Das Interview zur Bundestagswahl – Zu Gast Helge Braun (CDU)

24 Tage bis zur Bundestagswahl. Heute schauen wir ins Wahlprogramm der Union. In Umfragen erlebt die CDU/CSU gerade ein Desaster. Schlimmer geht immer, so ist der Eindruck. Rückt eine unionsgeführte Regierungsbildung in weite Ferne? Darüber, über Afghanistan und Corona reden wir mit unserem Gast Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramtes und Spitzenkandidat der CDU in Hessen.

Opener: „Die Bundestagswahl in 17:30 Sat.1 live. Heute zu Gast der Spitzenkandidat der hessischen CDU, Helge Braun.“
Markus Appelmann, Moderator: „Schön, dass Sie dabei sind. Hier ist eine Spezial-Ausgabe von 17:30 Sat.1 live zur Bundestagswahl. Wenige Wochen vor der Wahl ist die Union dem Kanzleramt so fern wie lange nicht mehr. Das kann unserem heutigen Gast nicht so richtig schmecken. Er ist der Chef des Kanzleramtes. Helge Braun, Herzlich willkommen!“
Helge Braun, CDU, Spitzenkandidat der CDU Hessen für die Bundestagwahl 2021: „Ja, vielen Dank. Herzlich willkommen auch von meiner Seite.“
Appelmann: „Herr Braun, wir wollen mit Ihnen als oberster Corona-Manager der Republik sprechen, denn Deutschland ist in der vierten Welle angekommen. Und trotzdem finden so langsam wieder Veranstaltungen statt, wie zum Beispiel das deutsche Filmfestival in Ludwigshafen. Die Regeln sind aber scharf.
Beitrag 1:
„Endlich wieder von Leinwand zu Leinwand schlendern, Festival Luft schnuppern und den Stars des deutschen Films begegnen. Mehr als 1100 Besucher tummeln sich gestern Abend bei der Eröffnung auf der Ludwigshafener Park-Insel. Dass das Festival in diesem Rahmen überhaupt stattfinden kann, verdanken die Veranstalter eine Ausnahmegenehmigung des zuständigen Gesundheitsamtes. Die Auflagen: Nur vollständig Geimpfte und Genesene dürfen aufs Festivalgelände. Ein negatives Testergebnis reicht nicht.
Michael Kötz, Intendant Festival des deutschen Films: „Es ist einfach eine Notwendigkeit. Anders hätte die Stadt Ludwigshafen das nicht gemacht. Die sind halt sehr vorsichtig, vorsichtiger wie andere. Das muss man akzeptieren. Und ich bin froh, dass wir auf diese Weise wenigstens einige Tausend aufs Gelände lassen können. Das ist ja schon mal was.“
Ausgenommen von der Regelung sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Für die zuletzt genannte Gruppe ist ein amtlicher Nachweis und ein aktueller Test erforderlich. Gleiches gilt für Besucher zwischen 15 und 18 Jahren.
Festivalbesucher:
„Für eine relativ große Veranstaltung wie hier geht die Sicherheit vor. Dann finde ich die Sache nämlich ganz in Ordnung.“
„Und ich habe dann immer etwas Bauchweh, wenn ich weiß, es sind so und so viel Ungeimpfte neben mir. Und so fühle ich mich dann heute Abend wirklich gut aufgehoben.“
„Für mich wäre auch 3 G okay gewesen, dann hätte vielleicht der eine oder andere, der es sich noch nicht impfen konnte, auch noch Zutritt gehabt.“
Aktuell sind 61,1 Prozent der Rheinland-Pfälzer vollständig geimpft. Das entspricht in etwa dem Bundesdurchschnitt. Hessen liegt mit 59,7 Prozent knapp darunter. Die Impfquote steigt nur noch langsam. Die Kampagne gerät mehr und mehr ins Stocken. Das weiß das Virus zu nutzen. Seit Wochen nimmt die Zahl der Corona-Neuinfektionen zu. Heute liegt die 7 Tage Inzidenz in Hessen bei 95,2, in Rheinland-Pfalz bei 82,9..Auf das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen.haben diese Werte erst mal keine Auswirkung. Hier dürfen die Filmfans in den kommenden zweieinhalb Wochen feiern, schlemmen und das Schauspiel auf der Leinwand genießen, vorausgesetzt, sie sind geimpft oder genesen.
