Erneuter Streik des Lufthansa-Bodenpersonals

Wieder mal Streik, wieder mal bei der Lufthansa: Bei Deutschlands größter Fluglinie haben heute die Mitarbeiter des Bodenpersonals die Arbeit nieder gelegt. Vom Warnstreik betroffen sind alle großen deutschen Flughäfen. Vor allem in Frankfurt ging bei der Lufthansa heute fast gar nichts. Und das nun schon zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Wochen.

Es scheint fast so, als haben sich die Menschen inzwischen daran gewöhnt, dass immer gerade irgendwo gestreikt wird – von Chaos am Frankfurter Flughafen heute Morgen jedenfalls keine Spur. Die meisten Passagiere sind gar nicht erst zum Terminal gekommen. Andere versuchen, einen Ausweichflug zu ergattern – meist mit wenig Erfolg. Die Stimmung bei den Lufthansa-Kunden: leicht gereizt. Ein Hauch von Resignation macht sich breit.
Klara Reinhold
„Ich halte nicht viel von diesen ganzen Streiks. Also langsam wird’s zu viel, sagen wir mal so.“
Christian Weiß
„Eigentlich ist es immer die Lufthansa, die streikt. Und ich glaube, bei Lufthansa haben die eigentlich noch ganz gute Bedingungen im Vergleich zu anderen Airlines.“
Das sieht man bei der Gewerkschaft ver.di ganz anders: Nach den Corona-Krisenjahren fahre die Lufthansa inzwischen wieder Rekordgewinne ein. Jetzt sei es an der Zeit, auch den Mitarbeitern ein Stück vom Kuchen abzugeben. Die Gewerkschaft fordert für die rund 25.000 Beschäftigten des Bodenpersonals 12,5 Prozent mehr Lohn – mindestens aber 500 Euro mehr im Monat – sowie einen einmaligen Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro für alle Lufthansa-Mitarbeiter.
Marvin Reschinsky, Verhandlungsführer ver.di
„Wir haben in der letzten Verhandlungsrunde versucht eine Lösung mit der Lufthansa zu finden. Lufthansa hat selbst in Teilen ihr Angebot sogar nochmal verschlechtert. Es soll beispielsweise erst ab Dezember eine Vergütungserhöhung geben. Das ist viel zu spät. Und auf der anderen Seite hat die Lufthansa uns gebeten, den Verhandlungstermin zur Lösungsfindung noch einmal zu verlängern. Das haben wir gerne gemacht. Saßen bis in die späte Nacht dort. Haben vier Stunden auf die Lufthansa gewartet, um uns dann anzuhören: ‚Wir haben leider kein besseres Angebot für Sie, es bleibt bei dem, was wir haben.‘ Da fühlen sich die Beschäftigten jetzt wirklich vergackeiert.“
Auch bei der Lufthansa fühlt man sich derzeit „vergackeiert“ – vor allem, weil schon morgen die nächste Verhandlungsrunde zwischen dem Konzern und den Arbeitnehmervertretern ansteht. Ein ganztägiger Warnstreik mitten in den laufenden Verhandlungen – für die Lufthansa absolut unverhältnismäßig.
Martin Leutke, Sprecher Lufthansa AG
„Das ist ein bitterer Tag für unsere Gäste. Wir müssen etwa 90 % unserer Flüge heute streichen, 10 % können stattfinden. Wir haben unsere Kunden so gut es geht umgebucht auf andere Verbindungen. Jetzt ist morgen die nächste Verhandlungsrunde. Heute erst mal ein Streik. Ein Streik direkt vor der nächsten Verhandlungsrunde. Das ist vor allem für unsere Gäste sehr bitter. 100.000 Gäste, die nicht ans Ziel kommen, an einem solchen Tag. Wir haben ein Angebot auf den Tisch gelegt: 10 % Gehaltserhöhung in 12 Monaten sowie 3.000 Euro steuerfrei. Darüber sollte man jetzt reden. Dazu sollte man nicht streiken.“
Der Warnstreik des Lufthansa-Bodenpersonals endet morgen früh um 7:10 Uhr pünktlich zum Schichtwechsel. Auch danach wird es nach Angaben der Lufthansa noch zu vereinzelten Flugausfällen und Verspätungen kommen. Passagiere werden gebeten, sich vorab zu informieren, ob ihr Flug vom Streik betroffen ist oder nicht.
