Droht der Strom-Blackout?

Als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine explodieren die Gaspreise auch hier in Deutschland. Nicht nur Kommunen überlegen, wie sie Energie einsparen können – auch viele Privatmenschen versuchen, vom teuren Gas wegzukommen. Die Lösung scheint einfach: Heizen mit Elektro-Heizgeräten. Doch so ungefährlich ist das nicht.

Die Regale sind fast leer – die meisten Heizlüfter in diesem Baumarkt in Frankfurt Nieder-Eschbach sind schon verkauft. Wurden in den vergangenen Jahren noch Nudeln oder Klopapier gehamstert, sind es jetzt: Elektro-Heizgeräte.
Bundesweit wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres schon 600.000 Stück gekauft. 35 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2021.
Und auch hier in Frankfurt ist der Run auf die Heizlüfter groß:
Benjamin Frankenberger, Marktleiter Hornbach Frankfurt Nieder-Eschbach
„Also, bei verschiedenen Produkten hat sich die Nachfrage im Gegensatz zum letzten Jahr tatsächlich verdoppelt, gerade bei großen Heizlüftern, Radiatoren, Konvektoren haben wir immer wieder leere Regale. Die Märkte bekommen noch was, also wir bekommen Zuteilungen aus der Zentrale, aber letztendlich reicht es einfach nicht, um die aktuelle Nachfrage zu decken.“
Nicht nur Privatpersonen überlegen, wie sie Energie einsparen können. Auch die Kommunen setzen darauf, jetzt schon für den Winter zu sparen.
Beispiel Koblenz: Hier werden unter anderem das Deutsche Eck und verschiedene Kirchen der Stadt nachts nicht mehr angestrahlt, die Wassertemperatur in den städtischen Hallenbädern ist abgesenkt und demnächst wird auch die Straßenbeleuchtung morgens früher aus- und abends später eingeschaltet. Viele kleine Maßnahmen, die insgesamt helfen sollen, aber vielleicht auch nur ein erster Schritt sein können.
Ulrike Mohrs, CDU, Bürgermeisterin Koblenz:
„Ja, wir denken natürlich auch darüber nach, müssen wir gegebenenfalls – je nach Lage – im Winter die Hallenbäder auch ganz schließen. Aber das sind alles für uns Worst-Case-Szenarien, die wir natürlich so lange wie möglich hinauszögern wollen. Denn wir haben ja auch gerade eine Pandemie hinter uns, beziehungsweise sind ja auch noch ein Stückweit mittendrin, und das hat ja auch für die Kinder und viele, die schwimmen wollen, schon viel Verzicht erfordert.“
Verzichten wollen oder müssen viele Menschen auch darauf, im Winter ihre Gasheizung laufen zu lassen. Sie wollen sich stattdessen mit elektrischen Lüftern aus dem Baumarkt durch die kalte Zeit hindurchretten. Doch dies ist eine Rechnung, die nicht aufgeht, sagt unter anderem der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Denn auch das Heizen mit Strom werde immer teurer. Und der Verband warnt außerdem vor dramatischen Folgen:
„Neben lokalen Netzüberlastungen gibt es noch das Problem, dass die derzeitige Kraftwerkskapazität für diese zusätzlichen Lasten nicht ausreicht.“
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Markus Appelmann, Moderator: Die Kraftwerkskapazität reicht nicht aus für die zusätzlichen Lasten. Was heißt das konkret? Das fragen wir Peter Lautz, er ist der Geschäftsführer der Stadtwerke Wiesbaden Netz. Guten Abend Herr Lautz.
Peter Lautz, Geschäftsführer SW Netz GmbH: Guten Abend, Herr Oppermann.
Appelmann: Wir haben gerade gehört, dass die Kraftwerkskapazität knapp werden könnte, wenn immer mehr Privathaushalte Elektro-Heizlüfter einsetzen. Was würde in diesem Fall ganz konkret in Wiesbaden passieren?
