Das Interview zur Bundestagswahl – zu Gast: Thomas Hitschler (SPD)

Die Bundestagswahl in 17:30 Sat.1live. Heute zu Gast: Der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen SPD: Thomas Hitschler.

 

Eva Dieterle, Moderatorin: Herzlich Willkommen zu 17:30 Sat.1live. Heute wieder zu einer Sondersendung im Rahmen der Bundestagswahl. Doch beginnen wollen wir heute auf dem Nürburgring, denn dort hat vor wenigen Minuten der offizielle Staatsakt für die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz begonnen. Sieben Wochen ist es nun her, dass eine Flutwelle große Teile des Tals und andere Regionen im nördlichen Teil des Landes zerstört hat. Dazu hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Angehörigen der Toten und Vermissten, Verletzte, Geschädigte, Hilfskräfte sowie die Bürgermeister der über 250 betroffenen Orte eingeladen. Das Grußwort zu dieser Gedenkveranstaltung spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Das ist eine Katastrophe, die es in dieser Form in Rheinland-Pfalz noch nicht gegeben hat, die sich aber – und das muss man leider so klar sagen – auch wiederholen kann. Und da ist die Politik gefragt. Mein heutiger Gast ist Thomas Hitschler, der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen SPD. Herzlich willkommen!
Thomas Hitschler, Spitzenkandidat SPD Rheinland-Pfalz: Schönen guten Tag.
Eva Dieterle: Herr Hitschler. Sie hat die Flutkatastrophe auch bewegt. Was ist denn die wichtigste Lehre, die die Politik jetzt daraus ziehen muss? Was muss passieren, damit sich das so nicht noch mal wiederholt?
Thomas Hitschler: Ja, sie haben es gesagt. Das menschliche Leid, das dort tatsächlich nicht nur sichtbar war, sondern uns alle in der Politik sehr bewegt und berührt hat, zusammen mit den unglaublichen materiellen Verlusten, die die Menschen zu erleiden hatten. Da kann man, glaube ich, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir haben als Bund relativ schnell eine Soforthilfe gemeinsam mit dem Land auf den Weg gebracht, aber auch eine Wiederaufbauhilfe von über 30 Milliarden. Über was wir jetzt intensiv diskutieren, ist was müssen wir im Bereich des Katastrophen-schutzes verändern, damit vielleicht die Auswirkungen der nächsten Katastrophe nicht so schrecklich und so groß werden wie die der jetzigen. Wir werden uns um die Meldesysteme intensiv kümmern müssen. Wie erreichen Warnmeldungen die Bevölkerung früher und effektiver? Wir werden uns aber auch darum kümmern müssen, den Katastrophenschutz noch besser aufzustellen und noch effektiver zu machen. Da liegen viele Hausaufgaben vor uns. Wir hatten den rheinland-pfälzischen Innen-minister Roger Lewentz vergangene Woche im Innenausschuss des Deutschen Bundestages und haben mit ihm viel darüber diskutiert. Aber wie gesagt, da liegt noch viel vor uns.
Eva Dieterle: Das Ahrtal war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Sie haben das wichtige Stichwort  Katastrophenschutz gerade schon gesagt. Kann man den denn bei solchen Großlagen wirklich noch bei den Kommunen belassen? Auch in Zukunft?
Thomas Hitschler: Also die Aufgabe bei den Ländern und Kommunen erstmal zu belassen halte ich für vollkommen richtig. Wir als Bund kommen dann ins Spiel, wenn die Ausmaße größer werden und dann, wenn wir schnell reagieren und die Länder und Kommunen dabei unterstützen müssen, damit sie diese unglaublichen Katastrophen auch in den Griff bekommen.
Eva Dieterle: Aber hat man nicht gesehen, dass das dann zu spät sein kann, wie jetzt im Fall des Ahrtals?
Thomas Hitschler: Und genau das diskutieren wir. Wie können wir auch als Bund schneller reagieren? Wie können wir sogenannte Emergency-Response-Teams oder ähnliches auf den Weg bringen, um dort bei Führungen zu unterstützen, auch bei Koordinierung der vielen freiwilligen helfenden Hände, die es dort gab? Ich meine, das war ja auch mit das Beeindruckende,  wenn man sieht, wie viele Menschen sich bundesweit auf den Weg gemacht haben, um dort zu unterstützen. Wie viel Solidarität man auch gemerkt hat. Und da können wir, ich als Bund, auch die Länder künftig unterstützen.
