Flucht aus Afghanistan – Mann aus Raunheim ist zurück in seiner Heimat

Tausende Menschen sind von den internationalen Streitkräften aus Afghanistan evakuiert worden. Unter ihnen befand sich auch ein junger Deutsch-Afghane aus Raunheim bei Frankfurt. Er saß in der letzten Evakuierungsmaschine der Bundeswehr. Er hat uns seine ganz persönliche Geschichte erzählt.

Shafay Samimi
„Ich heiße Shafay Samimi, bin 28 Jahre alt, lebe seit 20 Jahren in Deutschland, habe neben der afghanischen Staatsbürgerschaft auch die deutsche und studiere im vierten Semester Lehramt. Ich bin nach Afghanistan gereist, um meine Frau zu heiraten. Wir haben es geschafft, aber einen Tag später kamen die Taliban in die Stadt und es kam alles anders.
Natürlich hat man immer den Gedanken, es könnte was passieren. Vor meiner Abreise habe ich auch gesagt, wir melden uns beim Auswärtigen Amt, dass wir verreisen, habe auch alle registriert für einen Notfall.
Die eigentliche Reise sollte im September stattfinden, aber wir haben natürlich auch gehört, dass die Amerikaner sich zurückziehen, dass wahrscheinlich auch die Deutschen sich zurückziehen, und dann habe ich unsere Reise vorgezogen. Wir sind am 09. August geflogen.
Die Afghanen dort haben nicht damit gerechnet, dass innerhalb von heute auf morgen das komplette politische System verändert wird und der Präsident zurücktritt und keine Polizei, kein Militär mehr da ist. Damit hat wirklich niemand gerechnet. Wir alle wurden quasi überrumpelt, über Nacht quasi. Das ist einfach unvorstellbar, wie schnell das funktioniert, wie dynamisch das funktioniert. Und 20 Jahre hat man darauf hingearbeitet, dass dort demokratische Strukturen aufrecht erhalten werden, dass die entstehen. Das alles ist einfach von heute auf morgen zunichte gegangen. Das hätte sich niemand in seinen kühnsten Träumen vorstellen können.
Für uns war dann klar, ‚Okay, das wird jetzt schwierig für uns‘, aber wir haben die Hoffnung gehabt, dass wir ganz normal abgeholt werden, das Auswärtige Amt wird uns anrufen, wir haben ja Telefonnummern rausgegeben. Wir haben gewartet, aber da kam nichts.
Wir haben es dann irgendwann geschafft, an den Haupteingang zu kommen. Da waren einige Taliban da, die komplett überfordert waren mit der Situation. Wahrscheinlich war abgesprochen mit den Amerikanern, dass dieser Weg zu bleibt und Leute mit ausländischen Pässen durchgelassen werden. Aber so war das nicht. Also, wir haben unsere Pässe gezeigt. Das war eine total aggressive Stimmung. Er hat auf unser Auto eingeschlagen. ‚Fahrt weiter‘ und ‚Pack deine Pässe ein‘.“
Es folgen noch viele weitere Versuche. Mit Hilfe der Bundeswehr schafft es Shafay am 27. August dann doch noch auf das Flughafengelände in Kabul.
Shafay Samimi
„Das fühlt sich an wie in einem Blockbuster, wo man immer in der letzten Minute noch gerettet wird. Das war genau so. Wir haben bis zur letzten Minute gedacht, wir schaffen es nicht. Wir wollten dann auch aufgeben. Das war der letzte Versuch, danach wollten wir nicht mehr. Aber wir haben es geschafft. Und später haben wir erfahren, das ist der letzte Flug.
Ich wünsche mir für Afghanistan, dass sie endlich in Frieden leben können, dass sie sich ein politisches System aufbauen können, das auch funktioniert, dass dieses System gerecht ist und dass die Leute nicht mehr leiden. Dass nach vielen Jahrzehnten der Unruhe, der Kriege, endlich Ruhe einkehrt.“