Die Steinmetzin vom Mainzer Dom

Wenn es an der Fassade bröckelt, Statuen verwittern, Wind und Wetter am Gemäuer anklopfen, ist sie zur Stelle: Jennifer Schrauth ist Steinmetzin, dafür verantwortlich, den Mainzer Dom in Schuss zu halten. Und: Als Frau eine der wenigen ihrer Art. Wir von 17:30 durften sie einen Tag lang begleiten.

Jennifer Schrauth, Meisterin im Steinmetz und Bildhauerhandwerk: „Dass die Leute immer nur denken ‚Stein ist hart und kalt‘. Aber man kann so tolle Dinge damit machen und draus machen und draus formen. Also für mich ist es immer noch ein Traumjob. Nach über 25 Jahren.“
Neues formen, Neues machen: Wie die Statue des Heiligen Martin, dem Patron des Bistums Mainz. Seit rund einhundert Jahren thront er auf dem Dach des Mainzer Doms, jetzt muss der Kopf erneuert werden. Denn die Witterung hat ihre Spuren hinterlassen. Mit einem 3-D-Drucker wird deshalb eine Schablone angefertigt. Jennifer Schrauth, Meisterin und Restauratorin im Steinmetz und Bildhauerhandwerk, markiert durch Punkte alle relevanten Stellen.
Jennifer Schrauth, Meisterin im Steinmetz und Bildhauerhandwerk: „Im Gesicht sieht man zum Beispiel sitzen mehr Punkte. Je mehr Punkte man setzt, desto genauer wird es. Weil der Abstand ja kleiner ist zwischen den Punkten. Und wo die Formen einfacher sind, muss man sich nicht so viele Punkte setzen. Aber das kriegt man irgendwann ins Gefühl.“
Mit einer Nadel wird jetzt bestimmt, wie tief ein jeweiliger Punkt auf der Schablone sitzt. Und der wird dann genau so auf den Block aus Sandstein übertragen und mit den anderen Markierungen verbunden. Aus einem regelrechten Punkte-Meer wird so eine neue Statue.
Jennifer Schrauth, Meisterin im Steinmetz und Bildhauerhandwerk: „Es gibt schon so Momente, wo man da sitzt und ist gar nicht zufrieden. Und dann macht man weiter. Und dann gibt es so Momente, wo man denkt ‚Ja, jetzt so bin ich zufrieden. Das passt.‘ Man kann ja auch nicht. Je mehr ich machen würde, irgendwann wäre ja nichts mehr da von dem Stein. Irgendwann muss man dann aufhören.“
Ein knappes Jahr wird es dauern, bis der neue Kopf fertig ist und auf der Statue befestigt werden kann. Ein Jahr, in dem sich Jennifer Schrauth aber nicht ausschließlich um den Martins-Kopf kümmert. Oft ist ihr Arbeitsplatz auch in 40 Metern Höhe – oben auf dem Dom und mit spektakulärer Aussicht. Dort gilt für sie und ihre fünf Kollegen im Steinmetz-Team: Restaurieren, was restauriert werden kann. Denn die Steine sind oft viele hundert Jahre alt und sollen bewahrt werden. Was allerdings Risse hat, muss erneuert werden.
Jennifer Schrauth, Meisterin im Steinmetz und Bildhauerhandwerk: „Es kann Feuchtigkeit eindringen. Grob gesagt Wasser und Regen. Und wenn es dann gefriert, wird das Wasser zu Eis, es dehnt sich aus und drückt dann den Riss auseinander. Man spricht da von Frostsprengung. Das heißt, der Stein wird da immer mehr auseinander gedrückt und irgendwann können sich Teile auch lösen und können runterfallen.“
Und: Ist das Gerüst erst einmal weg, die Arbeiten beendet, muss auch alles fest sitzen. Denn bis zu den nächsten Restaurierungsarbeiten werden zwischen 50 und einhundert Jahre vergehen. Für Jennifer Schrauth ist es ein Privileg, dass sie:
Jennifer Schrauth, Meisterin im Steinmetz und Bildhauerhandwerk: „Teil dieser über 1.000-jährigen Geschichte sein darf. Und auch meine Spuren an dem Dom hinterlassen darf. Also es wäre schön, wenn irgendwann meine Töchter mit ihren Kindern hier mal lang gehen und man kann sagen ‚Die Oma hat da oben den Engelskopf gemacht.‘ Oder so. Wobei es schon schön ist, wenn meine Töchter das sagen.“
Bis das Gerüst des Mainzer Doms aber abgenommen werden kann, wird es noch einige Monate dauern. Jede Menge Zeit also für die Steinmetzin Jennifer Schrauth, sich in dem Gemäuer zu verewigen.