Bündnis Sahra Wagenknecht stellt sich vor

Vor genau einer Woche ist in Deutschland eine neue Partei an den Start gegangen: das Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit. Parteivorsitzende ist die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. In Mainz hat sie heute erklärt, wie sich das Bündnis in Rheinland-Pfalz inhaltlich und personell aufstellen will. Und dazu hatte sie vorab einen Überraschungsgast angekündigt.

Das  Medieninteresse ist groß. An Sahra Wagenknecht und an ihm: Andreas Hartenfels aus Kusel in der Westpfalz. 40 Jahre lang war er Mitglied bei den Grünen, hat 13 Jahre lang für die Partei im rheinland-pfälzischen Landtag gesessen.
Vor gut einem Jahr hat er den Grünen den Rücken gekehrt, war seitdem fraktionslos. Jetzt hat er sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht angeschlossen. Damit ist die Partei knapp eine Woche nach ihrer Gründung bereits in drei Landesparlamenten vertreten.
Andreas Hartenfels, BSW, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Wenn man jetzt auf die nächste Woche schaut, haben wir Plenarsitzung. Da wird es bestimmt eine aktuelle Debatte zum Thema Bauern geben. Da werde ich jetzt ans Mikrofon natürlich treten – das hätte ich früher nicht gemacht – weil das die wichtigen gesellschaftspolitischen Themen jetzt natürlich sind und die werde ich aus Sicht BSW natürlich bespielen wollen. Und ich bin mir natürlich auch bewusst, dass jetzt jedes Wort etwas mehr auf die Waagschale geworfen wird und auch mehr berichtet wird wie es bei einem parteilosen Abgeordneten der Fall wäre.“
Viele Menschen fühlten sich durch keine der etablierten Parteien mehr vertreten. Der Respekt vor Meinungen, die nicht dem Mainstream folgten, sei verloren gegangen, betont Sahra Wagenknecht heute immer wieder. Das wolle ihre Partei ändern. Sie stehe für soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft für  eine konservative Migrationspolitik.
Laut einer aktuellen Umfrage wollen 4% der Menschen das BSW künftig auf jeden Fall und 17% sehr wahrscheinlich wählen.
Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun sagt: Noch seien die Erfolgschancen der Wagenknecht-Partei schwer einzuschätzen, sieht aber durchaus Potenzial.
Prof. Uwe Jun, Parteienforscher Universität Trier
„Sie versucht, diese sozial kulturell konservativ bis autoritären Sichtweisen mit sozialstaatlicher Umverteilung zusammenzubringen. Das hat es bisher in Deutschland als erfolgreiche Partei noch nicht gegeben. Wir kennen das aus Frankreich, wir kennen das aus anderen Ländern, in Deutschland wäre es ein Novum. Und nun muss man schauen, ob die Partei auch organisationsstrukturell auch stark genug ist, um dieses Potenzial auch zu heben zu können.“
Die deutsche Parteienlandschaft ist nun um einen Player reicher. Das werde Auswirkungen haben, sagt Uwe Jun.
Prof. Uwe Jun, Parteienforscher Universität Trier
„Dann wird es in der Tat schwieriger – das sehen wir ja auch schon in einigen Bundesländern – noch koalitionsfähige Mehrheiten herzustellen, die dann auch noch so agieren können, dass sie kompromissfähig sind und zu gemeinsamen Lösungen kommen. In der Tat könnte das also das Regieren in Deutschland in der Zukunft schwerer machen.“
Am 27. Januar veranstaltet das Bündnis Sahra Wagenknecht in Berlin seinen ersten Parteitag. Dort sollen 450 Mitglieder die Parteigremien wählen. Danach will das BSW Landesverbände gründen. Bei der Europawahl im Juni soll das Bündnis Sahra Wagenknecht dann das erste Mal auf dem Wahlzettel stehen.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Und im Anschluss an die Pressekonferenz haben wir jetzt die Gelegenheit zu einem Interview mit Sahra Wagenknecht, Guten Tag.
