Bauwirtschaft bekommt die Krise

400.000 Wohnungen wollte die Bundesregierung eigentlich pro Jahr bauen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Doch das Ziel hat sie weit verfehlt. Gebaut wurden letztes Jahr lediglich 280.000 Wohnungen. Hauptgrund waren Lieferengpässe durch den Ukrainekrieg und die Corona-Pandemie. Wenn dieses Problem auch einigermaßen im Griff ist, so werden die Alarmsignale aus der Bauwirtschaft dennoch lauter.

Eigentlich läuft es wieder auf den Baustellen. Hier in Wiesbaden stehen für den Bau der neuen Zulassungsstelle alle Materialien bereit. Schon seit vergangenem Juli gibt es hier keine Lieferengpässe mehr. Doch es kommen neue Probleme auf die Bauunternehmen zu. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind diesen Februar 20% weniger Baugenehmigungen erteilt worden. Dazu werden einige Projekte abgesagt.
Jörg Brömer, Geschäftsführer Brömer und Sohn GmbH
„Wir haben noch die nächsten drei Monate gut zu tun und dann laufen wir gegen eine Wand. Das ist natürlich eine gewisse Ohnmacht, die man fühlt. Aber man sieht halt das Glas ist momentan eher halb leer als halb voll. Wir hoffen aber, dass wir dennoch genug Anschlussaufträge bekommen, dass wir unsere Leute weiterhin beschäftigt halten können.“

Die Gründe sind vielfältig. Im Vergleich zu vergangenem Jahr sind allein die Baukosten um 15% gestiegen. Dazu sollen Gebäude energieeffizienter sein und teure Wärmepumpen eingebaut werden. So habe ein Einfamilienhaus vor zwei Jahren noch 900.000 Euro gekostet, jetzt sind es 1,3 Millionen. Ein weiteres Problem: Die steigenden Zinsen. Bauen ist so kaum noch bezahlbar und unattraktiv.
Keine Aufträge heißt: kein Geld. Und dadurch könnte noch ein weiteres Problem entstehen.

