Chancenkarte für ausländische Fachkräfte

Immer wieder werden in der Politik neue Wege gesucht, um Fachkräfte nach Deutschland zu holen – und doch sind die Standards, die Fachkräfte dann erfüllen müssen, immer noch verdammt hoch. Etwas, das das sperrige Wort Fachkräfteeinwanderungsgesetz, vereinfach soll. Unter anderem über das Instrument einer sogenannten Chancenkarte. Eva Dieterle spricht darüber mit der Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer in Rheinhessen, mit Anja Obermann, zuvor wollen wir das Thema aber erst mal bildlich machen und wo geht das besser, als in einer Steinmetz- und Steinbildhauerei in Budenheim.

Dieser Roboter ist das Spezialgebiet von Genti Herri aus Albanien. Er hat in seinem Heimatland Architektur studiert. Seit zwei einhalb Jahren arbeitet er nun in Budenheim im Betrieb von Ulrich Schulz.
Er wollte als Fachkraft mit seiner Familie nach Deutschland kommen, um genau das hier zu tun. Doch obwohl hier händeringend Fachkräfte aus dem Ausland gesucht werden, war das alles andere als leicht.
Genti Herri, Architekt aus Albanien
„Also ich habe nicht gedacht, das war so schwer. Das war sehr schwer und sehr kompliziert, weil aller erster sollte ich alleine hierher kommen und nicht mit meiner Familie und dann meine Familie ist gekommen ein Jahr halb später.“
Für den Vater zweier Töchter eine fordernde Zeit, die ohne die Unterstützung seines Arbeitgebers noch schwieriger gewesen wäre. Und dabei ist Genti Herri ausgewiesener Fachmann für die Programmierung dieses Roboters.
Ein Roboter den Ulrich Schulz angeschafft hat, weil er für die groben Vorarbeiten gar nicht mehr genug Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt finden konnte. Technik soll hier das Handwerk nicht ersetzen, aber dafür sorgen, dass der Betrieb Aufträge überhaupt annehmen kann und auch, dass diese auch künftig noch bezahlbar bleiben.
Für den Feinschliff gibt hier in Budenheim nach wie vor es Experten wie Bildhauermeister Hilmar Müller.
Außerdem arbeiten hier rund 50 Menschen aus 14 Nationen. Ohne Fachkräfte aus dem Ausland, ginge es nicht und dass, obwohl der Betrieb selbst für Nachwuchs sorgt und 6 Lehrlinge beschäftigt.
Ulrich Schulz, Geschäftsführer Sauer GmbH Budenheim
„Aber mehr Lehrlinge findet man schlicht weg nicht – auch in einem Betrieb wie unserem. Das heißt also, selber über Ausbildung die Menge an Fachkräften zu finden, schaffen wir nicht. Also wir brauchen definitiv Zuwanderung.“
Erleichterung soll im Fachkräfteeinwanderungsgesetz jetzt die Chancenkarte bringen. Damit sollen Bewerber auch ohne ein langwieriges Anerkennungsverfahren in Deutschland arbeiten können. Voraussetzung sind eine mindestens zweijährige Berufsausbildung oder ein Hochschulabschluss, sowie einfache Deutsch oder Englisch-Kenntnisse.
Ulrich Schulz, Geschäftsführer Sauer GmbH Budenheim
„Alle Erleichterungen sind natürlich, werden natürlich begrüßt, ganz klar. Ob Chancenkarte jetzt reicht, sei dahingestellt, es muss definitiv was passieren, sonst fährt sich Handwerk fest in Deutschland.“
Für Genti Herri hat es trotz der Komplikationen geklappt. Er arbeitet gerne hier, ist mit seiner Familie nun in Deutschland zuhause.
Genti Herri, Architekt aus Albanien
„Ich denke, dass für mich und für meine Familie, hier in Deutschland ist ein sicheres Land und eine…. ich sehe eine Zukunft für meine Kinder und für meine Familie.“
Und doch zeigt sein Beispiel, dass sich noch viel tun muss, damit die dringend benötigte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt einfacher werden kann.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Ja, und über dieses Thema spreche ich jetzt mit der Geschäftsführerin der Handwerkskammer Rheinhessen, mit Anja Obermann. Guten Abend!
Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin Handwerkskammer Rheinhessen:
Hallo, guten Abend.
Dieterle:
Frau Obermann, Fachkräfte aus dem Ausland werden hier händeringend gesucht. In Deutschland, in Rheinland Pfalz. Warum machen wir es dann ausgerechnet diesen Fachkräften so schwer?