Appelmann: „Tja, Einlass nur für Geimpfte und Genesene. Ist das die politische Marschrichtung für diesen Herbst? Also den Druck auf Nichtgeimpfte zu steigern, damit die Impfquote auch steigt?“
Braun: „Na, im Kern geht es nicht darum, Druck auf Ungeimpfte zu machen, sondern die Grundsatzentscheidung, sich nicht impfen zu lassen, trifft schon jeder selbst. Aber wir sind eben in einem Dilemma, nämlich wer nicht sich nicht impfen lässt, der steht weiter in der Pandemie. Und so wie wir im vergangenen Jahr, als niemand geimpft war, alle Beschränkungen hinnehmen mussten, gilt das jetzt eben weiterhin für diejenigen, die sich nicht impfen lassen möchten, weil die können sich weiter anstecken.“
Appelmann: „Wenn man so eine Veranstaltung unter geimpft und genesen unter 2G macht…“
Braun: „Ja, aber es gibt eben ein hohes Schutzgott, dass ist einmal die, die als wirklich als entscheidender Wert die Überlastung des Gesundheitswesens, die wir nicht erreichen dürfen. Und wenn, wie Sie gerade im Film gezeigt haben, etwa 40 Prozent der Gesamtbevölkerung aus unterschiedlichen Gründen noch nicht geimpft sind, dann kann die vierte Welle im Herbst noch eine sehr große Größe annehmen. Und dann gibt es eben wieder viele Menschen im Krankenhaus, planbare OPs, auch von Geimpften, müssen abgesagt werden, weil eben zu viele auch schwer erkranken. Und deshalb haben wir gesagt: Wenn die Hospitalisierungsrate, die wir jetzt neu ins Gesetz schreiben, als maßgeblichen Wert, wenn die zu stark steigt, dann müssen Ungeimpfte auch eben damit rechnen, dass sie an dem einen oder anderen nicht teilnehmen können.
Appelmann: „Aber können sie Geimpften und Genesenen wenigstens zusagen, dass sie keinen Lockdown mehr zu befürchten haben?“
Braun: „Ja, definitiv. Solange wir es mit der Delta-Variante zu tun haben, die zwar sehr ansteckend ist, aber Gott sei Dank, unsere Impfstoffe wirken hier sehr gut. Das heißt, der Schutz für mich, wenn ich mich impfen lasse, dafür, dass ich mich mit Delta nicht anstecken ist sehr gut. Und in den ganz seltenen Fällen, wo das trotzdem geschieht, ist aber wenigstens der Schutz vor einer sehr, sehr schweren Erkrankung noch mal zusätzlich gegeben. Und deshalb.sagt auch das Robert-Koch-Institut: Geimpfte und Genesene nehmen an der Epidemie im Wesentlichen nicht mehr teil und deshalb können sie auf dieses Festival gehen und auch ansonsten weitgehende Freiheiten genießen. Da gelten nur noch die Basis-Maßnahmen wie zum Beispiel das Maskentragen im öffentlichen Personennahverkehr.
