Bahnübergänge in Schweinsberg: Der eine ist illegal, der andere führt ins Nichts

Wir brauchen weniger Bürokratie – das hört man ganz oft aus der Politik. In Mittelhesen wird dieses Motto schon gelebt. Bürger aus Schweinsberg widersetzen sich Tag für Tag einem echten Bürokratie-Bahnübergangs-Wahnsinn. Das Problem: ein illegaler Bahnübergang, den jeder nutzt, und ein paar Meter weiter ein offizieller Bahnübergang, der ins Nichts führt und den niemand nutzt. Klingt verrückt – hier kommt die ganze Geschichte.

Diese Frau begeht eine Ordnungswidrigkeit, dieser Bürger auch. Wer dem Treiben an dieser Bahntrasse zuschaut, könnte annehmen, dass in vielen Schweinsbergern kriminelle Energie steckt. Der Weg über die Bahntrasse ist illegal.
Anja Schmidt
„Ja, mitbekommen habe ich es, aber ich machs halt trotzdem.“
Steffen Seger
„Ich wusste das, geh aber trotzdem rüber.“
Marlene Hankammer
„Eigentlich fast jeden Tag, wenn wir walken, gehen wir hier her und machen die Runde um Schweinsberg.“
Denn der illegale Weg ist ein Hochwasserschutzdamm in der Trasse. Er verbindet aber zwei Fußwege; seit Jahrzehnten eine beliebte Strecke für Spaziergänger.
Wer gesetzestreu handeln will, muss 60 Meter weiter zu diesem Übergang laufen, der für die Landwirtschaft geschaffen wurde. Doof nur, dass er in ein Feld führt – und man an den Gleisen entlang zurück zum Bürgersteig laufen muss.
Anja Schmidt
„Ja,man kann den Umweg machen, aber das ist für mich sinnlos.“
Norbert Splettstoeszer
„Da sehe ich echt keinen Sinn. Warum soll ich jetzt irgendwie Umwege laufen?“
Ortsvorsteher dieses rebellischen Völkchens ist Reinhard Estor. Auch er versteht hier nur Bahnhof – und nicht den Bahnübergang.
Reinhard Estor, Ortsvorsteher Schweinsberg
„Man kann es nur als lächerlich oder als Schildbürgerstreich sehen, wenn man hier nämlich 60 Meter weiter geht, ist da ein offizieller Bahnübergang eingerichtet worden im Jahr 2022 mit einem enormen Kostenaufwand … und hier ist man nicht in der Lage einen vernünftigen Bahnübergang herzustellen.“
Gründe dafür gäbe es einige: Zwar fährt hier nur einmal am Tag ein Zug, aber auch der könnte beim Übertritt gefährlich werden. Ein weiterer Grund: Weder der legale noch der illegale Weg sind barrierefrei.
Doris Mann
„Ich bin hier geboren, am Schloss da drüben. Ich kann nie mehr diesen Weg hier gehen und das macht mich sehr traurig. Hier ist unser Moor unser Naherholungsziel und ich kann den Weg nicht mehr gehen, ich könnte fast heulen.“
Auch deshalb setzt sich Estor seit Jahren für einen legalen Übergang ein. Leichter gesagt, als geplant, beantragt, genehmigt, beglaubigt und getan.
Reinhard Estor, Ortsvorsteher Schweinsberg
„Wichtig ist dabei, dass dieser Hochwasserschutzdamm eine entsprechende Widmung bekommt. Das heißt, dieser Weg muss einen Namen haben. Das ist eine Grundvoraussetzung zur Vorlage eines Antrags für Genehmigung eines Bahnübergangs beim Eisenbahnbundesamt.“
Auch die Bahn bestätigt: Der Schutzdamm muss erst zum offiziellen Weg mit Straßenschild und Straßennamen werden. Mit der Stadt sei man darüber im Austausch.
Einen Zaun der Bahn, der den illegalen Weg blockieren sollte, hat zu keiner Lösung geführt. Unbekannte haben den Zaun nach wenigen Tagen abgebaut – mutmaßlich die rebellischen Schweinsberger.