Anfeindungen gegen Russen in Deutschland nehmen zu

Seit zwei Wochen tobt der Krieg in der Ukraine. Und als wäre das, was dort passiert nicht schrecklich genug, nehmen auch bei uns die Anfeindungen zu. Seit Russlands Angriff kommt es auch in Hessen und Rheinland-Pfalz immer häufiger zu Anfeindungen gegen Russen. Viele von Ihnen stehen aber gar nicht hinter Putin, im Gegenteil.

Oleg Ismagilow auf dem Weg zu seinem Restaurant: Das Bistro Moskau in Gießen. Was der Gastwirt in den vergangenen beiden Wochen erlebt hat, lässt sich wohl am besten mit dem neudeutschen Wort „Shitstorm“ beschreiben.
Oleg Ismagilow, Bistro Moskau
„Es kamen viele negative Bewertungen über Google. Mit 1-Sterne-Bewertungen. Mit „Stopp den Krieg“, „Euer Präsident lügt Euch an“, alles Mögliche halt. Es wurden Bilder hochgeladen, die den Krieg zeigen. Mit zerbombten Städten, mit Kindern in Bunkern. Und das halt alles auf unserer Google-Restaurantseite.“
Dabei ist Oleg Ismagilow noch nicht mal Russe, sondern ein sogenannter „Russland-Deutscher“ – Menschen mit deutschen Vorfahren in der ehemaligen Sowjetunion. Wie viele andere kam er Mitte der 90er Jahre als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland. Mit Russland, Putin und dem Angriff auf die Ukraine habe er nichts zu tun. Glasklar auch seine Haltung zum Krieg.
Oleg Ismagilow, Bistro Moskau
„Ich bin gegen den Krieg, und ich kenne keine einzige Person, die den Krieg befürworten würde. Ein Krieg ist immer schlecht. Egal, von wem er ausgeführt wird. Es gibt keinen guten Krieg.“
Auch Lidia Weiß hat in den vergangenen Wochen Anfeindungen erlebt. Die Inhaberin eines Friseursalons in Weilburg muss sich plötzlich für einen Krieg rechtfertigen, der nicht der Ihre ist.
Lidia Weiß, Friseursalon HaarSchön
„Die Kunden fragen: Was macht denn euer Präsident Putin? Was ist denn bei euch im Lande los? Aber Putin ist nicht unser Präsident. Wir wollen mit Putin eigentlich nichts zu tun haben. Wir distanzieren uns klar und deutlich von Putin. Wir sind gegen den Krieg.“
Lidia Weiß ist keine Russin, sondern auch Russland-Deutsche aus Kasachstan. Ihr Präsident sei nicht Wladimir Putin, sondern Frank-Walter Steinmeier – und ihr Kanzler Olaf Scholz. Doch vielen scheine es aktuell egal zu sein, dass sie einen deutschen Pass habe und seit mehr als 25 Jahren hier lebe.
Lidia Weiß, Friseursalon HaarSchön
„Weil man russischen Akzent hört, denkt man sofort, wir sind Russen. Und das ist sehr sehr traurig. Weil mit Russland haben wir kaum was zu tun.“
Ganz im Gegenteil: Momentan setzt sich Lidia Weiß sogar mit Spendensammlungen für ukrainische Flüchtlinge ein. Und auch im Bistro Moskau in Gießen wird täglich Völkerverständigung gelebt.
Oleg Ismagilow, Bistro Moskau
„Wir sind sechs Leute hier, wovon zwei aus der Ukraine stammen. Wir leben hier, was in der ganzen Welt als nicht möglich gesagt wird. Wir arbeiten hier zusammen, wir verstehen uns alle gut.“
Und noch ein kleiner Trost: Inzwischen hat Google gehandelt und sämtliche Negativbewertungen und Beschimpfungen der vergangenen zwei Wochen aus der Kommentarspalte des Bistros entfernt.