Appelmann: „Bei der Impfquote räumt das RKI eine so wörtlich „gewisse Unsicherheit“ ein. Die tatsächliche Impfquote soll deutlich höher liegen. Warum lässt sich die Bundesregierung von einer eigenen Behörde so was denn bieten? Denn diese Impfquote ist ja dafür zuständig, dass wir auch am Ende wieder ein normales Leben bekommen. Also müssen wir doch da auch genaue Zahlen haben?“
Braun: „Naja, es war zunächst so, dass wir gesagt haben, es gibt kein zentrales Impfregister. Das war auch allen wichtig, dass wir sozusagen nicht als Staat überwachen, wer sich impfen lässt und wer nicht. Insofern gibt es Statistiken und auch die Hausärzte haben großen Wert darauf gelegt, dass es nicht so bürokratisch zugeht.“
Appelmann: „Geht der Datenschutz da wieder vor?“
Braun: „Ich glaube aber, das ist der zweite Teil, dass wir am Ende, ob wir zur Normalität übergehen, das müssen wir nicht an einer starren Quote festmachen, sondern das sehen wir einfach daran, dass jetzt im Herbst, wenn sich noch weitere impfen lassen und ansonsten auch durch die Infektionen, die es noch gibt, weitere Genesene hinzukommen, dann werden wir diesen Punkt erreichen, von dem ich gesprochen habe, nämlich dass es so viele Menschen in der Gesellschaft gibt, die eine Immunität haben, dass dann das Virus quasi gar keinen mehr findet, den es anstecken kann oder so wenige findet das jedenfalls, dass die Infektionzahlen runtergehen und deshalb der Maßstab für die Rückkehr zur Normalität ist, sinkende Infektionszahlen, eine geringe Belastung in den Krankenhäusern.“
Appelmann: „Abschließende kurze Frage dazu: Was muss eigentlich passieren, dass Sie sagen, die Pandemie ist vorbei, wir können jetzt zur Normalität auch ohne Maske zurückkehren?“
Braun: „Das ist quasi werden wir sehen, wenn wir immer mehr Leute immun sind, dann reichen immer weniger Maßnahmen aus, um die Zahlen zu stabilisieren.und irgendwann gehen die runter.. Wir sehen das ja zum Beispiel bei der Grippe auch, dadurch dass eigentlich die ganze Gesellschaft eine gewisse Grundimmunität gegen Grippe hat, tritt die sporadisch auf, nicht mehr in Wellen. und wenn wir merken, bei einem zunehmend normalen Verhalten tritt kein Welleffekt mehr auf, dann sind wir durch die Pandemie durch.“
Appelmann: „Herr Braun, an diesem Punkt schauen wir jetzt auf Ihren Wahlkampf. Am derzeitigen Umfragen-Debakel der CDU ist der falsche Kanzlerkandidat und der fehlende Wahlkampf schuld, sagen Kritiker. Wir waren beim Wahlkampf-Termin in Gießen dabei.
Beitrag 2:
Heimspiel für Helge Braun beim Landestag der Jungen Union auf dem Gießener Schiffenberg freut sich der Kanzleramtsminister und gebürtige Gießener nicht nur, viele alte Gesichter wiederzusehen. Gemeinsam mit Kanzlerkandidat Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn ist der hessische Spitzenkandidat für die Bundestagswahl auch gekommen, um den Parteinachwuchs auf den Wahlkampf einzuschwören. CDU und CSU kündigen in ihrem Wahlprogramm ein Entfesselungspaket für die Wirtschaft an, unter anderem durch beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Armin Laschet, CDU, Kanzlerkandidat von CDU und CSU: „Wir wollen jetzt, dass die Wirtschaft in Gang kommt, dass Deutschland zu alter Stärke zurückkehrt, dass die Kurzarbeit zurückgedrängt wird, dass mehr Menschen Beschäftigung haben. Steuererhöhungen sind Gift und wir werden sie bekämpfen. Wir werden alles tun, dass es dazu nicht kommt.“
Um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, wollen CDU und CSU die CO2-Steuer ändern und den Emissionshandel ausweiten. Durch den Wegfall der Umlage für erneuerbare Energien soll der Strompreis sinken. Denn Klimapolitik darf nach Ansicht der Union nicht den wirtschaftlichen Wohlstand gefährden oder die Schulden wachsen lassen. Im Bereich der Migration will die Union die europäischen Außengrenzen besser schützen, weitere sichere Herkunftsstaaten festlegen, in die es sich leichter abschieben lässt und die Ausreisepflichten besser durchsetzen. Für all das steht die Union und natürlich auch der hessische Spitzenkandidat. Aber was ist Helge Braun eigentlich für ein Mensch? Wir haben uns bei alten Weggefährten aus der CDU umgehört.
