Cannabis-Legalisierung in Kraft

Kaum ein Thema ist so hoch umstritten – das Cannabisgesetz drohte auf den letzten Metern noch zu scheitern oder sich zumindest zu verzögern – jetzt ist es doch da. Seit gestern sind der Besitz und Anbau der Droge in begrenzter Menge in Deutschland erlaubt, ab Juli gehen sogenannte Cannabis-Clubs an den Start. In vielen Städten in Hessen und Rheinland-Pfalz sind gestern die ersten Kiffer ganz öffentlich zum gemeinsamen Rauchen zusammengekommen.

Ankiffen vor dem hessischen Landtag gestern Abend. Vor kurzem noch ziemlich riskant, jetzt legal. Hier in der Fußgängerzone gilt das nach 20 Uhr. Mario kämpft schon lange für die Legalisierung, startete mehrere Petitionen. Für ihn bedeutet der Tag heute endlich ein Ende der Stigmatisierung.
Mario B.
„Auf jeden Fall ist es jetzt definitiv entkriminalisiert und das ist natürlich ein wichtiger Schritt, denn vorher war ja auch das Kiffen eigentlich erlaubt, aber zugleich durftest du nichts besitzen.“
Trotzdem wollen die meisten hier noch unerkannt bleiben.
In der Öffentlichkeit dürfen Erwachsene ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen. Der Konsum ist nur mit einem Mindestabstand von 100 Metern zu Schulen, Kitas und Spielplätzen erlaubt. Für Jugendliche bleibt Cannabis verboten. Bis zur letzten Sekunde wollten die CDU-geführten Bundesländer das Cannabisgesetz verhindern und übten massive Kritik. Zwischen Beschluss im Bundestag und Inkrafttreten sei für die Behörden zu wenig Vorbereitungszeit gewesen.
Nur ein Gegenargument von vielen, sagt heute auch Christian Baldauf von der rheinland-pfälzischen CDU.
Christian Baldauf (CDU), Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz
„Es ist ein Riesenfehler, es bringt enormen zusätzlichen Aufwand für Polizei und Justiz und ist im Übrigen auch gesundheitsschädlich, wie viele Mediziner dies sagen. Ein Gesetz, das wirklich kein Mensch verstehen kann.“
In Wiesbaden sind die Passanten geteilter Meinung.
Peter Sander
„Mich stört das nicht, ich finde das eigentlich gut, dass die Legalisierung jetzt da ist, nur die Umsetzung der Regelkontrollen, die müssten halt noch irgendwo optimiert werden.“
Silke Neuhof
„Kein Aprilscherz, lange drauf gewartet. Ich finde das immer sehr spannend, wenn man überlegt, über wie viel tausend Jahre der Alkohol als völlig legale Droge bei uns so massiv konsumiert werden darf, wenn Sie möchten morgens um 11, kein Problem, beim schicken Sektempfang.“
Maike Lietz
„Ich bin eher dagegen. Wir haben letztens erst eine Reportage gesehen, wo Jugendliche, die in so einer Entzugsklinik waren, darüber berichtet haben und gesagt haben, dass sie das auch nicht gut finden und dass Cannabis einfach die Einstiegsdroge ist auch für weitere Drogen.“
Befürworter sehen den Grund dafür nicht im Cannabis selbst, sondern in der bisherigen Illegalität. Wer selbst anbaue, müsse nicht zum Dealer gehen, der auch andere Drogen verkaufe.
Christopher Kalkhof aus Taunusstein züchtet die Pflanzen in seinem Keller. Für ihn ist Cannabis ein Genussmittel und die Teillegalisierung längst überfällig.
Christopher Kalkhof, Cannabis-Züchter
„Wir möchten nur wie der Weinliebhaber, wie der Whiskey-Liebhaber Cannabis auf einem sehr hohen Qualitätsniveau genießen dürfen.“
Christopher Kalkhof lebt in einer Patchwork-Familie mit drei Kindern. Auch er findet: Cannabis soll für Jugendliche tabu sein. Sein Aufzuchtschrank sei sicher wie ein Waffenschrank: verschlossen, mit Alarmanlage und Kamera, die fotografiert, wer die Tür öffnet. Vorschrift ist das nicht – da müsse die Politik noch nachbessern, findet er. Seit dem 1. April darf er drei Pflanzen zuhause züchten und 50 Gramm gebrauchsfertiges Cannabis besitzen, also doppelt so viel wie draußen in der Öffentlichkeit. Beim Eigenanbau kann er selbst entscheiden, welche Sorte mit entsprechender Wirkung es sein soll und sicherstellen, dass die Qualität gut ist – im Gegensatz zum Schwarzmarkt.
Christopher Kalkhof, Cannabis-Züchter
„Womit verdient man Geld bei Cannabis? Mit dem Gewicht. Also tust du doch alles dafür, um das Gewicht zu erhöhen. In Form von besprühen mit Haarspray, bisschen Aufsatz von Sand, Glas … also da hat man Sachen schon gesehen, um die Gewichte zu erhöhen und das auch noch toll aussehen zu lassen, Haarspray gibt einen tollen Glanz. Und das rauchst du dann? Also pff…“
Privat angebautes Cannabis ist nur für den Eigenbedarf und darf nicht verkauft werden. Gemeinschaftlicher Anbau ist ab Juli in sogenannten Cannabis Social Clubs erlaubt. Gemeinsam mit Fynn von Kutzschenbach hat Christopher Kalkhof mehrere dieser Vereine in Hessen gegründet, unter anderem in Wiesbaden. Gerade sind sie auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und arbeiten dafür eng mit der Stadt zusammen. Gegen eine Vereinsgebühr können Mitglieder dort dann einen Platz für ihre Pflanzen mieten.
Fynn von Kutzschenbach, Vorstandsvorsitzender Cannabis Social Club Hessen
„Bei uns in den Social Clubs wird es so sein, dass wir einen kontrollierten Anbau haben und auch eine kontrollierte Abgabe. Bedeutet: Abgabe und Anbau finden an zwei verschiedenen Orten statt. Ziel ist natürlich auch, dass die Mitglieder aktiv sich im Club mit einbringen. Wie das ganze aussieht, das sehen wir noch.“
Vieles sei im Gesetz noch schwammig formuliert und müsse nachgebessert werden. Klar ist aber: Konsum in den Vereinsräumen ist verboten. Mehr als 1.300 Interessenten hätten sich bereits gemeldet, dabei darf ein Club maximal 500 Mitglieder haben. Die Nachfrage ist also offenbar da.