Die FDP vor dem Dreikönigstreffen – Interview mit Volker Wissing

Am Wochenende wird es spannend für die FDP. Die Parteispitze reist zum traditionellen Dreikönigstreffen nach Stuttgart – in einer für die Liberalen harten Zeit. Und deshalb fragen wir heute schon: Quo vadis, FDP? Spätestens seit der Mitgliederbefragung zum möglichen Ausstieg aus der Ampelkoalition auf Bundesebene ist klar: Die Partei ist innerlich tief gespalten. Fast die Hälfte der befragten Parteimitglieder spricht sich dafür aus, das Regierungsbündnis lieber heute als morgen platzen zu lassen. Die FDP vor einer Zerreißprobe.

Christian Lindner ist zurzeit wirklich nicht zu beneiden: Als Bundesfinanzminister muss er eine Haushaltskrise meistern, wie es sie in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik so noch nicht gegeben hat. Und als FDP-Chef muss er irgendwie den Laden zusammenhalten.
Gut zwei Jahre nach dem Start der Berliner Ampelregierung ist von der anfänglichen Euphorie über die so genannten „Fortschrittskoalition“ nicht mehr allzu viel übrig. Mehr als 70 Prozent der Deutschen trauen der Ampel nicht einmal zu, überhaupt noch zwei weitere Jahre durchzuhalten. Dazu der tiefe Riss innerhalb der eigenen Partei: Mehr als 48 Prozent der FDP-Mitglieder fordern den sofortigen Ausstieg der Liberalen aus dem ungeliebten Regierungsbündnis – nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Partei empfinden viele die FDP als eine Art Fremdkörper in der rot-grün dominierten Bundesregierung. Wahlweise als nützliches Korrektiv oder als störende Opposition innerhalb der Regierung, die vor allem bei Klimaschutzprojekten immer wieder auf die Bremse tritt. Wie etwa beim Gebäudeenergiegesetz – oder auch bei der Frage nach dem Aus für den Verbrennermotor auf EU-Ebene.
Was also tun? Sich in wichtigen Fragen auf gemeinsame Lösungen mit SPD und Grünen verständigen, die vielleicht nicht ganz der liberalen DNA entsprechen – oder doch mehr FDP wagen?
Keiner der beiden Wege ist ohne Risiko. Platzt die Ampel, findet sich die FDP womöglich schneller als ihr lieb ist auf der Oppositionsbank wieder. Passt sie sich zu sehr den rot-grünen Gegebenheiten an, spielt die eigene Basis nicht mehr mit und die Wähler laufen davon.
Ein Spannungsfeld, das für die Liberalen bereits jetzt zur Belastung wird: Wäre am Sonntag Bundestagswahl, würde die FDP den aktuellen Umfragen zufolge an der 5-Prozent-Hürde scheitern und den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen. Auch in den Parlamenten in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wären die Freien Demokraten nach den Landtagswahlen im Herbst, Stand jetzt, nicht mehr vertreten. Etwas besser ist die Lage für die Liberalen bei uns in der Region: In Hessen ist der Partei gerade erst der Wiedereinzug in den Landtag gelungen. In Rheinland-Pfalz liegt die FDP laut Umfragen derzeit stabil bei etwa 5 Prozent – fragt sich nur, wie lange noch?
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Und bevor es morgen in Stuttgart ernst wird, hatte mein Kollege Michael Heide heute genau dort die Gelegenheit zu einem Interview mit dem Landesvorsitzenden der FDP in Rheinland-Pfalz – mit Volker Wissing, der auch Bundesverkehrsminister ist.
Michael Heide, Reporter: Die Ampelregierung in Berlin, die hat stark an Zustimmung verloren, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch zum Beispiel in den eigenen Reihen der FDP. Ja, ist denn diese Ampel überhaupt noch zu retten, Herr Wissing?
Volker Wissing (FDP), Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz: Wir haben eine stabile Regierung, die große Aufgaben zu meistern hat, und da ist es normal, dass diese Dinge auch kontrovers diskutiert werden. Am Ende ist es wichtig, dass die Regierung entscheidet. Das tut sie. Und deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das Jahr 2024 erfolgreich gestalten können.
Heide: Vor zwei Jahren, als der Koalitionsvertrag unterschrieben wurde, vor gut zwei Jahren ja inzwischen schon, da war die Welt noch eine ganz andere. Es gab den Krieg in der Ukraine nicht, es gab den Nahostkonflikt in dieser Form nicht, es gab das Problem mit dem Haushalt auch noch nicht. Ist der Koalitionspakt das Papier noch wert, auf dem er geschrieben steht, oder müsste der nicht eigentlich komplett neu ausverhandelt werden?
Wissing: Nein, wir haben einen sehr guten Koalitionsvertrag und arbeiten auf Grundlage dieses Vertrages auch konstruktiv zusammen. Aber natürlich haben wir unterschiedliche Positionen. Und gerade wenn solche Herausforderungen wie ein Krieg und all die Bewältigung der Pandemiefolgen gleichzeitig auf einen zukommen, dann ist das ein Stresstest für eine Regierung. Aber die Ampelregierung hat gezeigt, dass sie solche schwierigen Situationen auch meistern kann. Auch wenn wir uns Zeit nehmen für die Beratungen und die nicht immer einfach sind, stehen am Ende Lösungen. Und darauf kommt es an!
Heide: Stresstest führt aber auch dazu, dass ziemlich viele Leute zum Beispiel daran denken, die AfD zu wählen, jetzt gerade im Osten. Also je unzufriedener die Menschen mit der Regierung sind, desto höher die Zustimmungswerte bei der AfD. Wie gehen Sie denn damit um?
Wissing: Nun, der Populismus hat in schwierigen Zeiten immer leichtes Spiel. Aber es gibt keine einfachen Lösungen und die Versprechen der AfD sind leere Worthülsen. Klar ist, dass wir in ganz Europa sehen, dass wir ein Erstarken rechtspopulistischer Kräfte haben. Und dagegen müssen wir uns mit konstruktiver, guter und lösungsorientierter Regierungspolitik entgegenstemmen. Und das wird die Aufgabe sein, die im Jahr 2024 jetzt auf die Bundesregierung zukommt. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das gut machen werden.
Heide: Nochmal zur FDP selbst: Da hat die Mitgliederbefragung gerade gezeigt, dass fast die Hälfte der Mitglieder eigentlich mit der Ampel unzufrieden sind und lieber raus wollen. Wie schaffen Sie es denn jetzt, zumindest die eigene Mannschaft wieder auf die Reihe und auf Linie zu bringen?
Wissing: Und das tun wir morgen bei Dreikönig. Christian Lindner kann die Partei immer wieder begeistern, das ist seine Stärke und das ist auch gut so. Und die FDP wird gebraucht und zwar in Regierungsverantwortung. Viele wissen auch, was sie an der FDP haben. Die Bundesregierung würde einen anderen Kurs einschlagen, wäre die FDP nicht dabei. Und darauf setzen wir auch und halten Kurs.
Heide: Vielen Dank.