Manfred Pentz, CDU-Generalsekretär Hessen: „Helge ist ein ruhiger, besonnener Typ. Das war er schon immer.  Aber ein klasse Freund und hoch engagiert und vor allen Dingen, was ich ganz besonders liebe, ist sein schöner, trockener Humor. Das zeichnet Helge Braun total aus.“
Lars Wittek, CDU, Regierungspräsident Gießen a.D.: „Mit Helge Braun haben wir in der Jungen Union Gießen angefangen. Wir haben auf einem legendären Kreisparteitag die Kreis-CDU unter Volker Bouffier aufgemischt. Das hat ihm nicht so gut gefallen. Uns hat Spaß gemacht und Helge war damals schon zielstrebig und politisch und gleichzeitig ein richtig guter Kumpel.“
Volker Bouffier , CDU, Ministerpräsident Hessen: „Ich kenne Helge Braun seit Schülertagen und deshalb kann ich, glaube ich, von mir auch ein Urteil erlauben. Helge Braun ist außerordentlich qualifiziert und ihn zeichnet aus eine, eine große sachliche Kenntnis, Sachlichkeit verbunden mit Humor und er vermittelt immer den Eindruck, auch wenn alles tobt, dass er die Dinge ordentlich im Griff hat.“
Für viele in der Union ist Helge Braun also vor allem einer, auf den man sich verlassen kann und der immer ein klares Ziel vor Augen hat.
Helge Braun, CDU, Spitzenkandidat der CDU Hessen für die Bundestagwahl 2021: „Wenn Mitte Oktober sich der Deutsche Bundestag konstituiert hat und am nächsten Morgen der neue Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in das Kanzleramt einzieht, dann möchte ich an der Tür stehen und sagen Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Hallo, lieber Armin Laschet! Herzlich willkommen im Bundeskanzleramt!. Und daran müssen wir arbeiten, liebe Freunde!“
Appelmann: „Ja, Herr Braun. Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Jetzt kann es auch heißen: Hallo lieber Olaf Scholz, die Umfragewerte schauen wir uns gleich an. Erst mal schauen wir ins CDU Wahlprogramm und da steht drin: Sie versprechen einen Entfesselung Paket für die Wirtschaft. Sie wollen Unternehmen von Steuern und Bürokratie befreien. Warum hat das die unionsgeführte Bundesregierung nicht einfach die letzten 16 Jahre gemacht?“
Braun: „Na wir haben drei Planungsbeschleunigsgesetze auf den Weg gebracht, auch in dieser Wahlperiode. Aber eins muss man auch sagen: Die SPD und auch gerade einige Minister der SPD haben es uns da nicht immer leicht gemacht. Das heißt, gerade auch Richtung Europa müssen wir einiges noch auf den Weg bringen, damit wir zum Beispiel die Präklusionsentscheidung und solche Dinge hinbekommen.“
Appelmann: „Können Sie das kurz für den Zuschauer ein bisschen erklären?“
Braun: „Das heißt im Grunde, dass jedes große Planungsprojekt, das man es früh zur Debatte stellt und man einmal sagt. Wollen wir es machen oder nicht? Aber dieses späte Scheitern, diese vielen Schritte, die immer wieder beklagt werden, die führen dazu, dass teilweise Projekte über 30 Jahre geplant werden. Und das ist schlecht. Das heißt, früh entscheiden und dann aber auch klar handeln. Sonst werden wir große Herausforderungen wie auch die Bewältigung des Klimawandels nicht schaffen. Wir brauchen jetzt sehr viel Infrastruktur im Bereich Energie, im Bereich Mobilität und deshalb klar ein Entfesselungspaket, wo die Planungsbeschleunigung.ein Riesenschritt drin ist.“