Eva Dieterle: So viel an dieser Stelle zur Flutkatastrophe. Denn am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Deshalb wollen wir natürlich auch einen Blick in das SPD-Wahlprogramm werfen. Das tun wir jetzt und außerdem haben wir Sie auch im Wahlkampf begleitet.
Ein Mann, ein Grill und viel Würste. Pfälzer Bratwürste, das versteht sich von selbst. Eine Rote vom rheinland-pfälzischen SPD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Thomas Hitschler ist auf Wahlkampf-Tour in seiner Heimat, in der Südpfalz. – Grillen mit den Genossen, mit potentiellen Wählern, mit Menschen, die der 39-jährige seit seiner Kindheit kennt. 
Thomas Hitschler: Ja schon einige, ich würde nicht sagen jeden, aber ich kenne schon viele.
Sommeridylle am alten Schwimmbad in Klingenmünster. Ein Benefizgrillen zu Gunsten der Flutopfer im Ahrtal. Christian Engelmeyer von der freiwilligen Feuerwehr Klingenmünster war vor Ort, erzählt von seinem Einsatz. 
Thomas Hitschler hört zu, auch er war im Ahrtal, nach der Katastrophe. 
Knapp 3.300 Euro an Spenden kommen bei der Grillaktion zusammen. Der Zweck ist ein guter. Sich mit Helfern zu zeigen, ist auch gut fürs Politikerimage. Der Mann von der freiwilligen Feuerwehr sieht sich aber nicht als unfreiwilliger Wahlkampfhelfer. 
Christian Engelmayer, Freiwillige Feuerwehr Klingenmünster: „Grundsätzlich denke ich schon, dass man das Gespräch suchen muss, nur dann kann etwas besser werden.“
Was in Zukunft auf Bundesebene alles besser werden soll, das sagt die SPD in ihrem Wahlprogramm. So soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Dafür sollen Wind, Sonne und Wasserstoff saubere Energie liefern. Die Sozialdemokraten wollen die EEG-Umlage abschaffen und ganz auf eine CO-2-Steuer setzen. In den Städten wollen sie mehr Platz für Radfahrer, Busse und Bahnen schaffen und auf Autobahnen ein Tempolimit einführen. Im Wahlprogramm fordern die Genossen einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde, einen höheren Spitzensteuersatz und eine Vermögenssteuer. Die SPD will die Hartz-IV-Regeln durch ein Bürgergeld ersetzen und die Mieten begrenzen. Im Asylrecht fordert sie eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten.
Zurück in der Südpfalz. Thomas Hitschler diskutiert mit potentiellen Wählern. Und kann der Bundespolitiker überzeugen?
Thomas Schäfer, Landschaftsarchitekt: „Ja ich habe mich jetzt eine halbe Stunde mit ihm unterhalten und ich würde sagen, ja es klingt ganz gut, aber man soll es nicht überbewerten.“
Gerda Braun, Hausfrau: „Der ist richtig, ein richtiger Mann.
Lieselotte Juno, Rentnerin: „Er ist sehr nett und lieb und ansprechbar, er ist halt ein Pfälzer.“
Renate Schaller: „Durch die Steinstraße fahren ja so viele Autos, das man gar nicht schlafen kann.“
Anneliese Weiß, Rentnerin: Hoffentlich setzt er sich ein, dass mal endlich was passiert.
Die Damen aus Klingenmünster fordern eine Umgehungsstraße. Dafür soll sich Thomas Hitschler stark machen. – Ein Mann aus der Südpfalz, der zum dritten Mal in den deutschen Bundestag einziehen will. 
Eva Dieterle: Ja, wir sprechen jetzt über Themen, die sie dann auch beschäftigen werden und starten mit Corona. Wir sind im Jahr 2 der Pandemie. Können Sie denn versprechen, dass es im Herbst zumindest für die Geimpften und die Genesenen keinen weiteren Lockdown geben wird?
Thomas Hitschler: Ich schließe mich da Vizekanzler Olaf Scholz an, der in den letzten Tagen das sehr deutlich gemacht hat. Also Stand jetzt kein weiterer Lockdown.
