Dr. André Borsche – Hilfe für entstellte Kinder

Ein Mann, der vielen Menschen schon ein neues Gesicht geschenkt hat: Dr. André Borsche aus Bad Kreuznach hat sich im Sommer am Diakonie Krankenhaus in den Ruhestand verabschiedet – was nicht endete, ist sein Engagement für die gemeinnützige Hilfsorganisation Interplast, die Fehlbildungen an Menschen aus Entwicklungsländern behandelt und operiert. So auch vor kurzem im südostafrikanischen Mosambik.

Die humanitäre Lage in Mosambik ist besorgniserregend. Ein Großteil der Menschen lebt in Armut, im Norden des Landes kommt es immer wieder zu islamistischen Attentaten. Vor allem in ländlichen Regionen fehlt es an medizinischer Versorgung.
Das Team um Dr. André Borsche reist vor wenigen Wochen zum zweiten Mal in die Küstenstadt Beira. Dort wollen sie entstellte oder von Kriegs- und Terrorattentaten versehrte Menschen akut behandeln. Bei Dr. Borsches erstem Besuch vor einem Jahr war die die Situation im Krankenhaus von Beira katastrophal: schmutzige Bettlaken, verunreinigte Materialien, schreiende Kinder. Außerdem ist das Misstrauen der Patienten gegenüber den unbekannten Ärzten groß.
Jetzt, beim zweiten Mal ist alles anders. Saubere Betten, genügend Medikamente und Verbandsmaterial. Diesmal kommen fast 50 Patienten, einige reisen schon mehrere Tage vorher an. Das Team um Dr. Borsche behandelt über einen Zeitraum von zwei Wochen vor allem schwerwiegende Brandverletzungen und Körperfehlbildungen. Unter den Patienten ist der kleine René. Vor einem Jahr hätte der bis auf die Knochen abgemagerte Junge eine OP vermutlich nicht überlebt. Interplast gab seiner Mutter Geld, um ihn vor dem Hungertod zu bewahren. Bei seinem zweiten Besuch kann Dr. Borsche endlich Renés verkrüppelte Hand gerade richten.
Im nächsten Jahr wird das Team von Interplast wieder nach Mosambik reisen, um zu schauen, wie es den operierten Menschen geht und um weitere Menschen zu behandeln.
Doch nicht nur in fernen Ländern, auch in Bad Kreuznach finden weiterhin Operationen statt. Im August kamen Marcos und Jared aus Ecuador ins Diakonie Krankenhaus. Beide leiden seit der Geburt unter riesigen Blutadergeschwülsten im Gesicht. Eine Behandlung in ihrer Heimat war für die sieben und vier Jahre alten Jungen nicht möglich. Gemeinsam mit dem neuen Chefarzt der Abteilung für Plastische Chirurgie Dr. Jens Rothenberger werden den beiden Jungen in stundenlangen Operationen die riesigen Blutschwämme entfernt. Bei Marcos‘ Abreise Ende Oktober ist ein Auge zwar noch geschwollen, aber der Mund und die Wange, die am schlimmsten entstellt waren, sind schon fast vollständig verheilt.
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Markus Appelmann, Moderator: Ja, er hat Marcos ein neues Gesicht gegeben: Dr. Andre Borsche, plastischer Chirurg aus Bad Kreuznach, der Menschen mit Fehlbildungen auf der ganzen Welt hilft. Herzlich willkommen im Studio.
Dr. André Borsche, Chirurg aus Bad Kreuznach: Vielen Dank. Herzlichen Dank für die Einladung.
Appelmann: Herr Borscehe, stehen Sie in Kontakt mit Marcos? Wie geht es ihm denn?
Borsche: Also, ich habe jetzt schon zweimal nachgefragt. Er ist mittlerweile mit seiner Mutter ja tatsächlich wieder nach Ecuador gefahren, aber ich habe noch keine Antwort. Aber bin ganz gespannt, dass er noch vor Weihnachten was wissen. Nur in dem Zustand, wo ich ihn verabschiedet habe, war das so ein herzrührender Moment, wo ich gedacht habe: “Meine Güte, vor zwei, drei Monaten war er noch so entstellt, konnte nicht gescheit überhaupt essen. Es lief ihm alles aus dem Mund. Und jetzt war ein fröhlich lachender Junge in den Armen seiner Mutter.” Das war ein riesen Geschenk für mich.
Appelmann: Wir haben im Beitrag gehört, da kommen 50 Menschen, die Ihre Hilfe erwarten. Die schauen Sie mit großen Augen an. Wie entscheiden Sie denn, wem Sie helfen und wem Sie vielleicht dann doch nicht helfen können?
Borsche: Das ist eine ganz, ganz schwierige Entscheidung. Natürlich wollen wir in erster Linie den Kindern helfen, weil wir sehen, die haben ihr ganzes Leben noch vor sich. Auf der anderen Seite dürfen wir auch kein Risiko eingehen. Wir müssen ja schauen, dass die Operation auch sicher gelingt. Wir haben keinen doppelten Boden, keine Intensivstation. Und dann sind es doch diejenigen, die es auch äußerlich am nötigsten haben, wo man als plastischer Chirurg am meisten auch eine Veränderung hinkriegt. Wenn jemand mit einem ästhetischen Wunsch käme, dann müsste ich sagen: “Tut mir leid, das ist nicht unsere Aufgabe jetzt. Wir müssen denen helfen, die uns wirklich brauchen.”