Appelmann: „Ein großes Thema derzeit Afghanistan. Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verlief chaotisch, weil die Taliban das Land blitzschnell zurückerobert haben. Diese Woche erfahren wir nun, dass von den 5347 Menschen, die aus Kabul nach Deutschland ausgeflogen wurden, nur knapp 200 Ortskräfte waren. Ich halte fest: Das Ziel war, neben den deutschen Bürgern vor allem Ortskräfte auszufliegen. Gelungen ist es aber letztlich nicht, weil nur knapp 200 darunter waren, heißt es. Das Ziel ist verfehlt?“
Braun: „Nein. Also man muss sehr deutlich sagen: Erstens, wir haben schon seit der Abzugsentscheidung im April zuvor rund 2000 Ortskräfte nach Deutschland gebracht. Und nachdem dann diese schnelle Machtübernahme der Taliban erfolgt ist, haben wir uns auch entschieden, eben nicht nur Ortskräfte, sondern gerade auch gefährdete Frauen und exponierte Personen, die .zum Beispiel als Schulleiter an einer Mädchenschule, als Bürgermeisterin gearbeitet haben, auch mit auszufliegen.“
Appelmann: „Währenddessen warten Ortskräfte in Afghanistan, gerettet zu werden.“
Braun: „Wir haben über 50 Prozent derer, die wir ausgeflogen haben, sind Frauen. Also wir haben alle diejenigen mitgenommen, die wir bei der Evakuierung vom Flughafen Kabul aus erreichen konnten. Und das sind zahlreiche Ortskräfte, aber auch andere gefährdete Personen.“
Appelmann: „Lassen Sie uns beim Themenkomplex Migration und Asyl bleiben. In der EU steht ja Deutschland mit der Forderung der gerechten Verteilung der Flüchtlinge relativ alleine da. Das hat doch noch nie richtig geklappt. Warum sollte es jetzt funktionieren?“
Braun: „Na, die Flüchtlingsverteilung ist dann ein Problem, wenn sie irregulär stattfindet, weil dann kann ja kein Land souverän entscheiden, wie viele es eigentlich aufnehmen möchte. Und deshalb ist Ordnen und Steuern immer der erste Weg bei Migration. Weil dann, wenn wir sagen, wir haben es selber in der Hand, auch zu entscheiden welche humanitäre Leistung können und wollen wir erbringen. Aber dann sind auch die Länder bereit, das für sich zu definieren und Kontingente aufzunehmen, aber nicht in einer beliebigen Größenordnung.
Appelmann; „Dann kommt ein österreichischer Kanzler diese Woche ins Bundeskanzleramt zu Angela Merkel und sagt Wir nehmen keine afghanischen Flüchtlinge auf.“
Braun: „Das ist dann auch eine souveräne Entscheidung eines europäischen Staats. Aber ich glaube, was sehr deutlich geworden ist, ist: Wir und auch die Vereinigten Staaten, Großbritannien, viele andere Länder. Wir haben bis zuletzt auch daran gearbeitet, in Afghanistan so was wie ein Nation Building, also ein Zivilstaat, zu etablieren. Und deshalb nehmen wir jedenfalls unsere Verantwortung für diejenigen, die uns dabei unterstützt haben, wahr.“
Appelmann: Aber die Nation Building, also die Nationsbildung, ist doch gescheitert?“
