Diskussion um Mehrwertsteuer – Gaststätten fürchten Pleitewelle

Es ging ein Aufschrei durch die Gastronomiebranche, als klar war, dass die Mehrwertsteuer nun doch ab Januar wieder zum alten Niveau zurückkehren wird, von 7 auf 19 Prozent. Welche Auswirkungen das auf die Gastrobetriebe haben wird, darüber Maike Dickhaus mit dem Präsidenten des rheinland-pfälzischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA. Doch zuerst machen wir Station in einem Restaurant in Mainz.

Diese 7 Prozent gehören bald der Vergangenheit an. Ab dem kommenden Jahr gelten dann wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant.
Sarah Wilok ist Geschäftsführerin des Bergschöns in der Mainzer Altstadt. Ihr bereitet die Rückkehr zum alten Steuersatz große Sorgen. Denn die Kosten in ihrem Betrieb sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen.
Sarah Wilok, Gastronomin Bergschön Mainz
„Die Lebensmittelpreise sind definitiv gestiegen. Also gerade im Bereich Sahne, Käse, sind die Einkaufspreise unheimlich hochgegangen und dann auch generell von den Lieferanten, CO2-Zuschlag, es kamen immer mehr Kosten, die wir mittragen mussten.“
Während der Corona-Krise hat die Bundesregierung den Steuersatz für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend auf 7 Prozent gesenkt. Dann wurde diese zeitlich begrenzte Regelung wegen der Energiekrise mehrmals verlängert – zuletzt bis Jahresende. Der Bund verzichtet so auf Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.
Doch spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umverteilung von 60 Milliarden Euro verbietet, sieht die Bundesregierung nun keinen finanziellen Spielraum mehr für diese Steuererleichterung.
Für die Restaurants bedeutet das: zurück auf 19% – während für Supermärkte und Lieferdienste wie eh und je die 7 Prozent gelten.
Sarah Wilok, Gastronomin Bergschön Mainz
„Das stellt eine gewisse Ungerechtigkeit dar. Wir haben die Mietkosten, wir haben die Personalkosten, warum müssen wir 19% abgeben, wenn ToGo oder im Supermarkt 7 Prozent weiter bleiben?“
Eine Frage, die sich auch viele ihrer Berufskollegen stellen, die jetzt erneut um ihre Existenz fürchten. Und auch die Kunden werden das zu spüren bekommen.
Sarah Wilok, Gastronomin Bergschön Mainz
„Wir müssen definitiv die Preise anpassen. Wir müssen diese Erhöhung weitergeben und tragen dann einfach die Sorge, dass wir weniger Gäste haben werden, durch die gestiegenen Preise, weil Gäste sich das auch nicht mehr so einfach leisten können und tragen natürlich auch die Sorge, wie können wir unsere Arbeitsplätze sicherstellen.“
Deshalb läuft die Rettungskampagne des Hotel- und Gaststättenverbandes weiter. Im Mainzer Bergschön sicherheitshalber kombiniert mit einem Glücksbringer.
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Maike Dickhaus, Moderatorin; Ja, und Glück würde sich wohl auch mein Gast wünschen. Er ist der Präsident des rheinland-pfälzischen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA, Gereon Haumann. Guten Abend.
Gereon Haumann, Präsident DEHOGA Rheinland-Pfalz: Guten Abend.
Dickhaus: Ja, Herr Haumann, Sie bezeichnen diese Entscheidung als “Beben für die Branche”. Wie bewerten Sie denn das, was da gerade politisch passiert?
Haumann: Ja, zunächst halten wir das für eine fatale Fehlentscheidung nach dem vernichtenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Es ist für uns so schwer, weil wir ja gerade vor einer Woche die Zusage der Ampel hatten, dass die Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen steht, die Finanzierung steht, und einen Tag später kommt das Urteil und noch mal einen Tag später kommt dann von den Haushältern aus dem Bundestags-Haushaltsausschuss das “Stopp!” und danach gegenseitige Schuldzuweisungen der Partner der Ampelkoalition. Wir können es denen einfach machen. Sie brauchen sich nicht die Schuld zuzuschieben, sondern sie erklären ja alle gleichermaßen, dass sie für die Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer waren. Also einfach umsetzen, machen, es bei 7 % belassen.
