Bensheimer hilft im ukrainischen Kriegsgebiet

Fast genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist. Am 24. Februar 2022 marschiert die russische Armee in der Ukraine ein. Seitdem kommt es zu Bombardierungen, Belagerungen, Massakern und Kriegsverbrechen. Und inmitten dieses Chaos: ein Südhesse. Er ist als Zivilist in die Ukraine gegangen, um zu helfen. Wir haben ihn bei einem kurzen Heimaturlaub getroffen.

Lars auf Heimatbesuch. Der gebürtige Bensheimer läuft zum ersten Mal seit langer Zeit ohne schusssichere Weste durch die Straßen – ein ungewohntes Gefühl von Sicherheit.
Denn seit über 1 ½ Jahren verbringt Lars sein Leben in der Ukraine – als freiwilliger Helfer. Seinen Nachnamen will der 30-Jährige aus Sicherheitsgründen nicht nennen.
Als der Krieg in der Ukraine ausbricht, arbeitet Lars als Beleuchter am Marburger Landestheater und verfolgt die Bilder vor dem Fernseher.
Lars, gebürtiger Bensheimer
„Dass da ein Krieg keine Tagesreise von uns entfernt passiert, innerhalb Europa, zwischen zwei souveränen Staaten – dass das im 21. Jahrhundert überhaupt noch passiert, ist ein Schock, durchaus. Und das hat bei mir dieses Bedürfnis ausgelöst, da irgendwas zu tun, statt nur untätig Zuhause aus der Entfernung die Bilder anzugucken.“
Lars bietet sich deshalb bei einem der ersten Hilfstransporte als Fahrer an, nimmt Urlaub und fährt mit Hilfsgütern an die rumänisch-ukrainische Grenze. Auf dem Weg zurück nimmt er ukrainische Flüchtlinge mit und bringt sie in Deutschland in Sicherheit.
Lars, leistet als Zivilist humanitäre Hilfe
„Wir hatten im Auto noch eine Mutter mit zwei Kindern. Und die waren in der damaligen Wohnung des Theaters untergebracht. Und als die ankamen und diese Wohnung gesehen haben, die Tür aufgemacht haben und da kam nur ein ‚Oooooh‘. Und dieser kleine Moment, dass diese Leute angekommen sind – die kamen aus Sumy, nach sechs oder sieben Tagen waren die unterwegs uns inkludiert. Der Moment war so ein ‚Es hat sich gelohnt‘. Das war ein wirklich gutes Gefühl und aber danach dieses seltsame – am nächsten Tag wieder auf dem Hof zu stehen und normal zu arbeiten war … kann ich gar nicht richtig beschreiben, war wirklich seltsames Gefühl von ‚Ist das jetzt surreal hier zu stehen und weiterzuarbeiten‘.“
Im Sommer ’22 kündigt Lars dann seinen Job und geht in die Ukraine. Dort bringt er Hilfsgüter in entlegene Orte entlang der Frontlinie. Hilfe, die auch zwei Jahre nach Ausbruch des Krieges dringend notwendig ist.
Manchmal helfen Lars und die anderen Freiwilligen auch Ukrainern bei der Flucht, so wie hier bei Bachmut. Das war bevor die Russen das Gebiet komplett eingenommen hatten. Doch viele Ukrainer wollen oder können ihre Heimatorte nicht verlassen. Sie sind auf die Unterstützung der freiwilligen Helfer angewiesen.
Derzeit fährt Lars Hilfsgüter von der Basisstation in Kramatorsk an die Front im Donbass. Viele Spenden kommen aus Deutschland und werden dann weiterverteilt. Die Gefahr immer im Nacken – Beschuss ist Alltag.
Der kurze Heimatbesuch ist für Lars jetzt auch schon fast wieder vorbei. Dann geht es zurück in die Ukraine. Freiwillig, unter Einsatz seines eigenen Lebens.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Und jetzt ist er hier bei uns im Studio. Lars, guten Abend. Schön, dass Sie hier sind.
Lars, leistet Hilfe in der Ukraine: Guten Abend.
Dieterle:Fast zwei Jahre herrscht jetzt in der Ukraine dieser Krieg. Wie ist die Situation vor Ort? Was erleben Sie?
Lars: Also, wir erleben natürlich hauptsächlich den östlichen Teil der Ukraine. Da ist es … zumindest in den größeren Städten Kramatorsk, Slowjansk, Charkiw – in Charkiw ist fast normales Leben. Abgesehen von den regelmäßigen Bombardements.
