40 Jahre Privatfernsehen

Fast eine Woche ist das Jahr 2024 nun alt und für uns hier bei 17:30 Sat.1 live ist es ein besonderes Jahr – denn das Privatfernsehen feiert seinen 40. Geburtstag. Mittlerweile gibt es fast 500 private Fernsehprogramme in Deutschland. Doch begonnen hat alles mit diesem Sender hier, mit Sat.1 – wenn auch zunächst unter anderem Namen.

1. Januar 1984, 9 Uhr 58: der erste deutsche Privatsender PKS geht an den Start.
„Sie sind in dieser Minute Zeuge des Starts des ersten deutschen privaten Fernsehveranstalters, der Sie mit einem Vollprogramm täglich ab 16:45 Uhr über den Nachmittag und Abend begleiten will.“
Nicht etwa in Berlin oder Köln, sondern in einem kleinen Kellerstudio in Ludwigshafen wird das Privatfernsehen geboren. Nur wenige hundert Zuschauer verfolgen damals das Debut der Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk, kurz PKS. Ursprünglich ein Pilotprojekt, das die Auswirkungen des Kabelfernsehens auf eine mögliche Programmvermehrung erforschen sollte. Die Nachrichten kommen damals von einem Mitgesellschafter, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
„Guten Abend meine Damen und Herren, zunächst die Schlagzeilen: Libanesischer Sicherheitsplan wird fraglich …“
Ein Jahr später wird aus PKS der Sender Sat.1. Das Erkennungszeichen – das Farbrad – gibt es bereits seit 1985, später wird daraus der Sat.1-Ball. Aus dem einstigen Pilotprojekt wächst ein etablierter Sender. Eine Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Am 1. Oktober 1987 startet das werktägliche Frühstücksfernsehen.
„Guten Morgen meine Damen und Herren, liebe Kinder, herzlich willkommen bei der ersten Ausgabe des Sat.1 Frühstücksfernsehens.“
Und das Frühstücksfernsehen gibt es bis heute. Neben Kabel ist Anfang der 1990er Jahre auch der Empfang über Satellit bei fast allen Haushalten angekommen. Die Zuschauerzahlen wachsen, die Einnahmen durch Werbung steigen. Mehr Geld für ein größeres und besseres Programmangebot.
Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel erkennt das Potenzial der neuen Medien und holt Sat.1 von Ludwigshafen in die Landeshauptstadt, direkt neben das ZDF. Das neue Gebäude wird im September 1990 eingeweiht. Mainz wird zu einem der wichtigsten Medienstandorte in Deutschland.
Im Jahr 2000 schließen sich Sat.1 und ProSieben zu einer Sendergruppe zusammen, zu der auch Kabel1 gehört. Die Zentrale zieht nach Berlin um, neun Jahre später dann nach Unterföhring bei München. Mittlerweile gehören zu dem Konzern 15 Free- und Pay-TV-Sender und eine Streaming-Plattform.
Nachrichten, Magazine, Unterhaltung – aus der deutschen Medienlandschaft ist das Privatfernsehen nicht mehr wegzudenken.
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Eva Dieterle, Moderatorin; Jetzt ist der Mann bei mir, der von der ersten Sekunde an live mit dabei war, der ehemalige PKS- und Sat.1-Geschäftsführer Jürgen Doetz. Schön, dass Sie hier sind.
Jürgen Doetz, ehemaliger Geschäftsführer PKS: Gerne. Hallo.
Dieterle: Herr Doetz, heute back to the roots. Wie war das damals? Wie aufregend war dieser erste Auftritt? Wir haben Sie gerade gesehen.
Jürgen Doetz, Sat.1-Geschäftsführer 1985 – 2004: Gut. Wir hatten drei Wochen vorher die Lizenz bekommen und damit stand fest: Wir können wirklich starten. Wir wussten ungefähr, wie wir zum Programm kommen, aber wir kannten weder die Zahl unserer Zuschauer, wir wussten nicht genau, wie wir uns organisieren können. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber getragen von einem Elan, weil wir waren uns bewusst, wir können was Neues machen, wir können was Neues starten. Gar nicht so in Geschichtsbüchern gedacht, sondern wir können versuchen, die einzige Währung, die dieses Privatfernsehen kennen wird, nämlich die Zahl der Zuschauer, die auf unsere Seite zu holen. Und gerade der Zusammenschnitt, den ich sehr gut finde, gibt ja so einen Eindruck, wie vielfältig die Themen waren. Also im Nachhinein war das ein toller Tag – der Ablauf selbst war chaotisch.
