Der Hesse Omid Nouripour zum Grünen-Chef gewählt

Die Grünen im Bund haben seit dem Wochenende zwei neue Parteivorsitzende. Einer davon ist der Frankfurter Omid Nouripour, der uns gleich zugeschaltet ist. In den vergangenen Jahren hat sich der im Iran geborene Nouripour als Außenpolitiker einen Namen gemacht, nun muss er auch zusehen, dass in seiner Partei alles rund läuft. Denn gerade dort hat es trotz des besten Bundestagswahlergebnisses aller Zeiten zuletzt geknirscht.

Ein neuer Name an der Spitze der Grünen: Omid statt Robert. Gemeinsam mit der Parteilinken Ricarda Lang löst der Realo Omid Nouripour am Wochenende das bisherige Spitzenduo Robert Habeck und Annalena Baerbock ab.
Nouripour wurde 1978 in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren. Von dort floh seine Familie 13 Jahre später nach Frankfurt. Seit 1996 ist er Parteimitglied der Grünen. 2013 wurde er außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Als Bundesvorsitzender will er das Profil der Grünen schärfen und die Parteistrukturen an die rasant steigende Mitgliederzahl anpassen. In nur vier Jahren hat sie sich verdoppelt.
Trotz der jüngsten Wahlerfolge ist nicht alles eitel Sonnenschein bei den Grünen. Die Fehler im Bundestagswahlkampf will das neue Führungsduo aufarbeiten. Dazu belastet die Zahlung eines Corona-Bonus den ehemaligen Parteivorstand. Außenpolitisch gilt es, den Ukraine-Konflikt zu lösen. Angelegenheiten, bei denen Omid Nouripour jetzt nicht nur als Bundestagsabgeordneter ein Wort mitreden kann. Als Parteivorsitzender hat er die Chance, sich bundespolitisch einen Namen zu machen, so wie es sein Vorgänger fraglos geschafft hat.

 

Maike Dickhaus, Moderatorin: Der neue Bundesvorsitzende der Grünen ist ein Hesse und jetzt sprechen wir mit ihm. Herr Nouripour, Glückwunsch zur Wahl zum Bundesvorsitzenden Ihrer Partei.
Omid Nouripour, B’90 / Grüne, Co-Bundesvorsitzender: Herzlichen Dank!
Dickhaus: Wer bildet denn nun das Kraft-Zentrum der Partei? Die Regierungs-Mitglieder, die größer gewordene Fraktion oder die Partei-Führung?
Nouripour: Das Kraftteam ist jetzt fertig, ist komplett. Wir haben super Regierungsmitglieder, wir haben sehr starke Fraktionsvorsitzende und jetzt ist quasi die Jobvergabe fertig und jetzt ist der Parteivorstand gewählt und wir werden als Team agieren und wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind und eng miteinander uns abstimmen müssen, damit wir Erfolg haben in der Regierung und damit wir als Grüne auch weiterhin sichtbar.
Dickhaus: Sie wollen die erneuerbaren Energien, insbesondere die Windkraft und die Solarenergie massiv ausbauen, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Doch mit dem aktuellen Tempo wird das nicht klappen, oder?
Nouripour: Deshalb wird es deutlich schneller gehen müssen. Sie haben vielleicht gesehen, dass Robert Habeck Markus Söder besucht hat, um mit ihm über dieses Thema zu sprechen, über Bayern, einer, der Handbremse ist quasi in dieser Angelegenheit des Ausbaus der Erneuerbaren. Aber das ist ja nicht ein Gebot von Klimaschutz, es ist auch ein Gebot von Frieden. Denn wir sehen ja gerade, dass die Energiepreise explodieren.
Das hat sehr viel damit zu tun, dass Russland letztes Jahr ein Drittel weniger Gas geliefert hat. Und wir müssen von dieser Unabhängigkeit so schnell es geht runterkommen und gleichzeitig jetzt schnelle Maßnahmen ergreifen, um den Leuten, die jetzt unter Druck geraten, wegen dieser Energiepreise, auch unter die Arme zu greifen.
Dickhaus: Lassen Sie uns zu einem anderen Thema kommen. Sie sind seit einigen Jahren außenpolitischer Sprecher der Grünen. Der russische Präsident Putin droht der Ukraine mit einem Mammut-Aufgebot von Soldaten – Deutschland schickt zur Unterstützung der Ukraine 5.000 Helme. Kann man dies anders als peinlich nennen?
Nouripour: Ja, weil das nicht alles ist und weil sich merkwürdigerweise die Diskussion auf diese Helme kapriziert, aber verkennt, dass wir eine große und tiefe Sicherheitskooperation mit der Ukraine haben, dass beispielsweise Hunderte von versehrten Ukrainern, die verletzt worden sind in kriegerischen Auseinandersetzungen, auch in Deutschland behandelt wurden und werden, dass wir an der Seite der Ukraine stehen. Das gibt so einen merkwürdigen Ton in der ukrainischen Debatte, die auch was mit der Politik zu tun hat und mit der amerikanischen Innenpolitik.
Dass Deutschland ja wegen einer Pipeline und Gasversorgung und Gasabhängigkeit an Russland jetzt nicht an der Seite der Ukraine stehen würde, das ist schlicht nicht richtig. Und wir werden natürlich jede weitere Aggressionsstufe Russlands und jeden weiteren Regelbruch Russlands auch mit einem hohen Preisschild versehen. Da sind sich auch alle in der Regierung, egal welche Parteifarbe sie haben, ein.
Dickhaus: Außenministerin Annalena Baerbock lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab, setzt allein auf Gespräche. Lässt sich Putin so beeindrucken?
Nouripour: Das ist so nicht richtig. Sie sagt sehr klar und deutlich, dass es Dialog und Härte braucht. Der Dialogfaden darf nicht abreißen. Wir müssen alles dafür tun, damit es nicht zu einem Krieg kommt in Europa. Und gleichzeitig ist es notwendig, dass es klar ist, dass es ein Preisschild gibt. Ich bin sehr dankbar, dass sie so viel reist und man versucht, die Diplomatie jetzt in den Mittelpunkt zu schieben, und dass der Kanzler auch sehr viele Telefonate führt in dieser Angelegenheit und auch dafür, dass der Kanzler – Sozialdemokrat, die waren immer für die Pipeline Nord Stream, so wie wir dagegen waren – jetzt auch sehr klar und deutlich macht, dass im Falle eines Krieges auch die Ablehnung und die Beendigung dieses Projektes genauso auf dem Tisch ist wie vieles andere auch.
Dickhaus: Sie selbst haben Krieg in ihren Leben schon früh erlebt. Mit 13 Jahren sind sie aus dem Iran, das sich im Krieg mit dem Irak befand, nach Frankfurt am Main gezogen. Wie blicken Sie mit Ihrer persönlichen Erfahrung auf diesen Konflikt?
Nouripour: Ich habe ja die letzten Jahre Außen- und Sicherheitspolitik gemacht, ich war auch sehr viel in Kriegs- und Krisengebieten, in Afghanistan, in Mali und an anderen Orten. Ich glaube, das, wer Krieg schon mal erlebt hat ,weiß, wie hoch der Wert von Frieden ist und dass man alles dafür tun muss, damit diese Geißel der Menschheit, die kein Naturgesetz ist, sondern menschlicher Wille, nämlich Krieg einfach nicht kommt. Und das gilt jetzt auch in diesem Augenblick.
Ich bin ein großer Fan und Freund der Ukraine. Ich war dort im letzten Jahr oft. Ich bin im Übrigen auch ein großer Fan des Landes Russland. Es ist ein wahnsinnig schönes, großartiges Land mit tollen Leuten und wir müssen jetzt alles dafür tun, damit es nicht zu einem Krieg kommt. Das ist für niemanden gut. Und aus geostrategischen Gründen jetzt Menschen leiden zu lassen, ist keine Option.
Dickhaus: Viele Aufgaben und Probleme warten auf einen der beiden neuen Bundesvorsitzenden der Grünen, den Frankfurter Omid Nouripour. Vielen Dank, dass Sie sich unseren Fragen gestellt haben.
Nouripour: Danke Ihnen auch. Lassen Sie sich’s gut geht.