Braun: „Das ist zunächst mal richtig. Dass die Taliban so schnell nicht nur in einigen Provinzen, sondern auch in Kabul das Land übernehmen, ist eine sehr, sehr bittere Erfahrung für den gesamten Westen. Nach 20 Jahren Engagement und deshalb stellen sich jetzt auch viele Fragen Was kann man mit einem solchen militärischen Engagement eigentlich bewirken? Und das heißt aber eben die Verantwortung für diejenigen, die auf den Westen und auf die Freiheitsgrade, die er gebracht hat, vertraut haben, für die haben wir weiter eine Verantwortung. Deshalb reden wir auch mit den Taliban, auch wenn das keine Freude ist. Und die Situation gerade für diese Gruppen auch in Afghanistan zu verbessern.“
Appelmann: „Schauen wir weiter im Wahlprogramm: Im Asylrecht wollen sie Straftäter konsequent abschieben. Wer in Deutschland straffällig werde, habe sein Gastrecht verwirkt. Aber Fakt ist doch: Wer einmal in Deutschland ist, bleibt doch meistens auch da?“
Braun: „Also, wir haben eine gute Erfahrungen gemacht mit der Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten. Wir haben mit vielen solchen Staaten auch klare Abkommen getroffen darüber, dass eines eigentlich schon im Recht der Vereinten Nationen klar ist: Jedes Land ist verpflichtet, seine eigenen Staatsbürger zurückzunehmen. Und wenn jemand das Gastrecht bei uns missbraucht, weil er hier kriminell wird oder gar schwere Verbrechen begeht, dann muss man darauf pochen, dass jedes Land seine Staatsbürger zurücknimmt.
Appelmann: „Aber nur eine Zahl:. Wir dulden derzeit 90.000 Abschiebe-Flüchtlinge, die keine Reisedokumente haben. Vielleicht haben sie die weggeworfen?“.
Braun: „Ja, deshalb haben wir ja auch mit etlichen Ländern das Laissez-passer-Verfahren gemacht, dass also auch Ersatzdokumente von uns ausgestellt werden können. Aber natürlich muss das das jeweilige andere Land akzeptieren. Und da, wo das noch nicht funktioniert, muss man das klar durchsetzen. Das ist gar keine Frage. Das ist eine Aufgabe der Politik.“
Appelmann: Herr Braun, an diesem Punkt schauen wir jetzt auf aktuelle Zahlen. Die schwindsüchtige Union hat derzeit in Umfragen einen vier Prozentpunkte Abstand auf die SPD. Quo vadis Union? Wo geht die Reise hin?
Beitrag 3:
Laschet begab sich unlängst für seinen Wahlkampfauftakt in einen Frankfurter Boxclub und mimte den Fighter im Ring. Aber wenn die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu weit auseinander klafft, dann verfängt auch die beste Botschaft nicht. Und überhaupt Was ist denn das eindeutige CDU Profil? Rächt es sich jetzt, dass für die CDU die Klimapolitik mit das wichtigste Wahlkampfziel zu sein scheint? Dahinter verblassen ihre Positionen zur Rente, zur inneren wie äußeren Sicherheit und zur Bildung. Viele bürgerlich konservative Wähler wirken resigniert und könnten sich in Stimmenthaltung üben. So langsam wird die Situation für die Union richtig ungemütlich. Denn der Vorsprung der lange tot geglaubten SPD vor CDU und CSU wächst und wächst. In der Emnid-Umfrage von heute liegt die SPD satte vier Prozentpunkte vor der Union. Und auch wenn man Umfragen als Momentaufnahme mit einem gewissen Fehlerpotenzial verstehen muss. Die meisten Demoskopen erwarten ein Kopf an Kopf Rennen der beiden ehemaligen Volksparteien, aus dem die SPD mit Olaf Scholz als Sieger hervorgehen könnte. Wenn der Union nicht bald etwas Geniales einfällt, dann, ja dann könnte ihr bald eine vierjährige Auszeit in der Opposition drohen.