Dickhaus: Nun war die Herabsetzung der Mehrwertsteuer ja aber von Anfang an dafür gedacht, die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Mit der Rückkehr zu 19 % wird jetzt also doch nur das umgesetzt, was ohnehin vereinbart war, oder?
Haumann: Richtig ist, dass das ein Instrument der Krisenbewältigung in der Corona-Zeit war. Richtig ist aber auch, dass der DEHOGA und die Branche seit mehr als vier Jahrzehnten eine einheitliche Besteuerung von Speisen wünscht und fordert. Wir sind das einzige Land in Europa, wo Speisen mit zwei unterschiedlichen Steuersätzen behandelt werden. Das ist unfair, das ist ungerecht und das gehört abgeschafft.
Dickhaus: Nun gab es andere Branchen, die hatten von Anfang an nicht das Glück einer Absenkung der Mehrwertsteuer, und da sind die Kosten auch gestiegen, beispielsweise für Energie, aber auch für Personal. Warum sollte man die Gastro-Branche da jetzt bevorzugen?
Haumann: Unter anderem deshalb, weil wir in den ländlichen Regionen, aber auch in den Städten mit unseren Gasthäusern, Wirtshäusern, Restaurants, Cafés und Bistros so etwas wie die öffentlichen Wohnzimmer sind. Bei uns kann sich jeder treffen, ohne sich zu verabreden. Wir haben oft an der Theke die Situation, dass unsere Kneipiers die Kümmerer sind. Geteiltes Leid ist halbes Leid oder umgekehrt, geteilte Freude doppelte Freude. Wir sind die öffentlichen Wohnzimmer. Wir sind der soziale Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Daher ist es dringend und zwingend notwendig, diese öffentlichen Wohnzimmer zu erhalten.
Dickhaus: Was bedeutet denn das jetzt für die Unternehmen Ihrer Branche, wenn die Mehrwertsteuer wieder auf 19 % angehoben wird?
Haumann: Wir befürchten, dass nach 36.000 Betrieben, die wir deutschlandweit nach der Pandemie verloren haben, nun erneut 12 bis 15.000 Betriebe, davon alleine rund 1.000 in Rheinland-Pfalz, verlieren werden. Damit geht auch ein Stückweit gastronomische Vielfalt verloren. Das ist für viele Familien – und wir haben in Rheinland Pfalz sehr viele familiengeführte Betriebe – eine Katastrophe zum Jahresende.
Dickhaus: Und die Mehrwertsteuer – das betrifft ja nicht nur Hotels und Restaurants, oder?
Haumann: Nein, die Mehrwertsteuer wird erhöht auf Speisen. Damit sind alle Betriebe – die Eckkneipe, genauso wie das Bistro, das Café, das Restaurant, das Hotel – dann davon betroffen und am Ende muss der Bürger die Zeche zahlen, weil wir müssen diese höheren Kosten in kompletter Höhe an die Gäste weitergeben.
Dickhaus: Das heißt, Sie kämpfen auch weiter mit Ihrer Kampagne für die 7 %. Heißt das, Sie haben noch Hoffnung, dass da politisch noch mal eine Kehrtwende stattfinden könnte?
Haumann: Ja, natürlich. Wir appellieren a) an die Ampel im Bund, aber auch an unsere Ministerpräsidentin Malu Dreyer, es ihrer Kollegin Manuela Schwesig in MeckPom nachzumachen, die Gastronomen nicht im Regen stehen zu lassen, sondern sich gemeinsam mit ihrer Parteikollegin auf dem Partewege einerseits, aber auf dem Mandatswege über den Bundesrat für die Fortführung der 7 % Mehrwertsteuer auf Speisen einzusetzen.
Dickhaus: Da stirbt also die Hoffnung zuletzt. Das sagt der Chef der DEHOGA Rheinland-Pfalz, Gereon Haumann. Vielen Dank für das Gespräch.

Haumann: Gerne.