Das Leben des „Asozialen“ Alfons Ims

Jedes Jahr am 27. Januar wird in Deutschland der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Morgen ist es wieder soweit. Das Datum erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Was viele nicht wissen: Auch von den Nazis als „asozial“ bezeichnete Menschen wurden gedemütigt und misshandelt und viele auch in KZs ermordet. Sie gelten lange als verleugnete Opfer des Nationalsozialismus. Erst langsam rücken auch sie in den Fokus der Aufarbeitung. Auch weil immer mehr Menschen an die Öffentlichkeit gehen. So wie Alfons Ims aus Kaiserslautern – er hat ein Buch über seine Familiengeschichte geschrieben.

Wir treffen Alfons Ims an dem Ort, an dem er 1949 in einer Holzbaracke auf die Welt gekommen ist. Im Kaiserslauterner Kalkofen. Nach den Vorstellungen der Nazis hätte er niemals geboren werden dürfen.
Alfons Ludwig Ims
„Nach den rassenhygienischen Vorstellungen der Nazis dürfte es mich eigentlich gar nicht geben. Weil ich eben den Volkskörper verunreinige.“
Alfons Ims Vater Heinrich war öfter arbeitslos und wurde von den Nazis als „moralisch minderwertig“ abgestempelt. Zusammen mit seiner Frau Anna hatte er sieben Kinder. Sie lebten hier auf dem Kalkofen, in großer Armut. Die Familie wurde von den Nazis verfolgt, als sogenannte „Asoziale“.
„Die Grundursache aller wiederholt festgestellten Mängel und Übelstände in der Familie kann nicht in häuslicher Not und Armut gesehen werden. Dieses sind Folgen und nicht Ursache. sind lediglich Ursache ist ausschließlich auf der Elternseite die moralische Minderwertigkeit.“
… so beschreibt das Jugendamt die Situation der Familien Ims.
1939 stecken die Nazis Teile der Baracken auf dem Kalkofen in Brand. Sie sahen wegen Familien wie der von Alfons Ims die sogenannte „erbgesunde Volksgemeinschaft“ in Gefahr.
„Die Nazis haben es sich es relativ einfach gemacht. Für sie waren soziale Probleme zum Teil eben erbbedingt. Das heißt, das ist die „asoziale Veranlagung“. Meine Familie wurde eben als Balast-Existenzen …, die liegen dem Staat auf der Tasche und schaffen nichts. Sie sind faul, sie sind arbeitsscheu. Sie stören oder schädigen dem Volkskörper. Und deshalb: Weg damit.“
Anna, die Frau seines Vaters, wird von den Nazis zwangssterilisiert. Die älteren Kinder werden in Heime gesteckt, gelten als angeborene Schwachsinnige. Als Anna stirbt, heiratet Heinrich Ims erneut, Alfons Mutter Ludwina. Ihrem Einsatz ist es wohl zu verdanken, dass drei ihrer Stiefkinder nicht in einer Tötungsanstalt gelandet sind.
In den Konzentrationslagern mussten die sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ schwarze, beziehungsweise grüne Winkel als Erkennungszeichen tragen. Als „Asoziale“ galten neben armen Menschen zum Beispiel Obdachlose und Wanderarbeiter – die Gruppe wurde von den Nazis willkürlich erweitert.
Als „Berufsverbrecher“ bezeichneten sie Menschen, die in ihrer Vorstellung „kriminelle Gene“ hatten. Wie viele von ihnen in Konzentrationslagern landeten ist nicht genau bekannt. Schätzungen gehen von rund 70.000 Menschen aus.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie lange nicht als Opfer anerkannt und erhielten deshalb auch keine Entschädigung. Und viele Überlebende und ihre Nachkommen schwiegen. Aus Scham. In der Gesellschaft galten die sogenannten „Asoziale“ und „Berufsverbecher“ oft als zu Recht verfolgt.
Erst 2020 stimmen alle Bundestagsfraktionen – außer die AfD – einem Antrag der Großen Koalition zu. Der entscheidende Satz des Antrages:
„Niemand wurde zu Recht in einem Konzentrationslager inhaftiert, gequält und ermordet.“
Ein großer Schritt, findet Alfons Ims. Doch er sagt auch: Seitdem sei zu wenig passiert.
Alfons Ludwig Ims
„Dieses berühmte „Nie wieder“ – für die Asozialen gilt das nicht, es gilt auch kein „Schon wieder“. Es gilt ein „Immer noch“. Ich sage immer gerne: Kalkofen oder Armut klebt an einem, das kriegt man nicht so leicht los.“
Doch Alfons Ims hat den Sprung raus aus der Armut geschafft, hat als einziger der Familie die Volksschule abgeschlossen und später noch Mathematik studiert. Der heute 72-Jährige ist überzeugt: Kein Mensch ist weniger Wert als der andere – darauf will er aufmerksam machen, darum hat er seine Familiengeschichte aufgeschrieben.