In den Dörfern, die näher an der Front sind, ist die Lage teilweise schon bis zu verzweifelt, weil die Menschen ständig unter Beschuss stehen. Es sind immer weniger Häuser, die überhaupt noch Dächer haben. Fenster sind im Großen und Ganzen rausgesprengt worden. Jetzt im Winter ist es kalt und der Wind zieht durch. Das ist schon sehr, sehr schwierig. Aber das ist mehr so der Streifen, der nahe der Front ist. Die Gebiete, die Städte, die ein bisschen weiter weg sind, die haben es natürlich ein bisschen besser, da ist die Infrastruktur noch vorhanden.
Aber auch da leben viele intern geflüchtete Menschen, denen natürlich es an quasi allem fehlt und die auf die staatliche Unterstützung und Unterstützung großen Organisationen angewiesen sind.
Dieterle: Wie geht man mit dem um, was man da vor Ort erlebt? Wie gehen Sie damit um? Mit dem Leid, mit den schlimmen Bildern, mit den vielen, vielen Schicksalen?
Lars: Ich versuche, das möglichst ein bisschen auf Distanz zu halten. Das heißt, gerade wenn wir auf Mission fahren und Schutzwesten und Helm anziehen, baue ich gleichzeitig so eine antrainierte mentale Barriere auf, um mir eben nicht alles zu genau im Detail anzugucken, das nicht zu nah an mich heran zu lassen. Das gelingt aber nicht immer. Es gibt immer Sachen, mit denen hat man nicht gerechnet, die hat man nicht gesehen, die sind besonders dramatisch. Und das bleibt dann auch entsprechend hängen.
Dieterle: Sie haben gerade gesagt: schusssichere Weste, Helm Wir haben das im Beitrag ja auch schon gehört. Das heißt, Sie begeben sich ja auch selbst in Lebensgefahr. Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Angst um? Oder woher nehmen Sie den Mut dazu, das zu tun?
Lars: Ich weiß nicht, ob ich das unbedingt Mut nennen würde, vielleicht auch ein bisschen Dummheit. Wir wissen, dass das, was wir tun, wichtig ist für die Menschen, die wir versorgen, die Einzelpersonen, die Leute, die wir kennen, mit denen wir uns regelmäßig unterhalten, jedes Mal, wenn wir da sind, für die ist das wichtig, die brauchen uns einfach. Und das ist für uns die Motivation weiterzumachen. Und diese Angst, die dabei ist, ist zumindest für mich nicht wirklich eine Angst, sondern es ist einfach ein Respekt vor der Gefahr, in die wir uns begeben. Und der muss auch da bleiben.
Die Nervosität, die man immer im Bauch hat, die sollte auch da sein. Nur dann trifft man vernünftige Entscheidungen und entscheidet zum Beispiel auch, Missionen abzubrechen, wenn irgendwas nicht passt.
Aber das ist immer dabei, das liegt immer im Hintergrund. Wir sind uns dessen bewusst, was da passiert oder in welcher Gefahr wir uns begeben. Aber es gibt nicht wirklich den anderen Weg. Also wir können nicht einfach nichts tun.
Dieterle: Für das, was Sie vor Ort leisten, brauchen Sie natürlich auch Unterstützung. Ist denn die Hilfsbereitschaft, auch die Solidarität noch groß genug? Man hat so ein bisschen den Eindruck, der Krieg, jetzt dauert ja fast zwei Jahre, ist so ein bisschen aus dem Fokus der Öffentlichkeit schon verschwunden.
Lars: Das merken wir durchaus auch. Also gerade die Spendenbereitschaft geht deutlich zurück. Ich verfolge deutsche Nachrichten nicht so sehr, aber ich weiß, dass auch da die Berichterstattung zurückgeht. Es hat sich nicht viel getan an der Front im großen Bild gesehen und entsprechend ist die Aufmerksamkeit dann auch weg.
Und wir merken das durchaus auch. Wir merken das bei Partnern vor Ort, Partnern in Deutschland, dass es schwieriger wird, diese Arbeit, die Hilfe aufrechtzuerhalten.
Dieterle: Wie geht es weiter? Wie lange werden Sie noch in die Ukraine fliegen?
Lars: Ich oder wir werden so lange da bleiben, wie wir können. Solange wie wir das von unserem persönlichen Motivation und Kraft, Energie hinbekommen, werden wir da bleiben, solange wir das Geld haben und solange der Bedarf da ist. Was davon zuerst aufhört, wissen wir nicht.
Dieterle: Ein ganz starker Einsatz auf jeden Fall. Lars, vielen Dank, dass Sie vorher noch mal die Zeit hatten, hier zu uns zu kommen. Vielen Dank und alles Gute.
Lars: Vielen Dank fürs hier sein dürfen.

Und wenn Sie Lars und seine Helfer unterstützen wollen, dann finden Sie auf der Homepage www.liftukraine.org weitere Informationen. .