Diskussion über Gender-Verbot im Abitur

Morgen wird es wieder ernst für rund 23.000 Schüler in Hessen, denn dann beginnen die schriftlichen Abiturprüfungen. Und nun wird die Aufregung an den Schulen noch größer, denn kurzerhand hat jetzt das Kultusministerium entschieden: Es darf dabei nicht mit einem Sternchen oder ähnlichem gegendert werden. Wer es trotzdem tut, soll Punktabzug bekommen.

Lehrer/-innen, Schüler*innen, Minister_innen, Pädagog:innen
Gendern mit Sonderzeichen – das ist bei den anstehenden Prüfungen fürs Abitur und den Haupt- und Realschulabschluss verboten. Erlaubt bleiben lediglich neutrale Formulierungen wie „Lernende“ oder „Schülerinnen und Schüler“. Das Gendern gilt als Rechtschreibfehler und führt zum Punktabzug.
So hat es der hessische Kultusminister Armin Schwarz jetzt nochmal klargestellt.
Armin Schwarz (CDU), Kultusminister Hessen
„Es geht bei Sprache darum, dass sie verständlich ist. Und wir haben natürlich ein Regelwerk der deutschen Sprache und das muss in der Schule unterrichtet werden, damit zum Schluss etwas Verständliches auch schriftlich dargelegt werden kann. Das dient der allgemeinen Verständlichkeit.“
Dirk Kretschmer ist Lehrer an einem Oberstufengymnasium in Frankfurt und ist bestürzt über diese Entscheidung. Die Verunsicherung unter Schülern und Lehrkräften sei groß.
Dirk Kretschmer, Gesamtpersonalrat Schule Frankfurt
„Also eine Frage ist zum Beispiel, ob diese Sonderzeichen einmal als Fehler zu werten sind und dann eben als Wiederholungsfehler und eben nicht negativ in die Bewertung eingehen oder ob jedes Sonderzeichen wieder erneut als Fehler zu werten ist, was natürlich zu einer massiven Verschlechterung führen würde, wenn jetzt eine Person im Abitur das konsequent durchziehen würde.“
Der Kultusminister kann die Aufregung nicht verstehen. Das sei keine neue Regelung – man kehre nur zu der bisherigen Rechtschreibnorm zurück. Lediglich in den Corona-Jahren mit vielen Unterrichtsausfällen habe es eine Ausnahme gegeben. Nun würde man sich wieder auf die Positionierung des Rats für deutsche Rechtschreibung berufen.
Scharfe Kritik gibt es dazu unter anderem von den Grünen in Hessen, die heute eine Sondersitzung des kultuspolitischen Ausschusses im Landtag ins Leben gerufen haben.
Julia Herz (Bündnis 90 / Grüne), Abgeordnete Landtag Hessen
„Der Rat der deutschen Rechtschreibung hat ausgesagt, dass es im Moment noch kein Bestandteil der Rechtschreibung ist. Auf der anderen Seite ist es aber dann die Frage, eine politische Haltung dazu zu entwickeln. Und wir kritisieren, dass das Gendern mit Sonderzeichen eben als notenrelevanter Fehler in den Abschlussprüfungen angesehen wird. Und sehen das als unnötig an.“
Als unnötig und als intolerant. Die Grünen sehen das Genderverbot auch rechtlich auf wackligen Beinen. Es könne die Abiturprüfungen anfechtbar machen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wünscht sich, dass das Kultusministerium keinen Ideologiekampf ums Gendern führt, sondern seine Prioritäten anders setzt.
Thilo Hartmann, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
„Das Gendern an sich an den Schulen ist nichts, was die Schulen tatsächlich momentan umtreibt. Wohl aber der Lehrkräftemangel, der Unterrichtsausfall, die schlechten PISA-Ergebnisse, die große Abhängigkeit des Schulerfolgs vom Einkommen der Eltern. Das sind die wichtigen Probleme. Das Gendern ist dabei doch zu vernachlässigen.“
Bis morgen werden sich die Regeln fürs Abitur aber nicht mehr ändern. Und so wird die Diskussion um Schrägstrich, Doppelpunkt und Gendersternchen in Hessen wohl noch weiter köcheln.