Sahra Wagenknecht (BSW), Parteivorsitzende : Hallo. Guten Tag.
Dieterle: Die neue Partei wird nach Ihnen benannt: „Bündnis Sahra Wagenknecht.“ Das ist ja erst mal nur Ihr Name, reicht das, für künftige Wahlsiege?
Wagenknecht: Also es ist ja zum Glück nicht nur mein Name, sondern wir haben auch ein erstes Parteiprogramm. Das ist noch relativ kurz, aber es zeigt natürlich schon, wo es hingeht. Und wir haben jetzt auch ein Europawahlprogramm. Wir haben ein Personaltableau, das ja deutlich über mich hinausgeht. Wir sind zum Beispiel die einzige bundesweite Partei mit zwei erfolgreichen Unternehmern, Persönlichkeiten aus der Wirtschaft, im engsten Führungskreis. Da bin ich wirklich sehr froh. Ich finde, das zeigt auch, dass wir nicht eine von den Parteien sind, wo sich irgendwelche Politiker im Berliner Regierungsbezirk abkapseln und nur noch in ihrer Blase bewegen. Bei uns können Menschen wirklich sehr, sehr schnell auch in der Partei Verantwortung übernehmen, wenn sie gut sind, wenn sie ehrliche Anliegen haben. Und ich glaube, das ist etwas, was die Politik auch braucht, dass Bürgerinnen und Bürger wirklich Politik wieder gestalten können. Wir werden ja eine sehr durchlässige Partei sein. Das ist uns auch sehr, sehr wichtig.
Dieterle: Die Unzufriedenheit im Land ist aktuell so groß wie nie. Ist das der einzige Treibstoff, mit dem Sie fliegen werden? Unzufriedenheit und Protest?
Wagenknecht: Also ich würde mir ja wünschen, wir hätten nicht diese Unzufriedenheit, wir hätten eine gute Regierung, wo die Menschen das Gefühl hätten, wir sind in guten Händen, die steuern uns durch die Krisen, sie verringern die Last. Aber es ist ja leider wirklich so: Wir haben eine Regierung, die erkennbar keinen Plan hat, die sehr überheblich regiert, auch die Art und Weise, wie jetzt gerade mit den Landwirten umgegangen wird, ich denke, die ist exemplarisch dafür. Also gerade die Bauern sind ja eine bedrohte Spezies. Also familiengeführte Bauernhöfe gehen rapide zurück in Deutschland, haben sehr schwere Bedingungen. Seit vielen Jahren wird ihnen das Leben schwer gemacht und jetzt kommt die Ampel daher, überlegt, wo sie ihre Haushaltslöcher stopft und kommt ausgerechnet darauf, dass man da mal eben die Landbevölkerung schröpfen kann. Also das zeigt einfach auch, wie viel schiefläuft bei uns und natürlich auch in vielen anderen Fragen. Wir geben Unsummen aus für sehr unsinnige Dinge. Da, wo es wirklich wichtig ist, also zum Beispiel für Krankenhäuser, für Pflege, für Bildung, ganz wichtiges Thema, aber auch für ordentliche Renten. Sehr viele alte Menschen in unserem Land können eigentlich ihren Lebensstandard überhaupt nicht halten, leben unter teilweise demütigenden Bedingungen.Das muss sich dringend ändern.
Und insoweit ist der Unmut, ist die Unzufriedenheit im Land eben sehr berechtigt, weil wir sehr schlecht regiert werden, ganz besonders unter dieser Ampel. Aber die Wahrheit ist auch: Viele Probleme sind auch älter. Auch die Große Koalition, auch die CDU ist mitverantwortlich für die aktuelle Krise. Und ich glaube, wir brauchen hier einfach einen politischen Neuanfang und neuen Aufbruch.
Dieterle: Der größte Unterschied zur Partei Die Linke ist die Ausrichtung in der Flüchtlingspolitik: Geben Sie uns mal eine Essenz von dem, was Sie bei diesem Thema anders machen wollen?
