Flut-Untersuchungsausschuss hört erneut Gutachter

Eigentlich hatte der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal bereits im April seine Beweisaufnahme als abgeschlossen erklärt. Ziel war, den Abschlussbericht in diesen Tagen vorzulegen. Doch das verzögert sich nun, denn ein neues Gutachten beschäftigt sich mit der Frage der Verantwortung der Einsatzleitung vor Ort. Eine Frage, die heute den Ausschuss, aber auch die Hinterbliebenen der Flutopfer umgetrieben hat.

Inka Orth hat in der Flut ihre Tochter verloren. Johanna war 22 Jahre alt, wollte Konditorin werden. Das Wasser überraschte sie wohl in ihrer Wohnung in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Ihre Eltern wünschen sich, dass diejenigen, die in der Nacht des 14. Juli 2021 in ihren Augen beim Schutz der Bevölkerung versagt haben, endlich zur Verantwortung gezogen werden.
Inka Orth, Mutter von Johanna
„Wir wollen mit dieser Mahnwache erreichen, dass halt auch Anklage erhoben wird, weil wir das für sehr, sehr wichtig erachten. Das ist auch für den weiteren Katastrophenschutz sehr, sehr wichtig, dass man halt einfach weiß, wenn man einen Posten bekleidet, wo man Verantwortung übernimmt, dass man auch da auch Verantwortung übernehmen muss, wenn Dinge falsch laufen. Und hier reden wir immerhin über 135 Tote.“
Dominic Gißler ist Experte für Bevölkerungsschutz. Sein Gutachten hat die Staatsanwaltschaft Koblenz in Auftrag gegeben, um die Verantwortung der Einsatzleitung vor Ort in der Flutnacht zu bewerten. Nach der Lektüre von mehr als 19.000 Seiten kommt er zu dem Ergebnis: Ja, es hätte eine Chance gegeben, Menschenleben zu retten, wenn man anders gehandelt hätte. Allerdings könne ein Gutachten diese Chance nicht genauer beziffern, dafür sei die Lage damals zu komplex gewesen.
Im Fokus der Staatsanwaltschaft stehen vor allem der ehemalige Landrat Jürgen Pföhler, sowie ein Mitglied der Einsatzleitung. Es geht um die Frage ob die beiden beim Schutz der Bevölkerung versagt haben.
Nico Steinbach (SPD), Obmann im Untersuchungsausschuss
„Es zieht sich wie ein roter durch, dass man sagt: ‚Wenn vor Ort die Organisation versagt, dann verliert man Zeit, dann verliert man notwendige Unterstützung‘ und das Versagen des Landrates vor Ort wurde heute noch einmal vom Gutachter bestätigt.“
Auch die CDU will, dass Gißlers Gutachten Eingang in den Abschlussbericht des Ausschusses findet. Sie sieht allerdings vor allem die Landesregierung in der Pflicht.
Dirk Herber (CDU), Obmann im Untersuchungsausschuss
„Die Katastrophe diesen Ausmaßes hat gezeigt, dass so, wie sich das Land auf Katastrophenschutzebene aufgestellt hatte, nicht geeignet war, um eine epische Katastrophe diesen Ausmaßes zu bewältigen und da muss dringend nachgesteuert werden. Der Ball liegt jetzt auf Seiten der Landesregierung, hier einen vernünftigen Katastrophenschutz aufzustellen, mit dem die untergeordneten Behörden, nämlich auch die Landkreise und kreisfreien Städte, dann vernünftig arbeiten können.“
Ob nach dem Gutachten nun zeitnah mit einer Anklage der Staatsanwaltschaft Koblenz zu rechnen ist, war heute noch nicht bekannt. Und auch im Untersuchungsausschuss könnte es weitergehen – die Freien Wähler ließen sich heute die Option offen, weitere Beweisanträge zu stellen.