Bürokratie-Serie: Möbelhändler und die Herkunft des Holzes

In Deutschland geht ein Monster um: das Bürokratie-Monster. Eine Vielzahl von Gesetzen, Auflagen und Verordnungen machen vor allem Unternehmern das Leben schwer. Die Politik scheint das Problem erkannt zu haben – und kündigt immer wieder neue Entbürokrisierungsoffensiven an. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg: Mit jedem Versuch, Bürokratie abzubauen, scheint der Paragraphendschungel nur noch dichter zu werden. Ein Beispiel aus Gießen zeigt, wieso Möbelhäuser in ganz Deutschland zurzeit voller Sorge in die Zukunft blicken – Teil 1 unserer Serie über den Bürokratie-Irrsinn.

Die Möbelstadt Sommerlad gilt als Platzhirsch unter den mittelhessischen Möbelhäusern. Rund 500 Mitarbeiter arbeiten für das Familienunternehmen, bei dem bald das einhundertjährige Jubiläum ansteht. Seit den 90er Jahren leitet Frank Sommerlad das Unternehmen in dritter Generation. Als alter Hase im Möbelgeschäft hat er schon einiges erlebt – und das Geschäft zuletzt sicher durch die schwierigen Corona-Zeiten mit all ihren umstrittenen Sonderauflagen geführt. Was nun allerdings aus Brüssel kommt, könnte der Möbel-Branche schon bald mehr zu schaffen machen als alle bisherigen bürokratischen Hürden zusammen, denn Anfang 2025 tritt in der Europäischen Union die so genannte „Entwaldungsverordnung“ in Kraft.
Frank Sommerlad, Möbelstadt Sommerlad
„Wir müssen mit geographischen Daten nachweisen, wo kommt der Wald her. Oder wo kommt das Holz her, das unser Vorlieferant verarbeitet hat. Und da muss man sich jetzt mal eine kleine Zahl – alleine für Sommerlad: Wir haben 35.000 bis 40.000 Kunden im Jahr. Aber individuell. Ganz individuell. Die mischen dann auch. Die eine Wohnwand kaufen, die einen Tisch kaufen oder auch eine Polstergarnitur. Und da müssten wir jetzt für jeden Auftrag nachweisen, mit Geodaten, wo kommen denn die Hölzer her?“
Heißt im Klartext: Ab kommendem Jahr müssen Möbelverkäufer für jedes noch so kleine Stückchen Holz, das in irgendeinem Möbelstück verarbeitet wurde, einen genauen Herkunftsnachweis führen. Ein bestimmtes Waldstück anzugeben, reicht dabei nicht: Es zählt der Standort des einzelnen Baumes – inklusive Geodaten.
Frank Sommerlad, Möbelstadt Sommerlad
„Das ist so gar nicht handlebar. Wenn Sie mal überlegen: 35.000 bis 40.000 Einzelkunden. Und da müssen Sie das nachhalten. Zehn Jahre müssen wir die Daten vorhalten. Und das Schöne: Es werden ja gleich drakonische Strafen ausgesprochen bei der EU. Vier Prozent vom gesamten weltweiten Umsatz, den sie getätigt haben als Unternehmen, wird als Strafe verhängt, wenn Sie das nicht tun.“
Schon beim geringsten Verstoß droht der Möbelstadt Sommerlad also künftig eine Strafe in Millionenhöhe – für Frank Sommerlad wäre das geschäftsgefährdend. Und das alles nur wegen einer zwar gut gemeinten, aber schlichtweg nicht praktikablen EU-Verordnung. Das Ziel ist klar: Es geht um den Schutz des tropischen Regenwaldes und seiner indigenen Bevölkerung. Das sei ja an sich eine gute Sache, findet auch Frank Sommerlad. Und doch hat er einen klaren Wunsch an die Politik.
Frank Sommerlad, Möbelstadt Sommerlad
„Einfach vielleicht mehr mit uns sprechen im Vorfeld, wenn neue Verordnungen kommen oder wenn neue Gesetzesentwürfe kommen. Es gibt Verbände, wo man dann einfach die praktische Umsetzung auch mal diskutiert und nicht erst diese Dinge nach vorne bringt und dann auf einmal feststellt: ‚Oh, ist doch ein bisschen schwieriger in der Umsetzung oder ist gar nicht praktikabel.’“
Der ganze Unsinn der neuen Entwaldungsverordnung wird für Frank Sommerlad am besten an einem Extrembeispiel deutlich: der allseits beliebten Pressspanplatte, Hauptbestandteil so manch eines Möbelstücks. Denn die bestehe in der Regel aus Holz von vielen verschiedenen Bäumen unterschiedlichster Herkunft – da würde also künftig gleich eine ganz Herkunftsliste fällig. Deshalb bleibt dem Chef jetzt nur noch eine Hoffnung: Dass die EU das Gesetz noch einmal überdenkt und in eine Form gießt, mit der auch die Möbelhäuser gut leben können.