Wagenknecht: Also ich glaube, es ist doch Konsens, jeder Bürger, jede Bürgerin spürt das: Wir können die aktuellen Zahlen nicht bewältigen. Es kommen zu viele Menschen nach Deutschland. Es ist … fast jeder, der einmal hier ist, bleibt auch hier. Wir können so viele Menschen auch nicht integrieren. Das überfordert die Gemeinden, das überfordert die Städte. Und diejenigen, die das ausbaden müssen, das sind nicht die Menschen auf der Sonnenseite des Lebens, also die Privilegierten, die Wohlhabenden, die in den grünen, teuren Innenstadtbezirken, sondern das sind die Menschen, denen es eben eher schlechter geht, weil in deren Bezirken fehlen dann die Wohnungen. In deren Bezirken müssen immer mehr Schulen mit einer Situation starten, wo am Anfang mehr als die Hälfte der Kinder kein Wort Deutsch spricht, was dann die Lehrerinnen und Lehrer total überfordert. Also gerade da ist es ja so, dass sich viele Dinge weiter verschlechtern.
Und deswegen finde ich, wir sollten uns als Deutschland an Dänemark orientieren. Dänemark ist ein Beispiel dafür, dass man mit nationalen Entscheidungen, die Zahl der Zuwanderer deutlich reduzieren kann und da geht es gar nicht darum, sehr viel abzuschieben, das ist technisch sehr, sehr schwer, sondern es geht um das Signal an die Welt, dass bei uns wirklich nur Aufnahmeschutz und am Ende auch Anspruch auf soziale Leistungen besteht, wenn es einen Asylanspruch, einen berechtigten auch gibt, und diejenigen, die ihn nicht haben und das sind aktuell 99 % derer, die einen Asylantrag stellen, dass die eben so auch nicht bleiben können. Uns ist aber auch wichtig, dass wir dann natürlich etwas genauer hingucken Warum fliehen die Menschen? Was ist in den Heimatländern los? Und da muss man eben auch deutlich sagen: Der größte Teil der Flüchtlinge kommt aus Ländern oder auch der Zuwanderer, in denen entweder Kriege stattgefunden haben oder noch stattfinden.
Und das sollte uns wirklich dazu anhalten, eine Außenpolitik zu machen, die sich sehr daran orientiert, Kriege zu beenden durch Diplomatie, auch wieder viel, viel stärker darauf zu setzen, Konflikte im Vorfeld diplomatisch zu lösen, bevor sie militärisch eskalieren. Das wäre ein wichtiger Aspekt.
Dieterle: Viele sprechen bei Ihrer Partei von der Alternative zur Alternative. Damit ist die AfD gemeint. Wo liegt Ihr größter Unterschied zur AfD?
Wagenknecht: Ach, mich interessieren gar nicht so sehr die Unterschiede zur AfD, weil die AfD ist ja auch eine Partei mit sehr unterschiedlichen Flügeln. Sie hat eben einen Flügel, wo man wirklich sagen muss, das sind Rechtsradikale, das sind Rechtsextremisten, teilweise auch Nazis. Das macht das Problem dieser Partei aus. Es ist aber auch eine Partei, die wirtschaftlich und sozialpolitisch völlig anders aufgestellt ist. Ich meine, das wird immer übersehen. Die AfD ist nicht für eine gerechte Leistungsgesellschaft. Die AfD möchte keine höheren Mindestlöhne. Sie setzt sich auch nicht für eine Stärkung der gesetzlichen Rente ein. Der Renditedruck in Krankenhäusern oder auch die ständig steigenden Mieten, das sind für sie keine großen Themen. Also auch in dieser Frage, die Frage der sozialen Gerechtigkeit, der soziale Zusammenhalt im Land, das ist nicht das Thema, was die AfD umtreibt. Bei uns ist das allerdings ein sehr wichtiges Thema.
Dieterle: Frau Wagenknecht, wird sind gespannt, was da noch kommt. Danke für das Interview.
Wagenknecht: Sehr gerne.