Flughafen-Chef Stefan Schulte zu Gast im Studio

Es scheint als wäre die Pandemie in Deutschland überstanden. Doch die Nachwirkungen zeigen sich noch deutlich. Auch an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt. Wie kommt der Flughafen wieder in die richtige Spur und wie sind die Zukunftsperspektiven? Das bespricht Eva Dieterle mit Fraport-Chef Stefan Schulte.

Leere Abflughallen, eine stillgelegte Landebahn. Die Bilder vom Frankfurter Flughafen aus dem Jahr 2020 sind noch in guter Erinnerung. Nachdem fast die ganze Flugbranche im Corona-Schlaf steckte, steigen die Passagierzahlen wieder an. Im vergangenen Jahr hat der Flughafen rund 49 Millionen Passagiere abgefertigt – rund 80 Prozent so viel wie VOR der Corona-Pandemie.
Für den Flughafen kam der Weckruf jedoch etwas zu schnell. Nachdem der Flughafenbetreiber Fraport Tausende Stellen abgebaut hatte, herrscht seit dem vergangenen Jahr Personalmangel. Im Sommer kommt es deshalb zu chaotischen Zuständen. Lange Schlangen vor den Schaltern und Sicherheitskontrollen. Dazu große Probleme mit der Kofferabfertigung. Die Folge: Laut „AirHelp“ – einem Portal für Fluggastrechte – war der Frankfurter Flughafen im vergangenen Jahr der drittunpünktlichste Airport in ganz Europa.
Doch dieses Jahr soll alles besser werden. Fraport nimmt die Sicherheitskontrollen in die eigene Hand und durch neue CT-Scanner sollen Sicherheitschecks schneller werden. Jedoch gehen nur sieben Computertomographen in Betrieb. Zum Vergleich: In München stehen 40 solcher Geräte. Die Lufthansa – die wichtigste Airline am Frankfurter Flughafen – kritisiert den technischen Rückstand hier schon länger.
Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender Deutsche Lufthansa AG am 20.01.2023
„Wir sind gemeinsam zur Erkenntnis gekommen, dass Frankfurt zurzeit nicht Spitze ist. Und da wollen wir gemeinsam wieder hin.“
Die spannende Frage lautet nun: Ist der Frankfurter Flughafen auch in Zukunft für die Lufthansa der Airport Nummer 1 in Deutschland oder wird die Münchner Konkurrenz an Bedeutung zulegen – und zwar auf Kosten von Frankfurt?
Eva Dieterle, Moderatorin: Jetzt begrüße ich bei mir im Studio den Vorstandsvorsitzenden der Fraport AG und Chef des Frankfurter Flughafens, Stefan Schulte. Guten Abend.
Stefan Schulte, Vorstandsvorsitzender Fraport AG: Guten Abend, Frau Dieterle.
Dieterle: Herr Schulte, wir haben es gerade im Beitrag gehört: Die Lufthansa intensiviert ihre Beziehungen zu München. Die Lufthansa ist Ihr größter Kunde. Besteht da die Gefahr, dass München an Bedeutung gewinnt, Frankfurt an Bedeutung verliert? Wie sehr beschäftigt Sie aktuell dieses Thema?
Schulte: Für uns ist das Entscheidende unser Produkt, das heißt, Frankfurt so gut wie möglich zu machen. Und klar, natürlich mit der Lufthansa zu unserem Hauptkunden, aber auch mit den anderen Airlines. Daran arbeiten wir ganz, ganz intensiv auch gemeinsam.
Dieterle: Das heißt, Sie sehen diese Gefahr nicht?
Schulte: Wir haben eine so strategisch Top-Lage für die Fracht, für das Zentrum hier in Hessen, mit so einem starken Bundesland, so einer starken Region hintendran – nein, die sehen wir nicht.
Dieterle: Schauen wir auf den vergangenen Sommer, am Frankfurter Flughafen hat vor allen Dingen eines gefehlt, und zwar das Personal für die Abwicklung. Wie konnte das passieren? Haben Sie unterschätzt, wie schnell und wie stark dann doch der Flugverkehr wieder ansteigt?