Lautz: Das Problem der Heizgeräte, die möglicherweise eingesetzt werden könnten, besteht einfach darin, dass es sehr viele Heizgeräte, sind, die alle gleichzeitig eingesetzt werden würden über einen längeren Zeitraum und damit unser Stromnetz überlasten. Und damit käme es unweigerlich zu einem Ausfall, die Schutzgeräte, die die Leitungen schützen, die Anschlüsse schützen, dann entsprechend automatisch auslösen würden. Ein Stromausfall wäre dann für die betroffenen Bereiche die Folge.
Appelmann: Es käme also zum Blackout. Das Problem, das sich dann stellt: Das Hochfahren des Stromnetzes kann lange dauern.
Lautz: Ja, hier haben wir das Problem, dass diese ganzen Geräte ja in den Privathaushalten installiert sind. Und wenn die Kunden diese Geräte bei einem Ausfall nicht ausschalten oder vom Netz trennen, indem sie den Stecker ziehen, bedeutet das, wir versuchen, das Netz einzuschalten, aber die Geräte sind ja alle noch letzten Endes in Betrieb. Das heißt, wir bekommen sofort beim Einschalten die gleiche Überlastsituation und unsere Schutzeinrichtungen würden wiederum ansprechen und die Netze abschalten.
Appelmann: Wie müssen wir uns einen solchen Blackout vorstellen, das heißt ja nicht nur, dass Zuhause das Licht ausgeht? Das hätte ja noch viele weitere Konsequenzen…
Lautz: Es geht natürlich um die Haushalte. Natürlich kochen, telefonieren, all diese Dinge gehen dann zu Hause nicht mehr. Aber das würde auch weitreichende Konsequenzen haben für die betroffenen Bereiche. Es gibt keine Straßenbeleuchtung mehr, es gibt keine Ampelanlagen mehr, man kann in Geschäften dann nicht mehr bezahlen, weil die ganze Kasseninfrastruktur nicht funktioniert, Kühlgeräte gehen außer Betrieb – also das ist die Folge eines Stromausfalls und der wäre dann über den ganzen betroffenen Bereich zu spüren.
Appelmann: Abschließend: Was haben Sie für Möglichkeiten, dass es im Herbst und Winter nicht zu diesen Blackouts kommt. Bleibt Ihnen nur der Appell an die Bürger?
Lautz: Für den Netzbetreiber wird es schwierig, bis zum Herbst eine Netzinfrastruktur so auszubauen, dass diese ganzen Heizlüfter in Betrieb gehen könnten. Dafür fehlen einfach die Dienstleister, dafür fehlen die Materialien. Es bleibt wirklich nur der Appell an die Bürger und Bürgerinnen, möglichst viel Energie zu sparen. Wenn wir Energie sparen in jedem einzelnen Haushalt, dann haben wir eine gute Chance, keine Gasmangellage zu erreichen und damit auch die Versorgung weiter aufrechterhalten zu können.
Also das Energiesparen ist der wesentliche Punkt für jeden Einzelnen. Da gibt es ganz einfache Mittel. Zum Beispiel genügt es schon, abends in den Häusern die Rollläden zu schließen, die Vorhänge zuzuziehen, um Wärmeverlust durch die Fenster zu vermeiden. Heizkörper in Nischen kann man dämmen. Man kann die Heizkörper freiräumen, falls sie zugestellt sein sollten, um die Heizleistung zu verbessern. Stoßlüften, sollte man anwenden statt dauerhaft Fenster zu öffnen. Und ganz wichtig ist natürlich auch das Absenken der Raumtemperatur. Schon ein Grad Absenkung im Raum bedeutet eine Einsparung von 6%, was sich zum einen natürlich im Energieverbrauch bemerkbar macht, zum anderen aber auch an der Rechnung und im Geldbeutel.
Appelmann: … sagt Peter Lautz, Geschäftsführer der Stadtwerke Wiesbaden Netz. Danke.
Lautz: Vielen Dank.