Appelmann: „Ja, jetzt sind Umfragen Umfragen. Aber die Union liegt derzeit auf dem niedrigsten Wert, den Meinungsforschungsinstitute jemals gemessen haben. Ist die Wahl für die Union schon gelaufen?“
Braun: „Nein, wir sind mitten im Wahlkampf und die meisten Wähler wählen am 26. 9.. Und deshalb ist es jetzt sehr wichtig, dass wir noch einmal die Unterschiede aufzeigen. Und aus meiner Sicht gibt es sehr viele sehr wichtige Gründe, der Union auch weiter das Vertrauen zu schenken.“
Appelmann: „Die Beliebtheitswerte Ihres Kanzlerkandidaten Armin Laschet sind weder während der Corona-Pandemie noch während der Hochwasserkatastrophe gestiegen. Ist er einfach kein guter Krisenmanager?“
Braun: „Also, Armin Laschet regiert Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren sehr, sehr gut und hat einen sehr, sehr integrierenden Ansatz. Dort wird sehr geschätzt von, von, von Arbeitgebern und Gewerkschaften, von der gesamten Zivilgesellschaft. Also, natürlich ist das auch ein guter Kanzler.“
Appelmann: „Die Kanzlerin, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den Wahlkampf eingeschaltet. Einige in der Union sagen, endlich hat sie sich mal zu Wort gemeldet und die unklare Haltung der SPD zu einem linken Bündnis, also zu Rot-Rot-Grün, verurteilt. Kam diese Selbstverständlichkeit zu spät?“
Braun: „Nein, ich glaube, das muss man noch mal sagen, weil das ist ja auch in der letzten Woche etwas geschehen. Als wir im Deutschen Bundestag darüber abgestimmt haben, ob wir die Rettung in Afghanistan von Ortskräfte und deutschen Staatsbürgern durchführen, konnte sich die Linke nicht dazu durchringen, so was zu unterstützen. Das ist noch mal ein klares Zeichen, dass eine Regierung mit den Linken außenpolitisch keine Stabilität ermöglicht. Und da muss natürlich ein Kanzlerkandidat wie Olaf Scholz auch mal sagen, mit wem er regieren möchte. Momentan sagt er weder, wer sein Koalitionspartner sein soll und versteckt auch viele andere Mitglieder seiner Partei, die insgesamt in den letzten Jahren ja sehr weit nach links gerückt ist. Und insofernmuss er jetzt einmal deutlich sagen, ob er eine Politik der Mitte verfolgt oder ob er den linken Kräften in der eigenen Partei nachgibt. Und das tut er nicht.
Appelmann: „Aber massive Wahlkampfunterstützung von Angela Merkel für Armin Laschet hat es doch bislang nicht gegeben. Da hätte sich doch Armin Laschet mehr erwarten können von der Frau, die immer noch blendende Beliebtheitswerte hat?“
Braun: „Na, ich würde mal sagen: Alle Mitglieder der CDU sagen in diesem Wahlkampf ihre Meinung. Und diejenigen, die Regierungsverantwortung haben, gerade in einer Krise, müssen auch sozusagen, denn wenn es ums Regieren geht, den Fokus darauf lenken. Ich habe das für mich auch immer gesagt. Wir leben in einer Krisenzeit mit Corona, mit Afghanistan, mit den Flutereignissen. Deshalb fokussieren wir uns auf die Regierungsarbeit. Aber wenn ein Wahlkampftag ist, ist auch Wahlkampf. Und dann sagen wir auch unsere Meinung.
Appelmann: „Sagen Sie noch mal ganz kurz Ihre Meinung. Hätten Sie mehr Wahlkampf Unterstützung von der Kanzlerin erwartet?“
Braun: „Ich finde das absolut angemessen, wie sie das macht. Sie nimmt ihr Amt als Bundeskanzlerin wahr und trotzdem weiß jeder, sie ist Mitglied der CDU und unterstützt diese selbstverständlich auch.“
Appelmann: „Sie sind nicht nur Mitglied der CDU, sondern der hessische Spitzenkandidat der CDU heute bei uns im Studio Helge Braun, der Chef des Kanzleramtes. Danke schön.“
Braun: „Ich danke auch.“