Eva Dieterle: Okay, das sagen Sie ganz klar. In dieser Woche hat ja das neue Schuljahr begonnen. Und viele fragen sich jetzt auch, kann dieses Schuljahr denn voll und ganz im Präsenzunterricht stattfinden? Hat die Politik genug dafür getan?
Thomas Hitschler: Ich will erst mal Danke sagen und zwar den ganzen Lehrerinnen und Lehrern, aber auch den Eltern, die echt vieles ertragen haben in den letzten anderthalb bis zwei Jahren und wirklich Unglaubliches geleistet haben. Am Ende muss Schule der Ort sein, an dem Bildung stattfinden kann. Das ist eine Frage von Gerechtigkeit und auch was, was wir den Kindern eigentlich anbieten müssen. Die Schulen sind vorbereitet. Zumindest ist es das, was ich höre. Es gibt Hygienekonzepte. Wir haben als Bund ein Förderprogramm für Luftreinigungsgeräte auf den Weg gebracht und immer mehr der ab 12jährigen werden geimpft. Ich glaube mittlerweile sind es knapp 25 Prozent. Viele Lehrkräfte sind geimpft. Also die Vorbereitungen werden dort immer besser. Aber die Prämisse bleibt: Bildung muss in den Schulen stattfinden und wir als Politik müssen das möglich machen.
Eva Dieterle: Es gibt natürlich immer noch etliche Schulen und Klassenräume, die nicht mit den Luftfiltern ausgestattet sind. Da wurde die Zeit der Ferien ja nicht genutzt. Sind Sie der Meinung, die Politik hat genug getan, um Präsenzunterricht sicherzustellen?
Thomas Hitschler: Das ist natürlich erst mal Ländersache. Ich bin gar nicht sicher, ob man überhaupt sagen kann, dass man jemals genug tun kann als Politik in dieser Corona-Frage, weil wir auch viel gelernt haben im Zuge der letzten zwei Jahre. Ich glaube, wir haben ziemlich viel getan. Und der allerwichtigste Satz ist immer noch: Bildung muss in den Schulen stattfinden und wir werden weiterhin alles dafür tun, dass das auch genauso sein kann.
Eva Dieterle: Für eine ganze Generation an Schülern ist während des Lockdowns, während der Schulschließungen jede Menge Unterrichtsstoff verloren gegangen. Wenn Sie jetzt eine Mutter am Wahlkampfstand fragt: Wie soll mein Kind das alles nachholen? Was antworten Sie?
Thomas Hitschler: Indem wir erstens das, was ich vorher gesagt habe, durchsetzen. Nämlich dass es nicht mehr dazu kommt, dass wir Schulen schließen müssen.
Eva Dieterle: Ja, aber es geht um den schon verlorenen Unterrichtsstoff.
Thomas Hitschler: Und ich kann mir gut vorstellen – auch wenn Bildung Ländersache ist – dass wir als Bund weiterhin unterstützen, wenn es um Ferienbetreuung, um Nachholunterricht etc. anbelangt. Da gab es schon Vorschläge, da gab es auch schon Förderprogramme und wir dürfen uns als Bund auch nicht aus der Pflicht nehmen. Also am Ende hatten wir es geschafft, auch über die Corona-Zeit mehr Geld auch für digitale Bildung zur Verfügung zu stellen. Das darf jetzt nicht aufhören. Wir sind eine Solidargemeinschaft Bund und Länder und Kommunen zusammen.
Eva Dieterle: Herr Hitschler, Sie sind Innenexperte der SPD. Deshalb möchte ich jetzt noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen – und zwar die Afghanistan-Krise. Inzwischen steht fest, dass deutsche Soldaten  insgesamt 5347 Menschen ausgeflogen haben. Jedoch waren darunter gerade mal 190 Ortskräfte. Zehntausende von ihnen in Afghanistan hat SPD-Außenminister Heiko Maas noch Rettung versprochen – wie soll das gelingen?
Thomas Hitschler: Also erstens nach meinem Kenntnisstand haben viele andere Länder auch deutsche Ortskräfte mit ausgeflogen und es wird jetzt die nächsten Tage und Wochen zeigen: Wo sind die? Wie kriegen wir die auch nach Deutschland und wie kontrollieren wir genau, wer das ist, wo die herkommen und am Ende auch: Wo bringen wir sie unter? Für die restlichen Ortskräfte, aber auch zum Teil deutsche Staatsbürger und Staatsbürger, die noch in Afghanistan sind, verhandelt Heiko Maas und verhandelt die  Bundesregierung gerade. Versucht sichere Ausreisewege zur Verfügung zu stellen. Aber ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass das alles gar nicht einfach ist. Die Taliban regieren wieder in Afghanistan und dass die Taliban kein leichter Verhandlungspartner sind – ich glaube, das ist eine Binse. Das braucht man nicht zu unterstreichen.
