Erste Sitzung des neuen Gemeinderats von Freisbach

Anfang August war der kleine Ort Freisbach in der Südpfalz plötzlich bundesweit in aller Munde: Aus Protest gegen die desolate Finanzlage hatte nicht nur der Bürgermeister, sondern gleich der gesamte Gemeinderat hingeschmissen! Ein bislang einmaliger Vorgang in der pfälzischen Kommunalpolitik. Doch nun tut sich was in Freisbach: Nachdem vor gut zwei Wochen bereits ein neuer Bürgermeister die Amtsgeschäfte aufgenommen hat, gibt es seit gestern Abend auch wieder einen Gemeinderat.

Es ist vollbracht: Der neue Gemeinderat von Freisbach ist gewählt und nimmt nun seine Arbeit auf.
Keine ganz leichte Geburt. Noch kurz vor dem Treffen der Gemeindevertreter in der Freisbacher Turnhalle steht nicht fest, ob die gewählten 16 ehrenamtlichen Ratsmitglieder ihr Mandat überhaut annehmen. Andreas Ackermann hatte sich eigentlich für den Posten des Bürgermeisters beworben. Weil den Job inzwischen aber Jochen Ricklefs übernommen hat, wird Ackermann jetzt Mitglied des Gemeinderates.
Andreas Ackermann, neues Mitglied Gemeinderat Freisbach
„Der Eindruck hier war doch sehr beruhigend. Also, die Mehrheit hat ja ihr Mandat angenommen. Jetzt müssen wir abwarten und schauen, wie es weitergeht.“
Eine optimistische Einschätzung, die andere Freisbacher Kommunalpolitiker so nicht teilen. Viele der im August zurückgetretenen Gemeinderatsmitglieder wollten eigentlich nur dann auf ihren Posten zurückkehren, wenn das Land der überschuldeten Kommune endlich mehr Geld zusichert. Jetzt sind einige von ihnen auch ohne diese Zusage wieder mit von der Partie – wenn auch mit Bauchschmerzen. Wieder andere sind zwar zunächst zur Wahl angetreten, nehmen ihr Mandat gestern aber nicht an. Sie hatten bis zuletzt gehofft, dass doch noch zusätzliches Geld vom Land kommt. Das konnte Bürgermeister Ricklefs gestern aber nicht versprechen.
Ilknur Dogan, ehemaliges Mitglied Gemeinderat Freisbach
„Wie immer wird dann rumgeeiert. Also bei uns in der Pfalz sagt man ‚rumgeeiern‘. Also, es gibt keine Entscheidung. Und dementsprechend bin ich mir und meinen Wählern treu. Und habe mein Mandat heute schriftlich abgelegt.“
Holger Karn, ehemaliges Mitglied Gemeinderat Freisbach
„Ich finde das einfach schade. Als Gemeinderat möchte man was bewegen, möchte mal ein Projekt auch starten. Eine Streuobstwiese pflanzen, neue Parkbänke, irgendeine Kleinigkeit, keine goldenen Gehwege pflastern. Und für nichts ist Geld da. Also keine freiwilligen Leistungen sind möglich. Selbst wenn wir nur die Pflichtaufgaben erledigen, sind wir schon weit im Minus. Und das kann ja nicht Sinn der Sache sein.“

 

Zu den Pflichtaufgaben der Gemeinde gehört etwa der Bau einer neuen Kindertagesstätte. Denn wie überall in Rheinland-Pfalz sollen Eltern ihre Kinder auch in Freisbach schon bald sieben Stunden täglich betreuen lassen können – Mittagsschläfchen inklusive. So will es die Landesregierung. Die dafür benötigten fünf bis sieben Millionen Euro soll die Gemeinde allerdings selbst aufbringen. „Schlichtweg unmöglich“, sagt der Bürgermeister – das werde früher oder später auch das Land erkennen.

 

Jochen Ricklefs (parteilos), Bürgermeister Freisbach
„Ich bin Optimist. Ich glaube, dass die Vernunft am Ende siegen wird. Und bin mir auch bewusst, dass das ein langfristiger Prozess wird, bis sich da die Räder bewegt haben im Land. In der Zwischenzeit müssen wir trotzdem hier weiterleben und unser Dorf auf die Reihe kriegen.“
Ohne zusätzliche Hilfe vom Land bliebe der Gemeinde nur eine Möglichkeit – und zwar, die Steuern drastisch zu erhöhen. Doch selbst wenn man in Freisbach die Gewerbe- oder auch die Hundesteuer auf einen Schlag verdoppele, käme der Ort nicht aus den roten Zahlen: Deshalb hofft der Bürgermeister nach wie vor auf ein Umdenken bei der Landesregierung.
Jochen Ricklefs (parteilos), Bürgermeister Freisbach
„Seit dem 8.8.2023 mit unserem Rücktritt ist das Thema prominent geworden im Land. Es wird drüber gesprochen, und es werden Lösungen gesucht werden müssen. Weil: Das, was uns betrifft, betrifft noch Tausende andere Kommunen in Rheinland-Pfalz. Und die Wahlen stehen 2024 an.“
In Freisbach sind die Wahlen dagegen erst mal erledigt – zumindest für den neuen Gemeinderat. Ob der in Zukunft vor Ort wieder mehr bewegen können wird, liegt nun aber vor allem in den Händen der rheinland-pfälzischen Landesregierung.