FDP-Veto gegen EU-Lieferkettengesetz

Die Diskussionen innerhalb der Ampel-Fraktionen im Bund reißen nicht ab. Kaum besteht Einigkeit beim Bundeshaushalt, taucht ein weiterer Zankapfel auf: Das EU-Lieferkettengesetz. Möglicherweise könnte das nämlich an der Bundes-FDP scheitern und damit weite Kreise ziehen.

Ist diese Wurst fair gehandelt? Unter welchen Bedingungen wird mein Kugelschreiber produziert? Und steckt etwa Kinderarbeit in diesem Pullover?
Diese Fragen sollen mit der neuen EU-Lieferkettenrichtlinie künftig der Vergangenheit angehören. Sie sieht vor, dass größere Unternehmen in der EU zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Außerdem soll sie für mehr Umweltschutz sorgen und zwar an jedem Punkt innerhalb der Lieferkette – also von der Produktion der Einzelkomponenten über die Auslieferung bis zum Verkauf.
Ein solches Lieferkettengesetz gibt es in Deutschland bereits. Das neue EU-weite Gesetz soll aber weit darüber hinausgehen und trifft deshalb jetzt auf Widerstand bei den FDP-geführten Bundesministerien der Finanzen und der Justiz.
Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion in Rheinland-Pfalz, Philipp Fernis, warnt, dass durch das neue Gesetz besonders kleine und mittelständische Unternehmen in ihrer Existenz bedroht würden, da sie für jeden Fehler in der Lieferkette haftbar gemacht werden könnten.
Philipp Fernis (FDP), Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz
„Wenn ich am Ende dafür verantwortlich bin, dass derjenige, der dem Hersteller einer Jeans, die ich verkauft habe, den Knopf geliefert hat und dessen Kunststoffhersteller hat irgendwo gegen diese Regelungen verstoßen, dann merken Sie: Das geht zu weit. Das ist etwas, das kann ich am Ende vertretbar nicht mehr überwachen. Und deswegen muss man gucken, dass ich für die verantwortlich bin, mit denen ich wirklich unmittelbar in Geschäftsbeziehungen stehe, mich da auch kümmere aber es nicht so weit ausdehne, dass ich letztlich für jeden Verstoß irgendwo noch bei einem Vorlieferanten, der weit entfernt ist von mir als Unternehmer, verantwortlich bin.“
Das Gesetz sei zu ungenau und bedeute einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand, bemängelt auch der Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz, Johannes Heger. Unter anderem müssten Unternehmen mit dem neuen Gesetz jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihrer Pflichten verfassen.
Johannes Heger, Präsident LVU Rheinland-Pfalz
„Im noch jungen deutschen Lieferkettengesetz, da besteht Prüfpflicht für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern. Und jetzt mit den europäischen Richtlinien soll das dann verändert werden auf Firmen schon mit 500 Mitarbeitern und in besonderen Fällen auch schon ab 250. Es betrifft also ganz andere Betriebsgrößenklassen und dadurch viel, viel, viel mehr Unternehmen als das bisher da war. Und kleine und mittlere Unternehmen können diese Prüfungen nicht vornehmen und sie können die Berichtspflicht nicht leisten.“
Nach jahrelanger Vorarbeit steht das Gesetzt nun kurz vor Schluss auf der Kippe. Sollte sich Deutschland bei der Abstimmung im Rat der Europäischen Union enthalten, würde die neue EU-Lieferkettenrichtlinie vermutlich scheitern.
Der rheinland-pfälzische Arbeitsminister Alexander Schweitzer von der SPD rät allerdings zur Besonnenheit.
Alexander Schweitzer (SPD), Arbeitsminister Rheinland-Pfalz
„Ist eine Diskussion, wie sich das gehört innerhalb einer Bundesregierung. Ich befürworte die Ziele von Lieferkettengesetzen, weil die Standards notwendig sind. Aber ich sage auch; Es braucht einen guten Kompromiss, weil auch unsere Unternehmen nicht über Gebühr belastet werden dürfen. Und diesen Korridor, den muss die Bundesregierung nun finden.“
Wie Bundeskanzler Olaf Scholz nun mit den geäußerten Bedenken umgeht, ist unklar. Es werde an einer Einigung gearbeitet, heißt es aus EU-Kreisen. Jetzt allerdings hinter verschlossenen Türen.