Obermann:
Ja, das Beispiel zeigt ja, dass es immer noch ein langer Weg ist. Wir fordern als Wirtschaft ja schon seit vielen Jahren, dass wir wirklich qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland holen können. Also so eine Art Punktesystem, wie es das in vielen anderen Ländern gibt. Jetzt kommt das endlich auf den Weg. Aber in Deutschland gibt es keine Mühlen, glaube ich, die schnell mahlen. Also von daher müssen wir da erst mal Erfahrungen sammeln. Die Bürokratie muss sich noch einspielen und ich hoffe, dass es dann bald nicht mehr so schwierig ist.
Dieterle:
Jetzt gibt es diese Chancenkarte als neues Instrument. Sagen Sie uns noch mal aus der Praxis, wo wird da der Unterschied liegen zu dem, was bis jetzt da ist? Also welche Erleichterung soll es bringen?
Obermann:
Also bisher war es so, dass man im Ausland quasi seinen Beruf anerkennen lassen musste. Sie wissen, wir haben in Deutschland eine duale Berufsausbildung. Das gibt es eigentlich nirgends. Deswegen war das unheimlich schwierig in der Vergangenheit für ausländische Fachkräfte, diese Berufe anerkennen zu lassen. Die waren eigentlich nie gleichwertig, weil so eine Ausbildung wie bei uns gibt es eben nirgends. Und jetzt ist es so, dass die Ausbildung nur in dem Heimatland anerkannt sein muss, also muss dort staatlich anerkannt sein, und das ermöglicht eben die Einreise.
Dieterle:
Klingt ja zunächst mal ganz gut und nach einer Vereinfachung. Aber so einfach ist es dann am Ende wahrscheinlich nicht, oder? Wo sehen Sie auch Probleme bei der Umsetzung?
Obermann:
Also im Moment ist es so, dass wir häufig in den Visa-Vergaben Engpässe haben in den bürokratischen Abläufen, sowohl in den deutschen Botschaften im Heimatland als auch in den Anerkennungen, die es hier bei den Ausländerbehörden gibt. Da gibt es einfach einen riesen Stau, natürlich je nach Land, je nach Botschaft unterschiedlich. Aber es dauert einfach alles unheimlich lange.
Dieterle:
Für ganz kleine Unternehmen wird es wahrscheinlich auch nicht einfacher. Es bedeutet schon auch Mehrarbeit, oder? was fordern Sie da auch von der Politik?
Obermann:
Also für kleine Unternehmen ist die Herausforderung wirklich, die Leute ja auch hier zu integrieren. Die kommen hierher und sind völlig fremd. Die wissen nicht, wie man einen Führerschein umschreibt oder eine Versicherung oder ein Handyvertrag abschließt. Und all das sind Dinge, um die sich natürlich die Unternehmen dann mit kümmern müssen. Und das macht normalerweise der Mitarbeiter selbst, wenn er denn hier aus Deutschland kommt. Was fordern wir von der Politik? Wir fordern da im Grunde Unterstützung. Also man muss das zusammenfassen, man muss Stellen schaffen, die genau diese Unterstützung vor Ort leisten, Ansprechpartner, vielleicht auch mehrere Personen dann in Gruppen zusammenfassen, um das alles ein bisschen zu erleichtern.
Dieterle:
Gibt es auch Möglichkeiten der Handwerkskammer, wie Sie die Unternehmen stützen können?
Obermann:
Natürlich. Also wir versuchen wirklich im Moment da Dinge aufzubauen, auch mit unseren Betrieben zu sprechen. Wir helfen einerseits wirklich dann, wenn es klemmt mit den Verwaltungen vor Ort. Da haben wir ein eigenes Team, die auch eng in Kontakt sind beispielsweise mit den Ausländerbehörden. Da sind wir fallbezogen dabei, ich sage jetzt mal, ein bisschen nachzuhelfen, Dinge zu beschleunigen. Und wir sind gerade dabei zu besprechen mit einer Gruppe von Unternehmen, wie können wir das hinkriegen. Ich sage mal, dass das nicht bei jedem einzeln Betrieb, bei jeder Personalabteilung landet. Die Dinge, die da jeden Tag so anfallen.
Dieterle:
Wir haben über Für und Wider gesprochen. Letzte Frage abbindend: Chancenkarte – ist das eine Chance für Sie?
Obermann:
Also, das ist sicher ein Baustein. Es reicht nicht, um die Fachkräfteproblematik in Deutschland zu lösen, aber es ist ein Baustein. Es geht ein Stück voran und von daher begrüßen wir das auch und hoffen auch, dass das Ganze dann irgendwann zum Fliegen kommt.
Dieterle:
… sagt Anja Obermann von der Handwerkskammer in Rheinhessen. Vielen Dank für das Interview.
Obermann:
Sehr gerne.