Eva Dieterle: Sie haben gerade gesagt, die restlichen. Wir sprechen da aber immer noch von Zehntausenden, die in Afghanistan vor Ort sind. Aber schauen wir mal auf die, die nach Deutschland gekommen sind. Denn von über 4.000 wissen wir über die Identität bislang rein gar nichts. Beunruhigt Sie das nicht?
Thomas Hitschler: Es gibt ein relativ klares Verfahren, das begonnen hat in Kabul. Das hat die Bundeswehr dort begonnen und es ging bei der Einreise über Taschkent und nach Deutschland weiter. Dort hat die Bundespolizei gemeinsam mit dem BAMF Identitätsfeststellung vorgenommen und auch genau geschaut: Wer ist das? Meine Erwartung, aber auch meine Hoffnung in das Bundesinnenministerium und die Polizei, die dort beteiligt sind, ist dass sie das genau kontrollieren  und dafür Sorge tragen, dass sichergestellt ist, dass wir wissen: Wer kommt nach Deutschland, wo bringen wir die hin und wie gehen wir mit den Ankommenden um
Eva Dieterle: Unabhängig von den Ortskräfte und den Familienangehörigen, die mitgekommen sind. Wenn Sie sagen, es wurde so genau erfasst, wer sind denn dann die über 4.000 anderen?
Thomas Hitschler: Wir haben gemeinsam mit vielen anderen Nationen diese Aus- und Evakuierungsflüge aus Kabul organisiert. Und mein Kenntnisstand ist, dass wir relativ viele auch von anderen Nationen mitgenommen haben. Das zu erfassen ist jetzt Aufgabe der Behörden. Wir als Politik werden genau darauf schauen, dass sie diese Aufgabe wahrnehmen. Ich werde mich als Mitglied im Innenausschuss, aber auch als Mitglied des zuständigen Gremiums für die Geheim- und Nachrichtendienste stark dafür einsetzen, dass es dort keine Probleme und Schwierigkeiten gibt.
Eva Dieterle: 70 Prozent der Deutschen befürchten eine neue Einwanderungswelle nach dem Fall Kabuls. Was tut die SPD dafür, dass sich 2015 mit seiner unkontrollierten Einwanderung nicht wiederholt?
Thomas Hitschler: Aufnahmeländer um Afghanistan herum stärken. Das ist auch eine der Missionen, für die Heiko Maas gerade unterwegs ist. Olaf Scholz selbst hat das auch gefordert, ins Spiel gebracht. Ich glaube, es war einer der Fehler der Vergangenheit, dass wir rund um den syrischen Bürgerkrieg nicht schnell dafür gesorgt haben, dass die Länder drum herum, Libanon, Irak etc. in die Lage versetzt wurden, Menschen aufzunehmen. Jetzt verhandeln wir mit Usbekistan und auch mit anderen Ländern. Dass Menschen dort auch eine Bleibeperspektive haben, zumindest über die Zeit der Unsicherheit in Afghanistan.
Eva Dieterle: Sie verhandeln. Das heißt?
Thomas Hitschler: Naja, es ist natürlich etwas, was über Geld funktioniert. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen ist am Ende die Organisation, die das vor Ort ausführt, die dafür sorgt, dass Menschen dort untergebracht sind, Nahrung bekommen, medizinische Versorgung, hoffentlich auch Schulbildung und Perspektive. Und das sind unsere Ansprechpartner gemeinsam mit den Ländern drum herum.
Eva Dieterle: In ihrem Wahlprogramm fordert die SPD ja auch einen solidarischen Verteilungsmechanismus der Flüchtlinge über die EU. Jetzt gibt es ja Länder wie Dänemark und Österreich, die da einfach nicht mitmachen. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Sorgen Sie mit Ihrer Forderung dann nicht dafür, dass wir quasi in Deutschland mit den Flüchtlingen alleine dastehen? Wollen Sie das?
