documenta 15 beginnt in Kassel

Neben der Biennale in Venedig gilt die Kasseler documenta als weltweit wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Seit 1955 findet sie in Nordhessen statt, in diesem Jahr zum 15. Mal. So viel Kritik wie dieses Mal gab es selten. Antisemitismus-Vorwürfe stehen im Raum. Am Wochenende wird das 42 Millionen Euro teure Kunst-Event eröffnet. Das Fachpublikum durfte schon jetzt einen Blick auf die Ausstellung werfen.

Ein Gesicht der documenta fifteen: Der kubanische Künstler Ray. Er bringt uns ein anderes Kuba nach Kassel. Keine bunte fröhliche Urlaubsinsel. Sein Kuba ist eine grausame Diktatur.
Ray, Künstler aus Kuba
„Das ist die Realität und für mich ist das sehr emotional. Weil ich werde gewaltsam unterdrückt, sowie 11 Millionen Kubaner. Wir haben zurzeit 1.400 politische Gefangene, darunter sind 28 Kinder, die jetzt im Gefängnis bestraft werden.“
Das sind die Gesichter der künstlerischen Leitung der documenta. Ruangrupa. Eine Gruppe von Kunstschaffenden aus Indonesien. Das gab es noch nie.
Ayse Gülec, Teammitglied documenta 15
„Sie haben sich noch andere Leute dazu eingeladen, so dass das Artistik-Team noch größer ist, aber neun Mitglieder von Ruangrupa, das ist ein Kollektiv. Die haben die Künstlerische Leitung. Zum ersten Mal ist es ein Kollektiv und zum zweiten ist es zum ersten Mal ein außereuropäisches Kollektiv, was die Documenta leitet. „
Richtige Meisterwerke gibt es in Kassel nicht. Das Kollektiv ist das Gesicht des Kunst-Events. Gemeinschaftliches Miteinander das Prinzip. Hier baut eine Gruppe aus Bangladesh ein Haus mit Garten. 100 Tage, solange wie die documenta selbst, wird hier gebaut, gelebt und gepflanzt.
Krittaporn Mahaweerarat, Künstler aus Bangladesh
„Es wird geerntet und gekocht. Alles ist miteinander verbunden. Das ist der Sinn: Gemeinschaft.“
Die Gesichter des Fachpublikums zeigen unterschiedliche Ausdrücke. Die zeitgenössische Kunst ist Geschmackssache!
Tin, Kunstkritiker aus Großbritannien.
„Ich sehe eine große Themenvielfalt. Jede Arbeit ist anders. Für mich ist das sehr interessant.“
Bernhard Schulz, Kunstkritiker aus Berlin
„Überall soll man sich beteiligen. Hier muss ich die Schuhe ausziehen. Man wird ständig in Bewegung gehalten. Und ich glaube, dadurch geht ein bisschen verloren, dass man auch Kunstwerke ansehen soll.“
Einige Gesichter der documenta haben einen zweifelhaften Ruf. Sie sind Sympathisanten der Bewegung BDS, die seit Jahren zum Boykott Israels aufruft und vom Bundestag als antisemitisch eingestuft wird. Antisemitismusvorwürfe, die auf einem Forum hätten thematisiert werden sollen, doch daraus wurde nichts. Antisemitismusvorwürfe, die der Kasseler Oberbürgermeister und Aufsichtsratsmitglied der Documenta nicht hören will.
Christian Geselle, SPD, Oberbürgermeister Kassel
„Ich empfehle jedem, bevor er vorschnell Worte ergreift, bevor er mit der Feder etwas schreibt, genau hinzusehen, genau zu betrachten was tatsächlich geschehen ist, bevor man vorschnell urteilt und deshalb konnte es gar nicht anders sein, als hier ein klares Signal für die künstlerische Freiheit zu erhalten, und deshalb gibt es eine klare Haltung für die documenta 15.“
Morgen wird die documenta offiziell eröffnet. Dann will sich in Kassel auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu den Antisemitismus-Vorwürfen und zu den Grenzen der Kunstfreiheit äußern. Die documenta 15: ein Kunst-Event mit vielen Gesichtern.
Es könnte noch heiß hergehen bis Ende September, so heiß wie zurzeit in diesem Zelt. Ein Beitrag aus China, der die Ungleichheit der Menschen kritisiert.