Schulte: Ja, zum einen wussten wir alle in der Branche nicht, wie lange Corona läuft, wann wir aus Corona rauskommen, wann die ganzen Reisebeschränkungen, Reisrestriktionen wieder aufgehoben werden und wie stark dann auch der Bedarf ist, wieder rauszufliegen. Das war extrem schnell, extrem kurzfristig. Wir hatten über Corona leider auch viele Mitarbeiter verloren, zum Teil ja befristete Verträge auslaufen lassen, aber gerade in den Qualifikationen, da haben wir die Schwierigkeiten derzeit, hatten natürlich auch die Mitarbeiter eine große Verunsicherung. Es fehlten Schichtzulagen, das Kurzarbeitergeld war nicht in der gleichen Größenordnung wie vorher. Und in so einem angespannten Arbeitsmarkt, den wir derzeit haben, haben uns dann auch qualifizierte Mitarbeiter verlassen. Da sind wir intensiv wieder dran. Wir haben im letzten Jahr alleine 2.300 Leute eingestellt, aber in diesem Arbeitsmarkt verlassen uns auch wieder fortwährend Leute. Qualifikation ist also das Schlagwort im Moment, an dem wir ganz, ganz intensiv arbeiten.
Dieterle: Sind die Jobs denn attraktiv genug?
Schulte: Das sehen Sie daran, dass wir alleine schon 2.300 Mitarbeiter im letzten Jahr einstellen konnten. Ja, sie sind attraktiv. Aber wir sehen auch am Arbeitsmarkt, der ist sehr, sehr angespannt, dass Unternehmen gegenseitig auch abwerben und dass die Qualifikation geringer ist heute. Das heißt, ein Lademeister, der braucht normalerweise eine Ausbildung von zwei Jahren, bis er so ein Flugzeug am Ende freigeben kann. Das haben wir schon umgestellt auf ein Jahr. Aber auch ein Jahr ist Zeit und ohne Abstriche bei der Sicherheit selbstverständlich.
Dieterle: Umgestellt wurden auch die Sicherheitskontrollen. Es gibt neue. Sie haben das jetzt in eigener Hand, unter Aufsicht der Bundespolizei. Welche Vorteile bringt das denn für die Passagiere?
Schulte: Na ja, es war ja in der Vergangenheit die Prozessstelle am Flughafen, die den höchsten Ärger immer wieder bei Passagieren hervorgerufen hat. Deswegen super schön, dass wir es jetzt endlich in die Hand nehmen konnten. Danke auch ans BMI. Wir haben über viele Jahre da verhandelt und haben das jetzt umsetzen können. Was sind die Vorteile? Wir haben heute drei Dienstleister an Bord, die wir auch mit einer höheren Flexibilität, weil wir selbst ausgeschrieben haben, versehen können, also zwischen den Prozessstellen einsetzen können. Wir können die Kontrollstellen selbst öffnen und schließen, wir können passgenau investieren. Und Sie haben es im Beitrag gebracht Ja, wir haben jetzt auch neueste CT-Scanner an Bord, also in Frankfurt im Einsatz, wo sie Ihren Laptop oder Ihre Flüssigkeit eben nicht mehr aus dem Gepäck herausnehmen müssen. Und damit haben wir wesentlich mehr Durchsatz. Es geht wesentlich schneller. Das ist gut für die Mitarbeiter. Sie haben eine viel höhere Bildauflösung, also auch mehr Freundlichkeit, mehr Passagier-Kundenorientierung dabei. Und das ist sehr, sehr gut für die Passagiere.
Dieterle: Sind Sie damit so schnell wie andere Flughäfen auch? Denn wir haben auch gehört, in München beispielsweise sind mehr Scanner im Einsatz.
Schulte: Ja, München beschafft gerade im großen Stil Scanner. Die 40 sind auch noch nicht im Einsatz. Wir beschaffen gerade auch. Wir werden in diesem Jahr noch weitere 20, 25 im Einsatz haben. Also wir gehen auch schnell nach oben und wir werden damit, glaube ich, ein sehr, sehr gutes Produkt schon in diesem Sommer liefern können. Natürlich, am Ende ist auch da der Arbeitsmarkt entscheidend, dass wir genügend Kontrolleure haben, wenn ich es mal so ausdrücken darf. Aber wir haben viel mehr Flexibilität und wir können dann selbst auch jeden Tag mitsteuern und dort Einfluss nehmen.
