Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in der Kritik

Die Bundesregierung will massiv gegen Rechtsextremisten vorgehen. Vor wenigen Tagen legte Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD ein neues Maßnahmenpaket vor – damit will sie die Demokratie schützen, wie sie sagt. Doch die Ausführungen Faesers, die sie auf der Pressekonferenz machte, sorgen seit dem für zunehmende Irritationen.

„Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.“
Dieser Satz verleiht dem Maßnamenpaket eine recht robuste Ausrichtung, die durchaus beabsichtigt scheint – immerhin saßen neben Nancy Faeser der Chef des Bundeskriminalamtes Holger Münch und der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang.
Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, am 13.2.2024
„Wir wollen die Instrumente des Rechtsstaates nutzen, um unsere Demokratie zu schützen.“
Die Diskussion gewinnt seitdem an Dynamik: Wer wird es nun künftig mit „dem starken Staat“  zu tun bekommen?  Was ist Kritik an Staat und Regierung, was ist Verhöhnung?
Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin von der FDP setzt ein klares Stopp-Signal.
Herbert Mertin (FDP), Justizminister Rheinland-Pfalz
„Nur weil es einem gerade nicht passt, was gesagt wird, kann man nicht sofort das Strafgesetzbuch ändern. In der Demokratie muss man es aushalten, dass auch Dinge gesagt werden, die einem nicht passen. Es darf nur nicht die Grenze der Strafbarkeit überstreiten.“
Es ist eine lebhafte Debatte im Gang. Eine Debatte darüber, ob die Innenministerin die Grenzen dessen, was in unserem Land gesagt und kritisiert werden kann, neu vermessen will.  Und ob die Meinungsfreiheit im Kampf gegen den Rechtsextremismus bald irgendwo auf der Strecke bleiben könnte.
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Markus Appelmann, Moderator: Dieser Beitrag ruft nach einer Einschätzung. Deswegen sprechen wir jetzt mit dem Mainzer Verfassungsrechtsexperten Professor Friedhelm Hufen. Ich grüße Sie.
Prof. Friedhelm Hufen, Verfassungsrechtler Universität Mainz
Grüße Sie, Herr Appelmann.
Appelmann: Nancy Faeser, die Bundesinnenministerin sagte, dass diejenigen, die den Staat verhöhnen, es mit einem starken Staat zu tun bekommen. Auch wenn es nicht schön ist, hat nicht jeder das Recht, den Staat zu verhöhnen?
Hufen: Es ist immer die Gefahr. Die streitbare Demokratie ist ja ein zweischneidiges Schwert, wie das Bundesverfassungsgericht immer gesagt hat. Man kann mit der Verteidigung der Freiheit auch viel Freiheit einschränken, und da muss man sehr aufpassen. Zum Beispiel bei diesem Zitat. Es ist natürlich erlaubt, den Staat zu kritisieren, sich lustig zu machen über den Staat. Jede Satire tut das. Verhöhnen ist eigentlich etwas, was man Menschen gegenüber tut. Es hat etwas mit der Menschenwürde zu tun und der Staat hat keine Menschenwürde. Also es geht in Wirklichkeit eigentlich um den Schutz der Verfassung, der freiheitlichen Ordnung, nicht um den Schutz des Staates.
Appelmann: Bei aller Berechtigung der Bekämpfung des Rechtsextremismus – sehen Sie das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Gefahr.
Hufen: Also hier sehe ich es konkret noch nicht in Gefahr, aber es gerät dann in Gefahr, wenn wir eine Stimmung bekommen, wo man in der Tat auch unterhalb der Schwelle des Strafrechts einfach nicht mehr sagen darf oder nicht mehr sagen kann, auch als Institution nicht mehr wirken kann. Wir haben einen grundsätzlich offenen Diskurs in diesem Staat, eine offene Demokratie, und da ist so ziemlich sehr viel erlaubt. Was nicht erlaubt ist, ist sehr strikt beschränkt. Das ist Volksverhetzung, das ist Verleumdung, das ist es ist Beleidigung. Aber unterhalb dieser Schwelle ist in einer offenen Demokratie eigentlich alles erlaubt. Und wenn das eingeschränkt wird, gerät diese Ordnung in Gefahr.
Appelmann: Außerdem kündigte die Bundesinnenministerin an, man wolle bei Rechtsextremismus jeden Stein umdrehen. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen. Ist somit jeder, der den Staat verhöhnt, ein Rechtsextremist?
Hufen: Keinesfalls. “Staat verhöhnen” haben wir ja schon gesagt – den Staat darf man kritisieren. Und ich gehe davon aus, dass die Innenministerin nicht gemeint hat, dass sie nun gerade bei einer Partei besonders scharfe Maßstäbe anlegen will. Sie muss natürlich alle Parteien kontrollieren, was das Finanzgebaren angeht. Sie muss da die Chancengleichheit wahren, zumal wenn sie das als Ministerin tut. Und das gilt auch für eine nicht verbotene rechtsextremistische Partei.
Appelmann: Abschließende Frage: Legitimiert der Kampf gegen den Rechtsextremismus, so wie ihn die Regierung führen will, letztlich auch die Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien? Oder ist es noch nicht soweit in Ihren Augen?
Hufen: Rechtsstaatliche Prinzipien dürfen durch nichts und auch keinen Kampf für irgendetwas verletzt werden. Wer den Rechtsstaat selbst verletzt, der stellt die freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage. Wir haben kein Notstandsrecht In diesem Sinne Es ist jede Meinung erlaubt, im Rahmen der allgemeinen Gesetze, wie das Grundgesetzes sagt. Und deswegen ist es nicht erlaubt, gegen Meinungen vorzugehen, die sich innerhalb dieses Spektrums halten.
Appelmann: Vielen Dank an den Mainzer Verfassungsrechtler Professor Friedhelm Hufen.
Hufen: Danke Ihnen auch.