Dieterle: Sie müssen ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Das heißt, es ist natürlich nicht alles glatt gelaufen. Wie war das hinter den Kulissen oder was ist schiefgegangen?
Doetz: Es ging schon mal mit dem Start los. Der Start für die Zuschauer, die im Kabel hingen, der war zwei Minuten vorher, weil irgendein besorgter Techniker wohl schon auf den Knopf drückte, während ich mir noch die Krawatte zurecht gebunden habe. Im Studio selbst waren sowieso mehr Kameras von anderen Sendern, auch aus dem Ausland, weil jeder sagte: “In Deutschland beginnt jetzt Privatfernsehen!”
Ich glaube, die Zahl der Kameras und die Übertragung dieser Kameras in andere Sender war letzten Endes eine größere Zuschauerzahl als unser eigenes Kabel. Also es ging rund und es ging auch von den Besuchern her rund, aber getragen eben von einer Begeisterung, da war uns das wurschtegal, ob jetzt alles geklappt hat oder nicht. Wir waren dabei und wir gingen auf Sendung.
Dieterle: Heute kann man sich’s ohne Privatfernsehen gar nicht mehr vorstellen. Welche Hoffnungen waren denn damals damit verknüpft? Und wurden die auch erfüllt?
Doetz: Es ging, wenn ich gerade mal die politische Diskussion in Rheinland-Pfalz betrachte und auch auf Bundesebene, wo ja bis ins Bundeskabinett hinein die Frage immer diskutiert wurde ‘Ja oder Nein zu Privatfernsehen?’. Doch hier im Lande, da, um zu demonstrieren: Wir brauchen mehr Meinungsvielfalt. Die Leute waren gewohnt, lange nur ARD, dann ARD / ZDF, dann gab es ein bisschen dritte Programme, die aber auch müde geworden waren. Und da mal was Frisches reinzubringen in diese Rundfunklandschaft und eben diese Vielfaltsdiskussion. Es ging natürlich technologisch darum, das Kabel zu vermarkten, aber mit dem Kabel kam eben auch die Möglichkeit, mehr Programm als früher zu vermitteln. Und da waren wir dann eben die ersten dabei. Also was auch die Diskussion heute betrifft, ist die Vielfalt. Das war der Beginn dieser Vielfalt. Und diese Vielfalt ist letzten Endes das, was heute das Kennzeichnen dieser vielgelobten deutschen Rundfunklandschaft ist. Mit diesem dualen System und dies jetzt gerade vor den Diskussionen, die wir tagtäglich derzeit führen, ist es auch das größte, ich sage mal, Gut, dass damals gesät wurde, diese Vielfalt. Und von daher, wenn ich das so sehe und so weiter, dann könnte ich gerade noch mal anfangen.
Dieterle: Also der Plan von damals ist aufgegangen. Es ist wahrscheinlich wahnsinnig schwierig, in diesen 40 Jahren, in diesen unzähligen Sendeminuten jetzt ein paar Highlights noch herauszugreife zum Schluss, aber sagen Sie mal, was waren denn für Sie auch persönlich die Meilensteine?
Doetz: Ein Meilenstein war, dass wir der erste Sender waren, der Boris Becker mit einem Tennisturnier aus Cincinnati live übertragen haben. Dann gab es eben die Entwicklung, die Revolutionierung der deutschen Fußballberichterstattung – “Ran”, Beckmann. Dann gab es “Talk im Turm” mit der ersten sonntäglichen Diskussionsrunde, es gab tolle Fernsehfilme, “Tunnel” usw. Also es war eine Aneinanderreihung von … Es gab auch natürlich das “Glücksrad” – okay …

Dieterle: Ich sehe schon, Sie können ewig weitermachen.

Doetz: Ich will gar nicht anfangen. Ich will nur sagen, die große Diskussion eben “Schadet das Privatfernsehen der Erziehung der Kinder, den Familie und wie auch immer” hat sich als lächerlich erwiesen. Auch das Privatfernsehen weiß: Es braucht Qualität, und die haben wir geliefert.

Dieterle: Eine Revolution in der Medienlandschaft. Vielen Dank, Herr Doetz, dass Sie heute mit uns in die Vergangenheit geschaut haben.
Doetz: Gerne.