Fahrplan-Wirrwarr im öffentlichen Nahverkehr

Mit Bus oder Bahn günstig und bequem von ‚A‘ nach ‚B‘ kommen – gerade auf dem Land stellt sich das oft schwieriger dar als gedacht. Lange Wartezeiten an der Haltestelle oder eine nicht ausgereifte Linienführung – Grund zum Ärgern gibt es für die Passagiere häufig. Oft sind die Fahrpläne der regionalen Verkehrsunternehmen auch wenig aufeinander abgestimmt. Das sorgt für Unmut – wie unser Beispiel aus Mittelhessen zeigt.

Die Bushaltestelle „Langer Strich“ in Gießen-Lützellinden. Der Bus kommt pünktlich, aber dann: Alles aussteigen, Endstation. Weiter geht’s nicht. Wer von hier aus mit dem Bus in den nächsten Ort gelangen will, muss an die Haltestelle auf der anderen Seite der Straße wechseln und erstmal ein gutes Stück genau in die Gegenrichtung fahren, um dann in Gießen umzusteigen. Ein Unding aufgrund mangelnder Kommunikation und Absprache, meint Thomas Kraft. Der hessische Vorsitzende des Fahrgastverbandes ‚Pro Bahn‘ macht seinem Unmut Luft:
Thomas Kraft, Fahrgastverband ‚Pro Bahn‘ Hessen: „Wir haben in diese Richtung die Stadt Wetzlar liegen, wir haben in diese Richtung die Stadt Gießen liegen, in diese Richtung den Landkreis Gießen und in diese Richtung den Lahn-Dill-Kreis. Vier verschiedene Aufgabenträger, die nicht miteinander soweit kommunizieren können, dass hier in dem Falle der öffentliche Personennahverkehr über diese Straße geführt wird.“
Denn während zum Beispiel die eine Haltestelle zum Gebiet der Stadtwerke Gießen gehört, zeichnet sich für die nächste Haltestelle die Verkehrsgesellschaft Lahn-Dill verantwortlich. Thomas Kraft fühlt sich in die Zeit vor Gründung des Kaiserreichs zurückversetzt: Viele Kurfürstentümer, die nur ihr eigenes Ding machen. Allein sieben eigene Verkehrsbetriebe auf engstem Raum zwischen Wetzlar und Gießen. Im Gießener Rathaus fragen wir nach. Kann man sich bei den Linienplänen nicht besser mit den Nachbarn abstimmen? Die zuständige Dezernentin kennt die Beschwerden über mangelnde Koordinierung des Nahverkehrs.
Gerda Weigel-Greilich (Bündnis 90 / Die Grünen), Stadträtin Gießen: „Wir müssten als Kommunen auch uns stärker in Planungsverbänden organisieren und es müsste aber auch vom Land, genauso wie von uns Kommunen mehr Geld ins System kommen. Und es wäre sehr wichtig – das ist eine politische Entscheidung, die von allen getroffen werden muss – wie viel Daseinsvorsorge soll es sein, weil das ganze ja zum großen Teil steuerfinanziert wird.“
Aus dem Verkehrsministerium in Wiesbaden ist zu hören, man wolle nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Städte und Kreise wüssten am besten, was sie bräuchten und wo es Bedarf gebe. Thomas Kraft von Pro Bahn sieht die hessische Landesregierung hingegen in der Pflicht. Die müsse ein neues ÖPNV-Gesetz auf den Weg bringen – mit einheitlichen Mindeststandards für alle.
Thomas Kraft, Fahrgastverband ‚Pro Bahn‘ Hessen: „Es kann nicht sein, dass das verschiedentlich organisiert wird. Das bedarf wirklich auch der gesetzlichen Vorgabe. Und da erwarte ich von der hessischen Landesregierung entsprechende Entscheidungen.“
Damit es demnächst auch hier heißen kann: Freie Fahrt! Und nicht: Aussteigen, Endstation!