9-Euro-Ticket für den ÖPNV in der Kritik

Spritpreise von nach wie vor über zwei Euro – das ärgert die Autofahrer nicht nur, viele Pendler fragen sich ernsthaft, wie der tägliche Weg in die Fabrik oder ins Büro noch zu bezahlen sein soll. Da kam die Bundesregierung vergangene Woche auf den Gedanken: Warum nicht übergangsweise das Fahren mit Bus und Bahn so billig machen, dass viele mit Handkuss vom Auto auf den ÖPNV umsteigen? Die Idee vom Neun-Euro-Ticket war geboren. Neun Euro pro Monat für 90 Tage Bus und Bahn. Das klingt einfach – ist aber für die Verkehrsverbünde alles andere als einfach umzusetzen, wie unser Beispiel in Ingelheim zeigt.

Hier klingelt das Telefon zurzeit ständig. Beim RNN, dem Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund, wollen Kunden wissen: Wo kriege ich dieses 9-Euro-Ticket her? Bekommt man das auch am Automaten? Und: Wann geht’s überhaupt damit los? Fragen, die die Verkehrsverbünde noch gar nicht beantworten können. Denn weder gab es mit dem Bund Absprachen, noch zeitlichen Vorlauf.
Silke Meyer, Geschäftsführerin Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund
„Also, generell wurden wir vom RNN-Verbund, genauso wie auch die gesamte Branche, von diesem Vorschlag über Nacht überrascht. Ein TicketsSystem muss angeboten werden, wenn es neun Euro kosten soll, wir müssen damit umgehen, dass wir auch Stammkunden haben, die heute schon im Abo sind und dass wir keine Kündigungswelle lostreten mit dieser Diskussion.“
Die Einnahmeausfälle will der Bund erstatten. Die Rede ist von 2,5 Milliarden Euro. Auch die Verkehrsminister der Bundesländer sehen noch erhebliche ungelöste Fragen bei der Umsetzung eines 9-Euro-Tickets.
Katrin Eder, B’90 / Grüne, Verkehrsministerin Rheinland-Pfalz
„Was ist der Gültigkeitsbereich? Was gehört alles dazu? Wie ist dieses Ticket abzuwickeln? Das ist alles nicht unkompliziert und deswegen hätten wir uns gewünscht, dass man dann vielleicht einfach gesagt hätte: Man macht das einfach für die drei Monate kostenfrei, da hätte man die ganze Bürokratie nicht gehabt.“
Tarek Al-Wazir, B’90 / Grüne, Verkehrsminister Hessen:
„Am einfachsten – ohne jede Umprogrammierung, ohne jedes Verkaufen von neuen Fahrkarten, einfach mit einer Rückerstattung für drei Monate für die Jahreskarten-Inhaber – kann man das natürlich machen, indem man einfach sagt: Es kostet halt drei Monate nichts und zwar genau in dem Zeitraum, in dem auch die Mineralölsteuer abgesenkt ist. Damit eben nicht nur Autofahrerinnen und Autofahrer Unterstützung bekommen, sondern auch die Nutzerinnen und Nutzer von Bus und Bahn.“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing sieht das anders. Ganz zum Nulltarif gehe es nicht. Das ganze müsse schließlich auch organisatorisch kalkulierbar sein.
Volker Wissing, FDP, Bundesverkehrsminister
„Es macht natürlich Sinn, dass die entsprechenden Verkehrsverbünde vor Ort auch wissen, wie viele solcher Tickets verkauft werden. Dann können sie die Kapazitäten auch entsprechend planen. Wenn jeder spontan einfach zusteigen kann oder nicht, dann kann das dazu führen, dass die ÖPNV-Angebote örtlich überlastet werden und dann führt es dazu, dass die treuen Kunden der ÖPNV-Angebote verärgert sind. Und das wollten wir nicht.“
Die Verkehrsverbünde weisen allerdings darauf hin, dass ohnehin regelmäßige Fahrgastzählungen in Bussen und Bahnen stattfänden.
Silke Meyer, Geschäftsführerin Rhein-Nahe-Nahverkehrsverbund
„Die Wahrheit ist in der Mitte. Natürlich, wenn man die Türen und Tore öffnet und sagt: ab heute darf jeder frei fahren, hat man relativ wenig Möglichkeiten, das digital und zentral auszuwerten. Aber dennoch gibt es Möglichkeiten, auch mit den heutigen digitalen Systemen entsprechend Tickets über digitale Wege anzubieten, die im Hintergrund zählen, wer unterwegs ist, wer welche Verkehrsmittel nutzt oder von A nach B unterwegs ist. Auch wenn es nichts kostet, bestehen Möglichkeiten, das entsprechend zu eruieren.“
Neun-Euro- oder Null-Euro-Ticket – ein weiterer Streit zwischen Bund und Ländern ist entbrannt. Hoffentlich findet man diesmal eine rasche gemeinsame Lösung – und es endet nicht wieder als berühmter Flickenteppich!