Chipmangel sorgt für Produktionsengpässe – im Interview: Dirk Pollert

Der weltweite Mangel an Computerchips führt auch bei vielen Unternehmen in Hessen und Rheinland-Pfalz zu Produktionsausfällen. So musste der Rüsselsheimer Autohersteller Opel sein Werk in Eisenach bis Jahresende stilllegen und auch viele Mitarbeiter in Kaiserslautern in Kurzarbeit schicken. Beim hessischen Auto-Zulieferer Schunk macht sich der Chip-Mangel ebenso bemerkbar wie beim hessischen Handy-Hersteller Shift. Und auch viele Haushaltsgeräte können ohne die Halbleiter nicht ausgeliefert werden. Wie es überhaupt soweit kommen?

Markus Appelmann, Moderator: Darüber spreche ich jetzt mit dem Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Metall- und Elektro-Unternehmen in Hessen und der Vereinigung der hessischen Unternehmer-Verbände – Dirk Pollert, Guten Tag!
Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände e.V.: Guten Tag, sehr gerne.
Appelmann: Herr Pollert, was sind die Gründe für diese Krise? Wie konnte es dazu kommen?
Pollert: Ja, die Ursachen für diesen erheblichen Mangel an Leiterplatten sind vielfältig. Insbesondere haben die Drosselung der Gewinnung von Silicium in China dazu beigetragen, die coronabedingten Hafenschließungen in China, aber auch Unglücksfälle in Produktionsstätten in der USA und in China. Und wir haben dadurch ein reduziertes Angebot und zeitgleich haben wir eine erhebliche Nachfrage, da immer mehr Leiterplatten in Produkte neu eingebaut werden, um diese intelligenter, digitaler und vernetzter zu gestalten. Ich denke beispielsweise an Spülmaschinen, ich denke an E-Bikes, aber auch an den für Deutschland so wichtigen Maschinenbau.
Appelmann: Haben möglicherweise auch hessische Unternehmen zu spät reagiert, denn dieser Chip-Mangel hat sich ja durchaus schon länger abgezeichnet.
Pollert: Nein, ich meine, da ist nichts verschlafen worden. Denke ich beispielsweise an die Automobilindustrie, die coronabedingt – insbesondere in den ersten Monaten der Corona-Pandemie – ihre Bestellungen an Halbleiter erheblich zurückfahren, weil sie ja die Produktion drosseln mussten. Und nun ist sie im Wettbewerb mit anderen bestehenden Branchen. Das ist der eine Punkt. Und der zweite Punkt ist, dass eine coronabedingte Stilllegung eines Hafens oder aber auch das Unglück am Suezkanal einfach nicht prognostizierbar gewesen ist.
Appelmann: Welche Bereiche sind denn von dieser Zipp Krise besonders betroffen? Wo sind die Auswirkungen also gerade extrem zu spüren?
Pollert: Besonders betroffen ist natürlich die gesamte Automobilindustrie mit ihren gesamten Zuliefererketten. Das geht so weit, dass ein Automobil-Transporteur natürlich weniger zu fahren hat, weil die Neuzulassung einfach reduziert sind. Ich denke desweiteren an Elektrogeräte, an Tablets und Smartphones, aber auch an Drucker. Und wenn Sie beispielsweise heute in ein Fahrrad Geschäft gehen und ein E-Bike zeitnah ausgeliefert bekommen wollen, da wird Sie der Fahrradhändler nur müde anlächeln.
Appelmann: Wie lange wird diese angespannte Situation anhalten? Wird auch das Weihnachtsgeschäft davon betroffen sein?
Pollert: Das wird Ihnen keiner genau sagen können. Ich persönlich gehe davon aus, dass uns dieses Thema im Herbst, aber auch im Winter noch massiv in Atem halten wird. Es gibt profunde Marktbeobachter, die gehen sogar davon aus, dass sich das bis 2023 hinziehen wird. Mir ist besonders wichtig: Wir müssen alles tun, um schnellstmöglich eigene Fertigungskapazitäten in Deutschland und Europa aufzubauen.
Appelmann: Abschließende Frage: Welche Konsequenzen muss die deutsche Wirtschaft daraus ziehen?
Pollert: Also, die Konsequenz für uns alle muss sein, dass wir schnellstmöglich mittel- und langfristig eigene Fertigungskapazitäten letztendlich hier vor Ort aufbauen, in Deutschland und in Europa, um nicht mehr in eine solche Bredouille zu kommen. Das wird gezielt unterstützt durch EU-Fördermittel, aber auch durch Bundesmittel. Ich denke, es ist zu begrüßen, wenn beispielsweise Bosch in Dresden ein eigenes Werk baut, die Firma Infineon in Villach und hoffentlich auch Intel in Deutschland. Wenn wir diese Kapazitäten haben, werden wir hoffentlich nicht noch mal in eine solche schwierige Situation kommen.
Appelmann: Die Chip-Krise stellt die deutsche Wirtschaft vor große Herausforderungen. Dirk Pollert, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
Pollert: Gern geschehen, gerne auch ein weiteres Mal.