Ein Jahr neue Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, in dem eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP bei einer Wahl bestätigt wurde – und zwar bei der Landtagswahl letztes Jahr. Das Erfolgsmodell, wie es Ministerpräsidentin Malu Dreyer nennt, war dann sogar Vorbild für den Bund, wo seit Dezember auch die Ampel regiert. In Rheinland-Pfalz feiert man heute den ersten Geburtstag – in der zweiten Legislatur. „Koalition des Aufbruchs und der Zukunftschancen“ steht groß auf dem Koalitionsvertrag. Wir schauen, was aus dieser vollmundigen Überschrift geworden ist.

Ein Jahr voller Krisen liegt hinter der Ampelregierung in Rheinland-Pfalz. Die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe im Ahrtal, der russische Angriffskrieg in der Ukraine und dessen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft lassen die Zukunftspläne von SPD, Grünen und FDP in den Hintergrund rücken. Stattdessen ist Krisenbewältigung angesagt.
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Wir haben unmittelbar eine Wiederaufbauorganisation gebildet. Für diese Mammutaufgabe haben wir im Grunde Experten und Expertinnen aus der ganzen Landesregierung zusammengezogen. Alle Betroffenen haben mittlerweile Maßnahmenpläne für den Aufbau der kommunalen Infrastruktur erstellt, als Beispiele Radwege, Kindergärten, Straßen, Schulen, Sportplätze, Rathäuser, alles, was damit zu tun hat. Das Innenministerium hat inzwischen dafür vier Milliarden Euro bewilligt.“
Mit Malu Dreyer, Daniela Schmitt und Anne Spiegel führen zum ersten Mal in der deutschen Geschichte drei Frauen eine Landesregierung an. Spiegel wechselt im Dezember ins Bundesfamilienministerium nach Berlin – und stolpert am Ende über ihren Urlaub in den Wochen nach der Flutkatastrophe.
Auf ihren Posten als stellvertretende Ministerpräsidentin folgt Integrationsministerin Katharina Binz. Sie hat mit der Organisation der Flüchtlingsaufnahme alle Hände voll zu tun.
Katharina Binz, B‘90/Die Grünen, stellv. Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Wir haben seit Beginn des Krieges fast 35.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen, davon ein gutes Drittel Kinder und Jugendliche und wir können alle feststellen, dass die Hilfsbereitschaft im Land riesengroß ist.“
Auch wenn die aktuelle Situation alles andere als einfach ist; der Harmonie innerhalb der Koalition scheint das nicht geschadet zu haben. Und doch kritisiert die Opposition die Arbeit der Regierung scharf. Fehlende Investitionen in Straßenbau, Digitalisierung und Gesundheitswesen seien nur Beispiele für ein grundlegendes Versagen.
Michael Frisch, AfD, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Man schmiedet hochtrabende Pläne für Künstliche Intelligenz, ist aber nicht einmal in der Lage, die dafür notwendigen Voraussetzungen, wie ein flächendeckenden 5G-Netz zu schaffen. Und das betrifft natürlich auch den Gesundheitsbereich. Hier fehlen dreistellige Millionenbeträge, um unsere Krankenhäuser fit für die Zukunft zu machen.“
Gordon Schnieder, CDU, Generalsekretär Rheinland-Pfalz
„Wir erkennen, dass wir uns nicht weiterentwickelt haben in wirklich wichtigen Themenbereichen. Wir stehen gerade vor enormen Herausforderungen, eine schwere Wirtschaftszeit, die auf uns zukommt. Ich sehe hier weder eine Überlegung wie wir hier drauf reagieren noch wie wir den Menschen helfen. Bei den gestiegenen Energiekosten, bei all den Problemen, die im Moment vorliegen. Und von daher ist das wirklich nur mutlos.“
Das will Wirtschaftsministerin Daniele Schmitt so nicht stehen lassen.
Daniela Schmitt, FDP, Wirtschaftsministerin Rheinland-Pfalz
„Wir haben gerade seit gestern die ersten Unterstützungsprogramme seitens der KfW, seitens Bürgschaften, auch das Thema Energiekostenzuschuss, was auf den Weg gebracht wird, sodass Härten abgefedert werden und die Themen auch entsprechend fokussiert werden.“
Vieles ist beim Alten geblieben: Die Ampel regiert einträchtig, die CDU wettert dagegen und mit der AfD will niemand zusammenarbeiten. Eins aber ist neu: Im Landtag sitzt jetzt eine Fraktion mehr. Zum ersten Mal überhaupt sind die Freien Wähler vor einem Jahr ins rheinland-pfälzische Parlament eingezogen, als „politisches Start-up“, wie sie sich selbst bezeichnen.
Joachim Streit, Freie Wähler, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Wir treten selbstbewusst auf und das, was ich auch an Rückmeldung bekomme, aus den Kommunen, auch von den Freien-Wähler-Gemeinschaften im ganzen Land, das ist hervorragend. Die Leute sind stolz auf uns und das trägt uns natürlich auch in die nächsten Jahre weiter.“
Es werden Jahre der Krisenbewältigung. Jahre, in denen alle an einem Strang ziehen müssen, um die Folgen der Pandemie, der Flutkatastrophe und des Krieges zu meistern. Jahre, in denen es nicht leicht wird, Aufbruch und Zukunftschancen in den Vordergrund zu stellen.