Thomas Hitschler: Ich habe große Hoffnung, dass der nächste Bundesinnenminister, die nächste Bundesinnenministerin das hinbekommt, was Horst Seehofer leider nicht geschafft hat, nämlich auf europäischer Ebene ein besseres und ein solidarisches System zu implementieren und hinzubekommen. Ich will Europa nicht aufgeben in der Frage und ich will Europa auch nicht aus der Verpflichtung und Verantwortung nehmen. Die Nationalstaaten können das nicht allein lösen. Wir können auch Italien, Griechenland etc. nicht allein lassen. Ich habe da Hoffnung und mehr als das:   Ich glaube, die nächste Bundesregierung wird es hinbekommen.
Eva Dieterle: Aber wenn die anderen Staaten doch schlicht nicht mitmachen?
Thomas Hitschler: Es gibt viele Staaten, die mitmachen würden. Und das war auch der Stand der Verhandlungen, als Innenminister Horst Seehofer das begonnen hat. Und da müssen wir dranbleiben und weitermachen.
Eva Dieterle: Schließen Sie eine Position aus, die sagt, dann muss Deutschland mit gutem Beispiel vorankommen? Wäre das nicht Wasser auf die Mühlen der AfD?
Thomas Hitschler: Mir ist die AfD in der Frage ziemlich wurscht, sondern wir haben zwei Grundsätze: Der erste ist der Grundsatz für Asyl, also dass wir Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, auch unterstützen. Und am besten machen wir das solidarisch, indem wir mit Ländern wie Frankreich, aber auch mit Italien, Spanien, Benelux etc. verhandeln und schauen, dass wir ein System hinbekommen, das funktioniert.
Eva Dieterle: Da muss also viel verhandelt werden. Das haben wir, glaube ich, jetzt in diesem Block gemerkt. Wir lassen das an dieser Stelle so stehen, auch wenn wir das mit Sicherheit noch vertiefen könnten. Denn wir wollen natürlich auch noch auf die Lage der SPD zu sprechen kommen. Und da tut sich ja gerade auf den Umfragebarometern bei der SPD ziemlich viel.
 
Rheinland-Pfälzische Sozialdemokraten sind bei Landtagswahlen ja glorreiche Aufholjagten ihrer Partei gewohnt: Schließlich holte Malu Dreyer bei den letzten zwei Wahlen jeweils den Sieg im Endspurt. Und  hängte die CDU auf den letzten Metern ab.
Ganz anders im Bund: Da führte die SPD in den vielen Jahren der Großen Koalition eher ein Dasein im Schatten der Union. Obwohl die Genossen viele ihrer politischen Herzensprojekte auch umsetzten – diese Erfolge landeten stets auf dem Konto der Union. Nach der letzten Wahl gingen die Sozialdemokraten deshalb nur noch unter körperlichen Schmerzen in eine weitere Koalition mit CDU und CSU – eigentlich wollten sie sich in der Opposition regenerieren.
Erst mit dem sich abzeichnenden Ende der Ära Merkel keimte Hoffnung bei den Genossen. Und: Sie verstanden es, ihren Kandidaten Olaf Scholz groß zu machen – und die Partei klein. Fast wirkt Scholz wie der richtige Kanzlerkandidat in der falschen Partei.
Was wählt der Wähler, wenn er denn SPD wählt? Das ist die spannende Frage: Den eher bürgerlichen Sozialdemokraten Olaf Scholz? Oder die deutlich links positionierte SPD einer Saskia Esken oder eines Kevin Kühnert?  Letzteren darf man jedenfalls zutrauen, einer Koalition auch mit der Partei Die Linke nicht völlig abgeneigt zu sein. Ausgeschlossen wurde sie bis heute nicht. Am liebsten sprechen Genossen gar nicht erst über Koalitionen. Auch nicht über ihre SPD. Sondern nur über den Kanzlerkandidaten, der ja bald Kanzler werden könnte: Olaf Scholz.
Eva Dieterle: Herr Hitschler, können Sie uns erklären, warum es kein klares Nein der SPD zu einer Koalition mit der Linkspartei gibt?