Jörg Brömer, Geschäftsführer Brömer und Sohn GmbH
„Dann kann es natürlich sein, dass Fachkräfte freigestellt werden, die sich dann umschauen, eventuell in anderen Branchen Fuß fassen. Und Fakt ist: Jeder Mitarbeiter, der die Baubranche verlässt, der wird nicht wieder kommen.“
Für die Branche wäre das ein schwerer Schlag, denn ohne Fachkräfte läuft auf den Baustellen nichts mehr.
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Markus Appelmann; Moderator: Die Alarmsignale aus der Bauwirtschaft werden lauter. Bei uns im Studio ist jetzt Thomas Reimann, Vizepräsident des Verbandes baugewerblicher Unternehmer in Hessen. Guten Abend!
Thomas Reimann, Verband Baugewerblicher Unternehmer Hessen: Guten Abend, Herr Appelmann.
Appelmann: Wir haben eben den Unternehmer gehört, wir wollen aber insgesamt mal auf die Branche schauen. Wie dramatisch ist die Lage denn derzeit?
Reimann: Das sind schon deutlich schwarze Wolken am Himmel aufgezogen. Der Ein- und Zweifamilienhäuser-Hausbau, der Geschosswohnungsbau, also von Wohnungen, ist fast vollständig in der Region zum Erliegen gekommen. Das treibt vielen die Sorgenfalten auf die Stirn.
Appelmann: Sie sind diese Woche als Landesinnungsmeister Hessen gewählt worden. Was sagen die Kollegen? Wo drückt der Schuh?
Reimann: Wenn ich über das Land schaue, die Hessenkarte mir auf den Tisch lege, dann drückt überall der Schuh. Es ist einfach so, dass Aufträge fehlen, dass die Bücher leer werden, dass Anschlussaufträge nur schwer und zu schlechten Preisen generiert werden können. Das ist nicht gut, denn dann findet eines statt: Wir verlieren möglicherweise Personal, Facharbeiter, die wir über viele, viele Jahre Jahrzehnte aufgebaut haben. Das kann nicht im Interesse der Wirtschaft sein.
Appelmann: 400.000, die Zahl haben wir gerade eben gehört, das hat die Koalition in Berlin vorgegeben. So viele Wohnungen sollten gebaut werden. Im letzten Jahr waren es aber nur 280.000. Wenn das jetzt alles so weitergeht, welche Zahl wird denn in diesem Jahr erreicht werden?
Reimann: Wir werden keine 280.000 Wohnungen dieses Jahr erreichen. Ich befürchte, dass wir irgendwo, wenn es gut läuft, zwischen 220 und 250.000 Wohnungen schaffen werden. Aber Sie müssen einfach sehen, es kommen keine neuen Aufträge im Wohnungsbau mehr rein. Somit läuft jetzt aus, was noch in den Büchern ist und das ist gefährlich.
Appelmann: Wir haben Zuschauer, die planen gerade einen Bau, die haben teilweise vielleicht sogar schlaflose Nächte. Was raten Sie ihnen, wenn Sie so was angehen wollen? So ein großes Projekt?
Reimann: Nun, das ist schwer. Aber bauen wird mit Sicherheit nicht billiger und günstiger werden. Das heißt, ich muss mich, wenn ich tatsächlich bauen möchte, mit der Investition auch auseinandersetzen. Ich glaube auch, dass die Zinsen absehbar nicht günstiger werden. Ich würde mir wünschen, dass hier von staatlicher Seite ein Impuls kommt, der ein Signal sendet, wie beispielsweise die Eigenkapitalhilfe, die wir mal vor 50 Jahren mit unseren Eltern erlebt haben. Das würde vieles erleichtern, ein deutliches Signal senden und Bauen auch wieder günstiger machen.
Appelmann: Das können wir vielleicht mal ganz kurz erklären. Eigenkapitalhilfe heißt also, dass der Staat sozusagen, wenn kein Eigenkapital da ist, das voraus gibt und das muss erst danach zurückbezahlt werden.
Reimann: Also es sind ja viele Bauwillige am Markt, die ein Haus, ein Zweifamilienhaus, eine Wohnung sich kaufen möchten. Die Banken möchten das eigentlich auch finanzieren, können es aber gegenwärtig nicht, weil da eine Finanzierungslücke besteht. Das liegt oft am fehlenden Eigenkapital. Das hat man früher einmal geschlossen im Sinne des Erwerbers, indem man gesagt hat, von Seiten einer staatlichen Bank, der KfW beispielsweise hier in Deutschland, wird diese Lücke mit Eigenkapitalersatz geschlossen, damit die Finanzierung zustande kommt, der Bau durchgeführt werden kann, und der junge Familienvater, die junge Familie dann auch tatsächlich sich den Wunsch nach einem Eigenheim realisieren kann.
Appelmann: Jetzt haben wir gerade eben gehört, wie viele Herausforderungen es gibt für Ihre Branche momentan. Und jetzt hören wir noch, dass Wärmepumpen eingebaut werden sollen im nächsten Jahr. Das heißt doch aber, die Preisspirale dreht sich immer weiter in eine Richtung “Bauen wird immer teurer”.
Reimann: Bedauerlicherweise versuchen wir uns momentan gerade selbst zu überholen. Wir müssen lernen und das kostet uns eigentlich gar kein Geld, endlich mal die Märkte zu deregulieren, Bauen einfacher zu machen. Viele Vorschriften, viele Gesetze sind geschaffen worden, die den Preis getrieben haben. Das müsste nicht sein. Ich würde mir wünschen, dass die Politik den Mut besitzt, mal die eine oder andere Vorschrift, die eine oder andere Regelung außer Kraft zu setzen für einige Jahre. Lassen wir uns einfach mal beobachten, wie es dann läuft. Und wenn das eine gute Entscheidung war, man vielleicht so ein Gesetz, was nur hinderlich war, dann auch abschafft.
Appelmann: Alarmstimmung in der Baubranche – bei uns im Studio war Thomas Reimann. Danke für Ihren Besuch.
Reimann: Herzlichen Dank für das Gespräch.