Dreikönigstreffen der FDP in schwieriger Lage

Eigentlich wollte sich die FDP beim Dreikönigstreffen in Stuttgart zum Jahresauftakt Mut machen. Doch das fällt derzeit nicht leicht. Bei einer Befragung der Parteimitglieder hat sich vor kurzem nur eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der Ampelkoalition auf Bundesebene ausgesprochen. Insgesamt sind die Zustimmungswerte für das Regierungsbündnis von SPD, Grünen und FDP so niedrig wie noch nie. Wir waren beim traditionellen Dreikönigstreffen vor Ort, um zu schauen wie die Liberalen aus Hessen und Rheinland-Pfalz die Probleme auf Bundesebene sehen und wie der Parteivorsitzende mit dem Gegenwind umgeht.

Der Chef betritt die große Bühne: Zwar leicht verschnupft und mit etwas Fieber, aber klar in der Ansage versucht Christian Lindner, seine FDP wieder auf Kurs zu bringen. Von den Partei-Rebellen, die den sofortigen Ausstieg der Freien Demokraten aus dem Berliner Ampelkoalition fordern, ist in der Stuttgarter Oper nichts zu sehen oder zu hören. Ein liberaler Geist weht durch den Saal – ein Geist, der die Arbeit der Bundesregierung auch in Zukunft maßgeblich mitprägen soll.
Christian Lindner (FDP), Bundesvorsitzender
„Es ist kein Widerspruch, wirtschafsfreundliche und wachstumsfördernde Politik zu machen oder soziale und ökologische. Sondern im Gegenteil: Wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik ist die Voraussetzung dafür, überhaupt soziale und ökologische Politik machen zu können.“
Ob in der Stuttgarter Oper auch viele schwäbische Hausfrauen anwesend waren, ist nicht bekannt: Falls ja, dürfte ihnen Christian Lindners leidenschaftliches Plädoyer für die Einhaltung der Schuldenbremse außerordentlich gut gefallen haben. Der Staat dürfe auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben, als ihm zur Verfügung stehe. Subvention gehörten auf den Prüfstand – auch in der Landwirtschaft. Dass die Bauern nun gegen mögliche Kürzungen protestierten, sei natürlich ihr gutes Recht. Dauerblockaden, tätliche Angriffe auf Politiker und Umsturzfantasien gingen aber eindeutig zu weit.
Christian Lindner (FDP), Bundesvorsitzender
„Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren! Sie haben sich verrannt! Bitte kehren Sie um!“
Kein gutes Haar lässt der Parteivorsitzende an der Union. Ein gigantischer Investitionsstau bei Infrastrukturprojekten, eine weitgehend ungesteuerte Einwanderung und eine Energiepolitik, die jahrzehntelang völlig einseitig auf russisches Gas gesetzt habe: All das seien Teile des gigantischen Scherbenhaufens, den CDU und CSU der neuen Bundesregierung nach 16 Jahren an der Macht hinterlassen habe.
Apropos Russland: Für die Europawahl Anfang Juni schickt die FDP ihre Verteidigungsexpertin Marie Agnes Strack-Zimmermann als Spitzenkandidatin ins Rennen. Die betont in ihrer Rede noch einmal die deutsche Bündnistreue zur NATO – und die Notwendigkeit, die Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen den russischen Aggressor auch weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Bei einigen Friedensaktivisten auf der Besuchertribüne sorgt das für lautstarken Protest – nicht jedoch mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Spitzenkandidatin Europawahl
„Jeder muss wissen: Wer dieses Europa angreift, bekommt es mit 27 Nationen zu tun! (Kriegsgegner pöbeln auf der Empore) Hören Sie genau hin! Wir reden hier in Freiheit! Dann ist Ende hier im Gelände! Dann ist Ende hier im Gelände! Auch für Sie! Sie rufen hier dann nämlich nicht mehr Ihre Meinung!“
Minutenlanger Applaus für Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die mit ihrem Auftritt selbst dem Parteivorsitzenden die Show stiehlt. Dazu zufriedene Liberale, für die sich die Reise nach Stuttgart gelohnt hat.
Stefan Naas (FDP), Designierter Fraktionsvorsitzender Landtag Hessen
„Dreikönig ist wie immer für alle Liberalen hochmotivierend. Das hat gutgetan heute.“
Volker Wissing (FDP), Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Es ist eine klare Standortbestimmung gewesen. Ich bin sehr zufrieden. Das gibt Kraft, das macht Mut, das verbreitet Optimismus. Und das ist auch die Aufgabe der Freien Demokraten.“
Hermann Otto Solms (FDP), Ehrenvorsitzender
„Gerade Christian Lindner hat am Ende nochmal zusammengefasst, wofür die Liberalen stehen und dass sie unbedingt im deutschen Parteienspektrum gebraucht werden.“
Matthias Büger (FDP), Abgeordneter Hessischer Landtag
„Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann haben wir eine ganz tolle Spitzenkandidatin. Und ich fand sie heute auch extrem motivierend.“
Das Dreikönigstreffen in Stuttgart: Für die FDP-Spitze ein gelungener Start ins neue Jahr, samt Standortbestimmung, die auch den Kritikern in den eigenen Reihen zeigen soll, wohin die Reise geht. Und dass sich die Freien Demokraten in der Berliner Ampelregierung auch in Zukunft nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen.