Das SAT.1-Sommerinterview mit Michael Frisch (AfD)

Der rheinland-pfälzische AfD-Fraktions- vorsitzende Michael Frisch stellt sich Eva Dieterles Fragen.

Eva Dieterle, Moderatorin: Herr Frisch, willkommen!
Michael Frisch, AfD, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz: Guten Tag, Frau Dieterle, und herzlichen Dank für die freundliche Einladung.
Dieterle: Bevor wir gleich mit dem Gespräch loslegen, schauen wir auf eine Veränderung, die es in Rheinland-Pfalz bei der AfD gegeben hat. Letztes Jahr waren Sie hier als Fraktions- und Landesvorsitzender bei uns. Jetzt sind Sie nur noch Fraktionsvorsitzender und wir schauen in einem kurzen Porträt, wie es dazu kam. I
Im Mai gibt Michael Frisch nach zweieinhalb Jahren den Parteivorsitz der rheinland-pfälzischen AfD ab. Aus eigenem Antrieb, wie er sagt, denn Partei- und Fraktionsvorsitz sollten seiner Meinung nach in verschiedenen Händen liegen. Neuer Parteichef wird Jan Bollinger. Als Fraktionschef bleibt der ehemalige Lehrer aus Trier im Amt. Er gilt als Anhänger von Jörg Meuthen, der zuerst als Bundesparteichef zurück- und dann aus der AfD austrat, der er totalitäre Anklänge vorwirft. Eine deutliche Schwächung für den gemäßigten Teil der Partei, zu dem auch Michael Frisch gezählt wird. Zuletzt zeigte sich Michael Frisch beunruhigt über die Entwicklung der Partei, die seiner Ansicht nach drohe, den Anschluss an die Mitte der Gesellschaft zu verlieren.
Dieterle: Herr Frisch, Sie sind beim letzten Parteitag Ende Mai nicht mehr zur Wiederwahl als Landesvorsitzender angetreten. Warum?
Frisch: Ich habe ja bereits 2019 gesagt, als ich der Partei in der damaligen personellen Notsituation, dem Ausfall eines Kandidaten aushelfen möchte, dass ich das aber nur für eine vorübergehende Zeit machen werde. Und deshalb habe ich mich jetzt nach zweieinhalb Jahren entschlossen, nicht mehr anzutreten. Und mit Dr. Bollinger haben wir jetzt einen starken Landesvorsitzenden, mit dem zusammen ich quasi Partei und Fraktion anführe, und ich glaube, dass wir damit noch schlagkräftiger sind als vorher.
Dieterle: Und könnte nicht ein Grund auch sein, dass Sie fürchten mussten, dass Sie gar keine Mehrheit mehr hinter sich versammeln weil Sie gelten ja als bürgerlich konservativ. Sie betonen das ja auch selbst immer wieder.
Frisch: Ich glaube, dass Dr. Bollinger für den gleichen bürgerlich konservativen Kurs steht wie ich. Wir haben in der Vergangenheit immer in dieser Richtung in der Partei gearbeitet, und von daher sehe ich da keinen Widerspruch.
Dieterle: Aber dass sie vielleicht keine Mehrheit hinter sich versammelt hätten, das war die Frage.
Frisch: Mehrheiten können aber aus verschiedenen Gründen entstehen. Das muss jetzt eben keine inhaltlich politische Entscheidung sein, sondern eben auch die Entscheidung für eine Doppelspitze, wenn man so will, in Partei und Fraktion. Und ich glaube, das war der Grund, warum die Landespartei sich so entschieden hat.
Dieterle: Es gibt Vermutungen, auch wenn Sie das gerade schon eingeschränkt haben, dass es mit dem neuen Landesvorsitzenden Jan Bollinger einen Rechtsruck auch in der rheinland-pfälzischen AfD gibt. Das weisen Sie von der Hand?
Frisch: Den wird es aus meiner Sicht definitiv nicht geben. Wir müssen natürlich jetzt abwarten, wie der neue Landesvorstand die politische Arbeit in den nächsten Monaten und Jahren gestaltet. Aber aus meinen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Dr. Bollinger sehe ich diese Gefahr in keiner Weise.
Dieterle: Das soll es erst mal zur rheinland-pfälzischen AfD gewesen sein, denn wir gucken jetzt natürlich auch noch auf die Bundespartei und da kommen wir an dem Bundesparteitag, an dem letzten, nicht vorbei. Und er hat für viele negative Schlagzeilen gesorgt.
Galoppierende Inflation, explodierende Energiepreise und eine scharfe Rezession, weil der Industrie das Gas fehlt: Gepaart mit rasch ansteigender Arbeitslosigkeit könnte dies eine Krisenmixtur ganz nach dem Geschmack der AfD sein – denn sie profitierte in der Vergangenheit oft von den konkreten wie auch diffusen Ängsten der Menschen. Doch die Zustimmungswerte der AfD sind im freien Fall! Und auf dem Parteitag wurde auch dem letzten klar, WER hinter den Kulissen die Fäden zieht: Der Thüringer Parteichef Björn Höcke. Die rechtsradikalen Kräfte geben nun zunehmend den Ton an in der AfD und verschieben die Partei konsequent weiter nach Rechtsaußen. Sie lehnten sogar eine Unvereinbarkeitsliste zu rechtsradikalen Organisationen ab. Und dies, obwohl der frischgewählte Vorstand mit Tino Chrupalla und Alice Weigel vor einem politischen „Selbstmord“ gewarnt hatte. Besser konnte man die neue Führung vor der Öffentlichkeit nicht vorführen.
Konservativ-bürgerliche Mitglieder fühlen sich hier zunehmend nicht mehr zuhause. Und jene Wähler, denen die CDU unter Merkel zu beliebig oder zu grün geworden war und die das Aufkommen der AfD zunächst begrüßt hatten: Sie könnten in der CDU unter Friedrich Merz wieder eine interessante Alternative zur Alternative für Deutschland finden.
Dieterle: Herr Frisch, fühlen Sie sich nach diesem Bundesparteitag in Ihrer Partei noch zu Hause?
Frisch: Natürlich fühle ich mich da noch zu Hause, sonst wäre ich nicht mehr in dieser Partei. Nichtsdestotrotz habe ich natürlich einige Entwicklungen auch mit Sorge gesehen. Wir haben jetzt einen neuen Bundesvorstand, in dem Teile meiner Partei nicht mehr ausreichend abgebildet sind. Ich habe das auch sehr deutlich kritisiert. Tino Chrupalla sprach davon, zusammenzuführen zu wollen, das ist aber in dieser Form nicht geschehen. Und wenn wir an Höcke sagt, der neue Bundesvorstand sei ganz nach seinem Geschmack, dann ist das etwas, was mich natürlich sehr nachdenklich stimmt. Ich hätte mir gewünscht, dass wir hier einen personellen Neuanfang auf dem Bundesparteitag hinbekommen. Das hat die Mehrheit jetzt anders entschieden. Inhaltlich, programmatisch, bin ich nach wie vor der Meinung, dass wir hervorragend aufgestellt sind. Und es wird jetzt die Aufgabe des neuen Bundesvorstands sein, das auch entsprechend auf den Weg zu bringen und zu zeigen, dass wir eine zukunftsfähige Partei sind.
Dieterle: Da war jetzt viel drin. Ich möchte ein paar Punkte noch mal einzeln besprechen. Es gab den amtierenden Parteichef Tino Chrupalla, der mit gerade mal 53% abgestraft worden ist. Anders kann man das ja nicht sagen. Das heißt, fast die Hälfte der Partei steht nicht hinter ihm. Da kann von Geschlossenheit ja keine Rede sein.
Frisch: Dem kann ich jetzt nicht ausdrücklich widersprechen. Es ist in der Tat nicht das Signal des Aufbruchs von diesem Parteitag ausgegangen, was sich viele erhofft hatten. Darüber müssen wir ernsthaft reden. Und aus meiner Sicht ist das Hauptproblem jetzt die Frage, wie wir uns strategisch aufstellen. Werden wir eine Fundamentalopposition betreiben, die uns immer weiter aus der Mitte der Gesellschaft wegführt an die Ränder? Ich bin ja davon überzeugt, dass es ein Irrweg ist, denn dort werden wir keine Chance haben, etwas politisch zu gestalten und dafür sind wir 2000 angetreten. Das ist auch der Grund, warum ich in der AfD bin, um dieses Land politisch zum Besseren zu verändern.
Dieterle: Wir hatten die Führungskrise, wir haben stundenlange Querelen erlebt auf dem Parteitag, den vorzeitigen Abbruch – und das alles in der Öffentlichkeit. Wie kann eine Partei, die sich so öffentlich zerlegt, denn handlungsfähig sein und am Ende auch regierungsfähig?
Frisch: Das ist eine berechtigte Frage. Und das ist natürlich ein Punkt, an dem wir intensiv arbeiten müssen. Die Wähler mögen es nicht, wenn eine Partei zerstritten ist. Dissens und Diskussionen gibt es auch in anderen Parteien, aber das öffentlich auszutragen, ist natürlich schädlich. Auf der anderen Seite ist es aus meiner Perspektive eben auch Abbild einer gewissen inneren Zerrissenheit, eben bezüglich dieser strategischen Grundfragen. Und die müssen wir jetzt zügig klären. Es gibt so viele Probleme im Land, die die Wähler veranlassen müssten eigentlich, uns ihre Stimme zu geben. Denn das sind Dinge wie Inflation, Energieknappheit, vor der wir schon seit Jahren warnen. Das geschieht im Moment nicht und da brauchen wir dringend einen Imagewandel, um wieder Vertrauen bei den Wählern zu bekommen.
Dieterle: Ein Imagewandel, der ja auf diesem Parteitag aber so in keinster Weise vollzogen worden ist.
Frisch: Das ist richtig und das habe ich auch in aller Deutlichkeit kritisiert. Wir müssen – und Marine Le Pen in Frankreich hat es vorgemacht – tatsächlich dafür sorgen, dass wir ein neues Image bei den Bürgern bekommen. Das ist möglich, weil wir, wie gesagt, ein hervorragendes Programm haben. Aber wir schaffen es nicht, zu kommunizieren, dass wir nicht nur viele Dinge kritisieren, dass wir gegen gewisse Entwicklungen stehen, sondern dass wir auch positive, konstruktive Lösungen anzubieten haben.
Dieterle: Sie haben Björn Höcke gerade schon angesprochen. Da will ich jetzt auch noch mal drauf eingehen. Viel Zustimmung hat es ja auf dem Parteitag für den rechtsextremen Thüringer AfD-Funktionär gegeben. Er ist auch der Mann, der mutmaßlich in zwei Jahren das Ruder übernehmen möchte, zumindest hat er sich ja schon mal den Weg zur Einzelspitze freigemacht. Dem Beschluss wurde zugestimmt. Das muss Ihnen doch kräftige Bauchschmerzen machen. Allerdings hat mir das Sorgen bereitet und bereitet mir nach wie vor Sorgen. Ich bin der Auffassung, dass Björn Höcke im Westen einfach nicht zu vermitteln ist. Ein Bundesvorsitzender Björn Höcke wäre für die AfD fatal. Ich fürchte, wir würden dann im Westen nicht mehr diese breite politische Basis haben, wie wir sie im Moment noch haben. Und nochmal: Ich glaube auch, dass sein strategischer Ansatz einer Fundamentalopposition zum Scheitern verurteilt ist. Wir sehen ja im Osten, dass selbst dort in Bundesländern wie Sachsen oder Thüringen, wo wir deutlich über 20% liegen, wir keinerlei Chance haben, irgendwie Einfluss auf die Politik zu nehmen. Und dafür sind wir doch angetreten. Und das ist auch das, wofür die Wähler uns ihre Stimme geben, dass wir in diesem Land etwas verändern. Das wird aber mit einem Bundesvorsitzenden Björn Höcke aus meiner Sicht definitiv nicht gelingen können.
Dieterle: Sie haben auch mal gesagt, Bundesvorsitzender Björn Höcke, das wäre für Sie eine rote Linie. Was heißt das? Parteiaustritt?
Frisch: Ich überlege mir natürlich sehr genau, wo ich mich politisch engagiere. Ich kann immer noch voller Überzeugung hinter den Zielen der AfD stehen, aber natürlich gibt es rote Linien. Und wie ich gerade beschrieben habe, wäre das in der Tat ein Grund, ernsthaft darüber nachzudenken, ob ich mein Engagement in der Partei fortsetze. Aber wir sind davon weit entfernt. Und ich kämpfe zusammen mit anderen dafür, dass es nicht so weit kommt. Wir haben etwas anzubieten für unsere Wähler. Wir füllen die Repräsentationslücke, die insbesondere seit dem Linksruck der Union unter Frau Merkel entstanden ist im Bereich der Mitte und der rechten Politik, die füllen wir. Das ist für eine Demokratie außerordentlich wichtig. Und deshalb darf das Projekt AfD nicht scheitern.
Dieterle: Sie haben gerade gesagt: „So weit sind wir noch lange nicht“, aber viele Beobachter sehen ja, dass Björn Höcke derjenige ist, der auch schon bei diesem Bundesparteitag im Hintergrund die Strippen zieht. Das reicht nicht für Sie, um Konsequenzen zu ziehen?
Frisch: Das reicht natürlich nicht, weil es mein Bestreben ist, eben aufgrund der Bedeutung dieses Projekts AfD gerade auch für unser Land weiterzukämpfen. Es ist jetzt nicht angesagt, hier irgendwo aufzugeben und die Dinge so hinzunehmen, sondern ich werde mich sehr stark dafür engagieren, dass die Partei auf einem guten Weg bleibt, bzw. wieder dorthin kommt.
Dieterle: Schauen wir auf eine weitere Szene des Bundesparteitags. In einem Interview wurde Alice Weidel gefragt, was für sie rechtsextrem sei und darauf antwortete sie: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, was rechtsextrem ist“. Herr Frisch, das ist Ihre Parteiführung. Das kann doch nicht die Antwort sein. Es sind ja Vorwürfe, mit denen Sie sich immer wieder konfrontiert sehen.
Frisch: Da müssen Sie Frau Weidel noch mal fragen, wie sie das gemeint hat. Es ist natürlich heute so, dass Linksextreme definieren, was rechtsextrem ist. Und wenn sie Positionen vertreten, wie den Erhalt der kulturellen Identität unserer Nation oder wenn sie gegen die Genderideologie sind, dann gelten sie ja heute als rechtsextrem. Ich kann das als intelligenter Mensch einfach nicht mehr ernst nehmen. Gleichwohl ist das eine große Gefahr, weil damit Meinungsfreiheit und Demokratie eingeschränkt werden und das möchte ich nicht.
Dieterle: Und wo ziehen Sie die Linie? Was ist für Sie dann rechtsextrem?
Frisch: Für mich beginnt Rechtsextremismus dort, wo es gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, also gegen unser demokratisches System gerichtet ist. Und da kann ich in meiner Partei nicht mal ansatzweise erkennen, dass es solche Bestrebungen gibt.
Dieterle: Okay. Aber immerhin haben Sie eine Antwort auf die Frage. Herr Frisch, wir lassen das an dieser Stelle so stehen, denn wir müssen noch auf ein weiteres ganz wichtiges Thema zu sprechen kommen und das ist der Krieg, den Russland seit einigen Monaten gegen die Ukraine führt.
Nach jahrzehntelangem Frieden gibt es wieder Krieg in Europa. Der Angriffskrieg, den Russland im Februar gegen die Ukraine beginnt, erschüttert die demokratischen Staaten weltweit. Und er stößt in Deutschland auch eine Debatte darüber an, wie gut wir eigentlich selbst gerüstet sind.
Die Bundesregierung einigt sich mit der CDU/CSU-Fraktion auf ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. 100 Milliarden Euro Schulden, die nach Bundeskanzler Olaf Scholz aber „die richtige Antwort auf die Zeitenwende“ seien.
Nach anfänglichem Zögern unterstützt Deutschland die Ukraine mittlerweile mit Waffen, liefert auch schweres Geschütz. Ein Fehler aus Sicht der AfD-Führung.
Tino Chrupalla, AfD, Bundesvorsitzender
„Wir verurteilen diesen Krieg von Russland an der Ukraine. Wir sagen aber auch, es ist nicht unser Krieg, wir dürfen uns nicht in diesen Krieg einmischen, denn sonst werden wir ganz schnell selbst zur Kriegspartei und das wollen wir nicht.“
Dieterle: Auch die Parteivorsitzende Alice Weidel sagt: „Keine Waffenlieferungen“. Ist das auch Ihre Meinung?
Frisch: Ich habe da persönlich eine differenzierte Meinung dazu. Die Ukraine steht in einem Verteidigungskrieg, um ihre nationale Souveränität, um ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit. Als Konservativer kann ich das nur unterstützen. Auch mit Blick auf die geostrategische Lage. Wenn die Ukraine fällt, dann werden als Nächstes die baltischen Staaten bedroht sein. Deshalb habe ich von Anfang an gesagt: Wir müssen auch über Waffenlieferungen nachdenken. Allerdings muss das dann so sein, dass es tatsächlich auch sinnvoll ist, es der Ukraine nützt und dass es die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes nicht schwächt. Da habe ich in der Tat erhebliche Zweifel, ob unsere abgewirtschaftete Bundeswehr überhaupt noch in der Lage ist, tatkräftige Unterstützung zu leisten.
Dieterle: Ihre Meinung wird ja aber anscheinend von der Bundesspitze nicht gehört. Alice Weidel hat ja gefordert, dass sich Russland mit der Ukraine an den Verhandlungstisch setzen soll. Jetzt hat Putin ja gezeigt, dass das mit ihm einfach nicht machbar ist. Lässt Ihre Partei mit dem Verzicht auf die Waffenlieferungen die Ukraine nicht im Stich?
Frisch: Es gibt ja vielfältige Möglichkeiten, die Ukraine zu unterstützen. Davon sind Waffenlieferungen die einen und im Übrigen darf ich daran erinnern, dass unsere Bundestagsfraktion grundsätzlich diesem 100-Milliarden-Projekt zugestimmt hat. Es ging da eher um formale Gründe mit dem Sondervermögen, weshalb man letzten Endes abgelehnt hat. Aber natürlich gehört dann eben auch eine militärische Unterstützung dazu. Denn allein mit Friedensverhandlungen können Sie einen Aggressor nicht stoppen. Und aus einer Position der militärischen Schwäche heraus Verhandlungen zu führen, würde letzten Endes in einer Kapitulation zu Ende gehen. Und das kann es nicht sein, weil, wenn die Ukraine, um das nochmal zu sagen, jetzt diesen Krieg verliert, dann wird das die Expansionsgelüste Putins weiter anfeuern. Und das kann nicht unser politisches Ziel sein.
Dieterle: Da haben Sie also eine andere Meinung. Die Preise sind explodiert für Energie, für Lebensmittel. Und ein Vorschlag von Ihnen ist es, die Mehrwertsteuer zu senken. Das bringt aber doch nur was, wenn die Händler das dann auch auf die Bürger weitergeben, und wir haben beim Tankrabatt gesehen, dass genau das eben nicht vollumfänglich passiert ist. Trotzdem wollen Sie das.
Frisch: Wir müssen unsere Bürger entlasten. Was im Moment passiert, dass man mit einzelnen Zuschusspaketen und Sonderzahlungen das sozial abfedert, was an Inflation auf unsere Bürger zukommt, ist grundsätzlich richtig. Aber wir müssen a) die Probleme lösen, die dahinter stehen, und wir müssen natürlich auch Möglichkeiten finden, die dann nicht zulasten der Steuerzahler und Mittelschicht gehen. Und deshalb haben wir gesagt: Der Staat muss mit Steuern und Abgaben runter. Das ist das, wo er etwas primär tun kann. Das gilt zum Beispiel auch für die Spritpreise. Da wissen wir ja, dass der höchste Anteil am Spritpreis letzten Endes dem Staat zugute kommt, der auf diesem Weg ein Profiteur der aktuellen Krise ist.
Dieterle: Wenn Sie aber zum Beispiel die Mehrwertsteuer senken, dann bedeutet das natürlich, dass der Staat Einnahmen in Milliardenhöhe verliert. Sind dann solide Staatsfinanzen nicht mehr so wichtig?
Frisch: Natürlich sind solide Staatsfinanzen wichtig. Auf der anderen Seite geben wir jetzt ja über diese Entlastungspakete auch Milliarden aus. Das heißt, wir reden hier nur über unterschiedliche Wege, wie man den Bürgern etwas zugutekommen lässt. Auf der anderen Seite muss man tatsächlich an die Ursachen der Probleme heran. Ich habe grundsätzlich eine Schwierigkeit damit, dass es heute so ist, die meisten Dinge, die irgendwo in der Politik Sorge bereiten, werden damit gelöst, dass man sehr viel Geld in die Hand nimmt, häufig Schulden finanziert zulasten kommender Generationen, man geht aber nicht an die eigentlichen Gründe heran, und die sind sehr vielfältig, gerade auch für die Inflation. Da kann man die Energiewende nennen, da kann man die EU-Euro-Rettungspolitik nennen, die EZB-Geldpolitik. Das alles sind Gründe, die müssten angegangen werden, weil wir können auf Dauer nicht über eine Verschuldung die Probleme lösen.
Dieterle: Dieser russische Angriffskrieg hat eines deutlich gemacht, und zwar, dass wir abhängig sind vom russischen Gas. Das hat natürlich die Energiedebatte ordentlich angeheizt und auch die Diskussion darüber, ob man Atomkraft in Zukunft braucht oder nicht. Was sagen Sie, wie ist Ihre Position? Die Atomkraftwerke, die wir jetzt noch haben, die drei, letzten weiterlaufen lassen?
Frisch: Absolut. Wir haben das ja schon seit langem gefordert. Wir haben auch immer wieder gesagt, dass man die Energiewende mit wetterabhängigen Energieformen in einem Industrieland in dieser Form nicht gestalten kann. Das ist, wenn überhaupt, ein langfristiger Prozess, der so wie er jetzt umgesetzt wurde, eben dazu geführt hat, dass wir abhängig sind von russischem Gas und natürlich müssen wir die Atomkraftwerke jetzt länger betreiben, alles andere wäre fahrlässig. Und ich bin, ehrlich gesagt, erschrocken darüber, dass die Grünen das als einzige mittlerweile noch blockieren und Teile der SPD. Das heißt, offensichtlich steht hier die eigene Ideologie höher als das Wohl der Bevölkerung.
Dieterle: Es gab natürlich Gründe für den Atomausstieg, zum Beispiel diese immer noch ungeklärte Frage: Was passiert mit dem Atommüll? Die ist ja auch nicht vom Tisch.
Frisch: Das mag sein, aber wir haben jetzt eine besondere Notsituation und es geht um eine kurzfristige Verlängerung, vielleicht um ein halbes oder ein Jahr der Laufzeiten der noch in Betrieb befindlichen Kraftwerke. Das muss jetzt Priorität haben. Wir können nicht unsere sicheren Kraftwerke abschalten und gleichzeitig unsere Menschen im Winter frieren lassen.
Dieterle :Klare Position der AfD dazu. Herr Frisch, wir sind quasi mit dem Interview schon durch. Wir haben aber zum Schluss in guter Tradition immer noch schnelle Fragen vorbereitet, auch ein bisschen persönlicher. Ich gebe Ihnen eine schnelle Frage und Sie mir eine spontane Antwort.
Werden Sie nach Ihrer politischen Karriere Mitglied der AfD bleiben?
Frisch: Das ist nicht meine Entscheidung. Das wird davon abhängen, wie die Partei sich in Zukunft entwickelt. Grundsätzlich gehe ich davon aus, ja, weil es braucht diese Alternative für Deutschland.
Dieterle: Aber dann ist es doch Ihre Entscheidung. Sind Sie es manchmal leid, sich für Ihre Partei rechtfertigen zu müssen?
Frisch: Ja.
Dieterle: Gelingt es Ihnen, immer, dabei gelassen zu bleiben?
Frisch: Das muss ich schon deshalb, weil es mir darum geht, die Dinge sachlich darzustellen, aber auch Kritik zu äußern, wo sie notwendig ist.
Dieterle: Wann werden Sie so richtig emotional?
Frisch: Wenn ich den Eindruck habe, dass es in Diskussionen und Debatten nicht mehr um Sachinhalte und Argumente geht, sondern einfach nur noch darum, den politischen Gegner zu diffamieren.
Dieterle: Wenn Sie die Beliebtheitswerte der Grünen sehen, dann …
Frisch: … kann ich nicht verstehen, wie die zustande kommen.
Dieterle: Wenn Sie an Kanzler Olaf Scholz denken, was kommt Ihnen da als erstes in den Sinn?
Frisch: Dass er manchmal Probleme mit seiner Erinnerung und seinem Gedächtnis hat?
Dieterle: Haben Sie schon mal bedauert, dass Sie nicht das ruhige Leben eines pensionierten Lehrers führen?
Frisch: Nein, grundsätzlich nicht, weil ich das als sehr spannend und auch irgendwo belebend finde, dass ich am Ende meiner beruflichen Laufbahn noch mal eine ganz andere Aufgabe angehen durfte.
Dieterle: Gibt es etwas aus Ihrer Schulzeit, das Sie vermissen?
Frisch: Ich habe immer sehr gerne mit meinen Schülern zusammengearbeitet. Und diese persönliche Beziehung, die vermisse ich tatsächlich.
Dieterle: Gibt es auch etwas, das an der Politik spannender ist als an der Mathematik?
Frisch: Die Mathematik ist ja nicht immer unbedingt spannend. Sie ist sehr klar strukturiert und liefert eindeutige Ergebnisse. Und das ist in der Politik sehr viel spannender, weil da muss man um die besten Lösungen ringen.
Dieterle: Ihre Heimatstadt Trier ist berühmt für Ihre römische Vergangenheit. Interessieren Sie sich dafür?
Frisch: Selbstverständlich. Bin dort aufgewachsen, als Kind schon mit den römischen Baudenkmälern regelmäßig konfrontiert gewesen. Ich bin stolz auf meine Heimatstadt, Trier.
Dieterle: Herr Frisch, das war das Schlusswort in unserem Sommerinterview. Vielen Dank, dass Sie sich heute hier den Fragen gestellt haben.
Frisch: Gerne. Ich bedanke mich ebenfalls.