Dieterle: Das soll dann den reibungslosen Ablauf garantieren. Herr Schulte, neue Herausforderungen, das gehört zu Ihrem Job dazu. Und deswegen schauen wir jetzt mal ganz gezielt auf die Zukunft, denn auch da warten schon neue Aufgaben.
Das Terminal 3 des Frankfurter Flughafens ist die größte privatwirtschaftlich finanzierte Baustelle Europas. Mit dem größten kommerziell genutzten Parkhaus. Eine Dachkonstruktion so groß wie mehrere Fußballfelder. Ein Ort der Superlative.
Doch das Coronavirus ließ den Luftverkehr so radikal einbrechen, dass die Fraport die Eröffnung erst einmal auf 2026 verschob. Dann erwartet der Flughafenbetreiber wieder das Vorkrisenniveau im Flugverkehr.
Doch der Branche droht bereits neues Ungemach: Bis 2030 soll sie ihren CO2-Ausstoss im Vergleich zu 1990 um mehr als die Hälfte senken. So die Vorgabe des EU-Klimaplans. Um das zu erreichen, will Brüssel den Emissionshandel verschärfen. Darüber hinaus könnten die europäischen Fluggesellschaften verpflichtet werden, mit immer mehr nachhaltigem Kraftstoff zu fliegen und eine Kerosinsteuer zu bezahlen. Experten warnen vor klaren Wettbewerbsnachteilen für die europäischen Airlines:
Prof. Dr. Yvonne Ziegler, Luftfahrexpertin Frankfurt University of Applied Sciences
„Die Folgen für den Frankfurter Flughafen wären, dass sich möglicherweise Verkehre verlagern würden. Also außereuropäische Airlines wie zum Beispiel eine Turkish, die ihren Hub in Istanbul hat, die wäre bei vielen Maßnahmen nicht betroffen. Und die Maßnahmen, die führen automatisch dazu, dass sich die Kosten für die Airlines hier in Europa einfach erhöhen.“
Mag sich somit die nächste Krise der Flugbranche bereits abzeichnen – aktuell wird wieder geflogen, fast so als hätte es Corona nie gegeben.
Dieterle: Ja, wir stecken mitten in der Inflation, mitten in Krisenzeiten, und doch haben die Menschen das Bedürfnis, wieder mehr zu fliegen. Wie erklären Sie sich das?
Schulte: Die Buchungsnachfrage ist tatsächlich sehr, sehr groß. Auch für diesen Sommer, für den Herbst. Es wird noch sehr stark getrieben von Privatreisenden. Ob das Urlaubsreisen sind, ob das Family and Friends sind – aber wir sehen, dass auch zunehmend Geschäftsreisende wiederkommen, gerade im internationalen Bereich, weil das für den geschäftlichen Erfolg doch sehr, sehr wichtig ist, sich auch persönlich zu treffen. Es steckt einfach eine sehr, sehr hohe Motivation in dem Menschen rauszufliegen. Menschen und andere Völker, andere Regionen zu treffen und nicht nur im Thüringer Wald, der sehr schön ist, Urlaub zu machen.
Dieterle: Mit was rechnen Sie? Wann wird das Vor-Corona-Niveau bei den Passagierzahlen wieder erreicht sein?
Schulte: Ich würde trotzdem aktuell bei dem Jahr 2025 / 2026 bleiben. Ja, wir haben eine sehr, sehr starke Nachfrage. Die Branche ist sehr optimistisch für dieses Jahr. Und trotzdem: Wenn wir uns zum Beispiel den innerdeutschen Verkehr angucken, da wird es noch viel, viel länger dauern. Da wird auch einiges auf die Schiene gehen. Also ich glaube, 2025 / 2026 ist dann eine gute Prognose.
