Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum Fulda

Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der katholischen Kirche beschäftigt das Bistum Fulda nach wie vor. Die Zahl der Verdachtsfälle und Tatverdächtigen ist jüngst wieder gestiegen – das geht aus dem Zwischenbericht einer unabhängigen Kommission hervor. Das Bistum hat deshalb jetzt angekündigt die Arbeit der unabhängigen Kommission verlängern zu wollen.

Als Michael Gerber vor fünf Jahren das Bischofsamt in Fulda übernimmt, tritt er ein schweres Erbe an. Denn auch in diesem Bistum hat es in den vergangenen Jahren Fälle von sexuellem Missbrauch durch Kirchenvertreter gegeben. Zur Aufklärung ruft Gerber vor zwei Jahren eine unabhängige Kommission ins Leben. Seitdem durchsuchen unter anderem mehrere Juristen und ehemalige Kriminalbeamte die vorhandenen Akten nach Hinweisen. Eine gewaltige Aufgabe. Mehr als 1.800 Personalakten müssen gesichtet werden. Daneben sprechen die Mitglieder der Kommission auch mit den Betroffenen und Zeitzeugen, um die Aufzeichnungen zu prüfen.
Bis heute haben sie etwa 1.100 Personalakten aufgearbeitet. Dabei sind sie immer wieder auf neue Fälle von mutmaßlichem Missbrauch gestoßen. Und nicht nur die Zahl der Opfer steigt – auch die der möglichen Täter. Dabei handelt es sich unter anderem um Priester, Diakone und Ordensangehörige. Die unabhängige Kommission konnte schon viele Fälle aufklären. Bis Ende Januar hat das Bistum schon 478.500 Euro an Missbrauchsopfer ausgezahlt. Geld, das die Opfer für das erlebte Leid entschädigen soll, aber es nicht ungeschehen machen kann.
———-
Markus Appelmann, Moderator:
Ja, die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der katholischen Kirche beschäftigt das Bistum Fulda nach wie vor. Wir sprechen jetzt mit Gerhard Möller, er ist der Sprecher der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexueller Gewalt im Bistum Fulda. Guten Abend.
Gerhard Möller, Unabhängige Kommission Bistum Fulda:
Guten Abend, Herr Appelmann.
Appelmann:
Die Zahl der Verdachtsfälle und Tatverdächtigen ist jüngst wieder gestiegen. Wie viele mutmaßliche Täter und Opfer haben Sie bisher feststellen können?
Möller:
Die Zahlen haben sich natürlich durch die intensive Recherche erhöht. Wir haben im Augenblick Vorgänge mit 55, 56, die möglicherweise als Beschuldigte gelten – dazu wird man den einen oder anderen Fall noch näher zu subsumieren haben – mit rund 119 Betroffenen. Die Zahlen ergeben sich daraus, dass der Zeitraum im Vergleich zur sogenannten MHG-Studie natürlich jetzt sehr viel länger ist. Bis 1945 gehen unsere Recherchen und damit ist natürlich auch die Zahl der potenziell Betroffenen einerseits und beschuldigen andererseits natürlich höher. Und die Intensität und die Dichte der Aufarbeitung spiegelt sich auch in diesen Fällen wieder.
Appelmann:
Hinter jeder Zahl steckt ein Schicksal und immer wieder treffen Sie auf neue Schicksale. Gibt es eine Anlaufstelle für Betroffene?
Möller:
Ja, wir haben zunächst einmal ein Sekretariat, in dem sich die Betroffenen auch melden können. Wir bieten Gespräche mit einem ausgewiesenen Fachmann, dem Psychiater, der in der Psychiatrie und Psychosomatik vielfältige Erfahrungen hat und gerade auch im Bereich des sexuellen Missbrauchs über ein hohes Maß an Erfahrung verfügt. Und natürlich auch die Möglichkeit, unmittelbar mit Mitgliedern der Kommission Kontakt aufzunehmen. Wir haben zwei Arbeitsgruppen eingerichtet, einmal die Arbeitsgruppe “Aktenaufarbeitung” und zum anderen die Arbeitsgruppe “Betroffene hören”. Auch hier gibt es Kontakte und die Möglichkeiten, dass man sich meldet und dann im geschützten Raum entsprechende Gespräche und Kommunikation möglich ist.
Appelmann:
Wegen des großen Aufklärungsbedarfs ist Ihre Arbeit noch nicht beendet. Wie lange wird es noch dauern bis es einen Abschlussbericht geben wird?
Möller:
Es gibt einen dreijährigen Berufungszeitraum, der endet im September dieses Jahres. Wir haben aber kürzlich gegenüber auch dem Bischof signalisiert, dass wir bereit sind, die Zeit zu verlängern, also die neue Berufsmöglichkeiten geben. Und unser Ziel ist, dass wir zum 30.09. des nächsten Jahres den Abschlussbericht vorlegen können.
Appelmann:
Sexueller Missbrauch aus vergangenen Jahrzehnten beschäftigt Gerhard Möller, er ist der Sprecher der Unabhängigen Kommission im Bistum Fulda. Danke Ihnen.
Möller:
Gerne.