90 / Die Grünen), Verkehrsminister Hessen
„Insgesamt sieht man daran, wie wichtig es ist, dass man nicht nur über was Neues nachdenkt, sondern auch über den Bestand sich kümmert. Sich kümmert, dass alte Brücken ersetzt werden. Weil das, was in den 50er und 60er Jahren mit Spannbeton gebaut wurde, das kommt jetzt mit hoher Belastung an ein Ende. Und deswegen ist meine Priorität immer: Sanierung vor Neubau.“
Bei der Schiersteiner Brücke war es für eine Sanierung zu spät.
Die Politik will aus ihrem Neubau Lehren für die Zukunft ziehen. Denn ein großes Projekt ist nun zwar abgeschlossen, bei vielen anderen müssen sich die Pendler an Rhein und Main aber teilweise noch Jahre gedulden.