Dieterle: Angenommen, es würde weitere positive Überraschungen für Sie geben, wie wäre das mit Terminal 3? Könnte das dann doch früher in Betrieb genommen werden als bislang geplant? Ist das möglich?
Schulte: Wenn Sie so eine große Baustelle nehmen, dann bin ich erst mal sehr, sehr zufrieden, dass sie so reibungslos läuft, trotz all der Probleme in globalen Lieferketten etc.. Das heißt, wir sind heute sehr zuversichtlich, dass wir wirklich Anfang 2026 eröffnen können. Wir sind bereits in den technischen Installationen. Die Fassade ist bereits fast fertiggestellt. Das Dach ist drauf. Der Hochbau ist im Prinzip abgeschlossen. Die Straßenanbidung läuft, wir werden in diesem Jahr schon die ersten Tests haben, dieser Sky-Line, die den Norden mit dem Süden verbindet. Also es läuft wirklich gut. Aber auf Ihre Frage ganz konkret: Wir haben ja schon den ersten Flugsteig fertig, den Flugsteig. Wir könnten ihn also mit einem Vorlauf von knapp zwölf Monaten in Betrieb nehmen, weil da letzte Installationen noch fehlen. Insofern könnten wir flexibel sein. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir das brauchen, sondern es bei Anfang 2026 bleiben.
Dieterle: Ich habe es gerade schon gesag, wir sprechen über die Herausforderungen der Zukunft. Und eine der wohl größten ist der Natur- und Klimaschutz. Um den kommt auch der Frankfurter Flughafen nicht drumrum. Wie bewerten Sie denn das Programm Fit for 55.
Schulte: Das sing zwei Themen. Die eine Herausforderung ist, dass wir selbst, also am Frankfurter Flughafen CO2-neutral, CO2-frei werden. Da haben wir große Fortschritte schon gemacht. Wir kamen mal von über 300.000 Tonnen CO2, sind jetzt noch bei 120 / 130.000 Tonnen und wir werden ganz klar CO2-frei sein. Alle Pläne, alle Maßnahmen sind auf dem Weg über Offshore-Windkraftanlagen, über Onshore-Windkraftanlagen, über Photovoltaikanlagen am eigenen Flughafen. Aber eben auch indem wir den Energieverbrauch reduzieren. Vorfeldfahrzeuge umstellen, LED -Beleuchtung, neue Technikzentral, you name it. Ihr Thema ist Fit for 55, also die Frage nachhaltiger Kraftstoff. Das bewerten wir sehr positiv. Wir wollen diese Richtung gehen als Branche, egal ob Sie die Airlines nehmen, ob Sie uns als Airports nehmen. Wir müssen diesen Weg gehen und darum unterstützen wir die EU hier in dem Fit-for-55-Programm.
Dieterle: Und was macht das aber mit der Wettbewerbsfähigkeit?
Schulte: Wir brauchen diese Beimischungsquoten. Wir brauchen sogar eher höherer Beimischungsquoten. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir brauchen aber dann auch genügend grünen Strom, dass das produziert werden kann hier in Europa oder eben über Tankschiffe nach Europa kommt. Und wir brauchen, und das haben wir auch sehr klar in der EU adressiert eine Regel gegen dieses Carbon Leakage. Carbon Leakage heißt eben dieser Wettbewerbsnachteil. Das kann ja auch im Beitrag an. Wenn ein Flieger von Hamburg nach Singapur geht, dann würde er über Frankfurt oder München auf der ganzen Strecke nachhaltigen Treibstoff betanken, also wesentlich teurer sein, als wenn sie über Katar oder über die Türkei fliegen und nur auf dem ersten Stück nachhaltigen Kraftstoff haben. Da sind in der Diskussion, da gibt es jetzt eine Prüfklausel, die die EU auch verabschiedet hat, je nachdem, wie die Wettbewerbsauswirkungen sind. Da erhoffen wir uns, wünschen wir uns noch mehr, das ist vollkommen richtig, aber es geht zumindest in die richtige Richtung.
Dieterle: Das sagt der Chef des Frankfurter Flughafens, Stefan Schulte. Vielen Dank für das Interview.
Schulte: Frau Dieterle, vielen Dank Ihnen.