Appelmann: Wir spüren, mit wie viel Herzblut Sie bei der Sache sind. Dr. Borsche, was treibt Sie an? Was ist Ihre Motivation?
Borsche. Das Tolle ist, wenn Sie einen Beruf gelernt haben, wo Sie doch so viele Menschen glücklich machen können, machen Sie sich selber auch damit glücklich. Und dadurch, dass ich es mit meiner Frau zusammen machen kann, mit einem Team von anderen Ärzten, Schwestern und Pflegern, die wirklich auch Spaß haben und wirklich ihren Urlaub sogar dafür opfern, dann ist das ein Riesending. Und wenn man so eine Möglichkeit mal erfahren hat, möchte man das nicht mehr aufgeben. Also so ist es mir jedenfalls gegangen.
Appelmann: Seit dem Sommer sind Sie im Ruhestand. Bei Ihnen muss man vielleicht eher sagen: “Sie sind im Unruhestand.” Können Sie diese Rente denn ein bisschen genießen? Oder sind da schon wieder ganz viele neue Projekte, die in ihrem Kopf schwirren?
Borsche: Also viele neue Projekte sind da, aber es ist auch ganz wichtig, dass die Enkelkinder und die ganze Familie nicht zu kurz kommen darf. Deswegen sind Unternehmungen wie eine gemeinsame Skireise oder ein schönes Fest gemeinsam feiern oder im nächsten Jahr vielleicht eine Hochzeit, das sind Dinge, die mir dann auch so wichtig sind, dass ich da alles andere dafür absage. Aber die Lücken im Jahr sind trotzdem noch groß.
Appelmann: Und da sind auch viele Projekte. Sie gehen langsam auf die 70 zu, wir können es ja so ehrlich sagen Wie laden Sie Ihre Akkus immer wieder auf?
Borsche: Also im Wesentlichen ist das große Glück, das lachen der Kinder, die Dankbarkeit und die Atmosphäre im Team, so Tolles zu bewirken. Das ist eine Sache, wenn Sie das einmal erleben – ich will nicht sagen, dass man süchtig davon wird, aber man möchte das immer wieder, solange ich gesund bin, verwirklichen können. Und ich bin jedem dankbar, der uns auch mit Sympathie unterstützt diesbezüglich. Ich will da jetzt keine große Glocke läuten, aber jeder, der Spaß hat und sieht, das ist eine direkte, sinnvolle Angelegenheit, der ist herzlich eingeladen, uns da auch zu unterstützen.
Appelmann: Durch diese großen Operationen, die Sie tun, sind die Menschen natürlich irgendwie auch Teil ihrer Familie. Merken Sie das an Weihnachten, dass Sie ganz viele Zuschriften bekommen von ehemaligen Patienten?
Borsche: Also das ist ganz, ganz enorm. Ich habe Zuschriften von Kindern, die ich vor 20 Jahren operiert habe, die mittlerweile eine Familie haben, die Kinder haben, die schicken mir immer kleine Ansichtskarten. Oder auch per WhatsApp heutzutage, ist es alles so verknüpft. Ich bin echt gerührt. Sei es aus Tschetschenien, aus den entlegensten Ecken kriege ich noch Nachrichten von sehr, sehr dankbaren Menschen. Und das zeigt mir, dass sie das nicht als selbstverständlich einnehmen, sondern sagen: “Mensch, da ist eine Brücke geschlagen worden.” Und wenn man diese Brücke noch ein bisschen aufrechterhalten kann, ist das halt auch für mich ein riesen Geschenk.
Appelmann: Sie sind immer sozusagen verbunden. Jetzt kommt erst mal Weihnachten, dann kommt der Jahreswechsel. Und was kommt dann bei Dr. Borsche?
Borsche: Ja, dann kommt vielleicht auch eine kleine Skireise und aber auch der Wunsch, unser Indien-Projekt noch mal zu reaktivieren. Das ist gar nicht so einfach, weil die armen Leute gerade in Indien haben nicht so eine Lobby, dass Hilfe von politischer Seite so gern gesehen ist. Und deswegen schauen wir doch mit einer indischen Organisation zusammenarbeiten zu können. Und Afghanistan ruft. Ich habe einen Arzt in Tansania, dem ich schon seit Jahren versprochen habe, dass ich unbedingt auch in sein Krankenhaus komme, weil der wunderbare Arbeit dort leistet.
Appelmann: Dr. Borsche, ich finde das eine ganz tolle Tradition, dass Sie immer im Dezember zu uns kommen und aktuell berichten. Danke, dass Sie da waren. Eine schöne Vorweihnachtszeit und alles Gute Ihnen.
Borsche: Und danke für Ihre großartige Treue, die ich hier immer wieder erleben darf. Es ist richtig ein bissel Zuhause. Herzlichen Dank.
Appelmann: Danke schön.