Thomas Hitschler: Weil uns diese Ausschließeritis, glaube ich, in der Vergangenheit nicht unbedingt nach vorne gebracht hat. Erinnern Sie sich an die letzten Bundestagswahlen? Da hieß es dann immer: Wir schließen eine GroKo aus. Rot-Grün ist gar nicht möglich. Eine Ampel wissen wir nicht so ganz genau.  Am Ende ist der Maßstab das Inhaltliche, was man erreichen kann. Und wenn ich es daran messe, dann finde ich es immer schon ganz spannend, dass die Union, die CDU jetzt ihre letzte Patrone so früh verschießt und diese Rote-Socken-Kampagne beginnt. Fakt ist: Die Beschlüsse der Linken und das politische Handeln der Linken bringen mich nicht unbedingt dazu zu sagen: Wir haben viele inhaltliche Schnittmengen und wir könnten mit denen eine Koalition bilden.
Eva Dieterle: Dann könnte man es ja auch ausschließen.
Thomas Hitschler:  Ich schließe das für mich aus.
Eva Dieterle: Sie schließen das für sich aus, aber nicht für die SPD.
Thomas Hitschler: Ich stehe hier als Kandidat für Rheinland-Pfalz und für die südpfälzische SPD und ich kann Ihnen sagen: Ich sehe nicht genug  inhaltliche Schnittmengen mit den Linken aktuell.
Eva Dieterle: Warum tut sich die gesamte SPD damit so schwer, wenn wir zum Beispiel mal auf die CDU gucken: Die sagen ganz klar: Mit einer AfD gibt es bei uns keine Koalition. Warum macht die SPD das dann am anderen Ende des Parteienspektrums nicht genauso?
Thomas Hitschler: Weil wir unsere Koalitionsaussagen an Inhalten messen. Und ich glaube, so könnte man auch mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber diskutieren. Es geht darum, was wollen die Parteien mit ihren Persönlichkeiten am Ende für das Land erreichen? Und das sind die inhaltlichen Schnittmengen. Ich sehe die größten der SPD mit den Grünen zusammen. Ich glaube, da lässt sich viel erreichen – in Sachen Energiewende, Klimaschutz, aber auch soziale Gerechtigkeit. Ich kann mir vorstellen, dass das Modell, das wir in Rheinland-Pfalz sehr erfolgreich praktizieren, nämlich wenn ein dritter Partner notwendig ist, die FDP mit dazu zu nehmen – dass das ein Modell für Deutschland sein kann.
Eva Dieterle: Schauen wir noch mal rein auf die SPD: Wessen Politik bekommt der Wähler denn –  klang gerade im Beitrag schon mal an – die von Olaf Scholz oder doch die des deutlich linkeren Flügels in der Partei?
Thomas Hitschler: Wir haben ein Regierungsprogramm. Das Regierungsprogramm ist entstanden
 aus vielen Diskussionen und Gesprächen innerhalb der SPD, übrigens aus allen Flügeln der SPD. Und es sagt das, was Sozialdemokratie ausmacht. Wir sind eine breite Partei, die von der Mitte bis nach links geht. Olaf Scholz repräsentiert einen sehr, sehr großen Teil dieser Partei. Aber ich erlebe, dass die Führungsmannschaft als Team agiert: Lars Klingbeil, Rolf Mützenich, Olaf Scholz, Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken. Die machen das nicht erst seit kurzem, sondern auch seit einer gewissen Weile innerhalb dieser Koalition, haben dort bewiesen, dass Regieren so exzellent möglich ist. Und das ist auch das, was ich von der Zukunft erwartet.
Eva Dieterle: Aber Herr Hitschler: Am Ende entscheidet doch die Partei, welcher Kurs gegangen wird. Die Parteivorsitzenden sind ja nicht irgendwelche Marionetten, die nichts zu sagen haben.
Thomas Hitschler: Nein, aber die SPD ist eine pluralistische Partei und am Ende werden unsere Beschlüsse auch auf Parteitagen gefasst und von der Mehrheit von Delegierten. Genauso war es in der Vergangenheit. Und wenn Sie sich unser Regierungsprogramm anschauen, dann spiegelt es genau das wider. Ich erwarte, dass dieses gute Team, das sich da gefunden hat, auch Deutschlands Zukunft bestimmt und am Ende eine Koalition anführt.
Eva Dieterle: Am 26. September wissen wir mehr, dann wird gewählt in Deutschland. Vielen Dank, dass Sie heute zu den Fragen bei mir im Studio waren.
Thomas Hitschler: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.