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Markus Appelmann, Moderator: „Ein Hauch von Resignation macht sich breit“, um noch einmal Worte aus dem Beitrag aufzugreifen. Über den Streik sprechen wir jetzt mit Prof. Karl-Rudolf Rupprecht, Studiengangsleiter für Luftfahrt und Tourismus an der Hochschule Frankfurt und ehemaliger Lufthansa-Cargo Vorstand. Guten Abend.
Prof. Karl-Rudolf Rupprecht, Frankfurt University of Applied Science: Guten Abend.
Appelmann: Die Lufthansa hat zuletzt Rekordgewinne gemeldet. Könnte es sich die Airline nicht einfach leisten auf die Forderung der Gewerkschaft einzugehen?
Rupprecht: Ein klares Nein. Aus mehreren Gründen. Erstens: Es ist der Erfolg der Vergangenheit. Zweitens: Der große Erfolg wirtschaftlich für das letzte Jahr kam aus der Cargo. Und wenn man sich den Passagier-Erfolg anguckt, bei 100 Millionen Passagiere – ungefähr – kann man sagen, verdient eine Lufthansa weniger als 5 € pro Passagier. Das heißt, bei großen Zahlen muss man immer genau hinschauen. Und wenn man den Aktienkurs sieht, also den Blick nach vorne, dann kann man feststellen, dass eine Menge zu tun ist und die Kräfte zu bündeln sind. Also der Verteilungsspielraum für die Zukunft, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein, ist nicht so groß, wie der eine oder andere es meint.
Appelmann; Es gab in den vergangenen Monaten einige Streiks am Flughafen – das Ende vom Lied: Fast alle Flüge fielen aus. Hat Lufthansa generell einen Nachteil, dass sie mit vielen Einzelgewerkschaften verhandeln muss?
Rupprecht: Die Anzahl der Streiks ist bedauerlich hoch und das ist nicht nur bei der Lufthansa so, sondern in der gesamten Branche. Und natürlich, wenn die Debatte im Konzern permanent sich um das Thema Streik dreht, dann bindet das extreme Kräfte. Und das ist von Nachteil, denn es lenkt davon ab, dafür zu sorgen, mit den Mitarbeitern die Themen der Zukunft zu bewegen. Und die sind von den Herausforderungen groß. Und insofern, glaube ich, ist das ein klarer Nachteil. Das Konzept aus der Vergangenheit ist nicht mehr das Konzept für die Zukunft. Das Schlimme dabei ist auch, dass es uns nicht mehr gelingt, tragfähige Lösungen am Verhandlungstisch offensichtlich zu lösen und zu finden, sondern permanent zur Eskalation zu drängen.
Appelmann: Das Ergebnis der vielen Streiks: Die Kunden haben beim Buchen ein ungutes Gefühl, ob der Flug überhaupt stattfindet. Wie sehr schadet dies der Lufthansa?
Rupprecht: Der Schaden für die Lufthansa ist groß, nicht nur für die Lufthansa, sondern der Streik, ob es die Flughäfen sind oder ob es die Lufthansa sind, ist für Deutschland groß. Ich komme gerade aus Singapur und kann Ihnen berichten, wie man aus Asien auf Deutschland guckt: mit Entsetzen, mit Erstaunen. Und viele Empfehlungen gehen schon klar da raus, sich, wenn man nicht nach Deutschland direkt muss, sich eigentlich Umstiegshäfen wie Paris oder andere zu suchen, um sicher an das Ziel zu kommen.
Appelmann: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Prof. Karl-Rudolf Rupprecht.
Rupprecht: Bitte sehr.