Lehrer fordern mehr Corona-Tests an Schulen

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist sprunghaft gestiegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz erreicht täglich neue Höchstwerte. Während sich die Politiker in der Bundeshauptstadt Gedanken machen, was passiert, wenn die epidemische Notlage Ende November ausläuft, hat Hessen bereits gehandelt und gestern unter anderem beschlossen, an den Schulen künftig mehr Corona-Tests durchzuführen. Ein ganz anderes Bild in Rheinland-Pfalz, wo seit gestern weniger getestet wird. Das stößt bei vielen auf völliges Unverständnis.

Großes Basteln in der Klasse 4a. Hier entstehen die Laternen für den St. Martins-Umzug. An der Grundschule im rheinland-pfälzischen Idesheim gibt es heute keinen Coronatest für die Kinder. Morgen auch nicht und auch der Rest der Woche wird hier ohne einen weiteren Test verlaufen, denn die neue Coronaverordnung, die seit dieser Woche in Kraft ist, sieht nur noch eine einzige reguläre Testung für Schulkinder pro Woche vor. Oliver Pick ist Schulleiter und Landesvorsitzender der Lehrergewerkschaft VBE. Er kann diese Entwicklung nicht nachvollziehen.
Oliver Pick, Schulleiter Grundschule Idesheim
„Wir vermissen die zweite Testung. Wir halten das für den falschen Schritt an der Stelle. Die Rückmeldungen aus den Schulen im ganzen Land sind eigentlich so, dass die Zahlen aufwachsen und in dieser Phase zu sagen: „Wir gehen zurück auf eine Testung“, halte ich für völlig verkehrt.“
Angesichts von zuletzt mehr als 2.000 infizierten Schülern und rund 11.000 Verdachtsfällen an den Schulen im Land schlägt auch die rheinland-pfälzische CDU in eine ähnliche Kerbe. Die Bildungspolitikerin Jenny Groß plädiert dafür, auch geimpfte Schüler einmal pro Woche zu testen. Außerdem fordert sie zusätzlich Tests für Ungeimpfte.
Jenny Groß, CDU, Obfrau im Bildungsausschuss
„Der Wunsch ist ganz klar: Sicherheit für unsere Jüngsten, dreimal in der Woche testen – Montag, Mittwoch, Freitag. Weil die Pandemie ist eben nicht vorbei und wir müssen jetzt in dieser vierten Welle handeln und es nicht wieder verschlafen und dann merken, dass es wieder zu einem Homeschooling oder zu Schulschließungen kommt.“
Auch die Landesschülervertetung fühlt sich von der neuen Teststrategie vor den Kopf gestoßen. Die Schüler würden sich mit zwei oder sogar noch mehr Tests pro Woche deutlich sicherer fühlen.
Colin Haubrich, Vorsitzender Landesschüler*innenvertretung LSV Rheinland-Pfalz
„Klar, wir verstehen dieses Argument. Ja, man muss sparen, das sind Kosten, die sind einfach total hoch. Okay, können wir nachvollziehen. Aber im Endeffekt müssen wir uns dann überlegen: Ist es uns das nicht wert? Ist uns der Schutz der Kinder und Jugendlichen, ist es uns dann im Endeffekt das Geld dann wert auch?“
Die Landesregierung will diese Vorwürfe so nicht stehenlassen. Aus dem Bildungsministerium heißt es heute, es sei „keine Frage des Geldes“, schließlich habe man bisher bereits knapp 80 Millionen Euro in die Tests für Schüler und Lehrer investiert. Die neue Teststrategie sei mit dem Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit abgestimmt worden. Es gebe keinen Raum, in dem so engmaschig getestet werde, wie in den Schulen.
Auch Gesundheitsminister Clemens Hoch verteidigt die Strategie. Er betont die neue Balance zwischen anlasslosen und anlassbezogenen Testungen.
Clemens Hoch, SPD, Gesundheitsminister Rheinland-Pfalz
„Einmal die Woche testen, ist ja nur die eine Seite der Medaille. Wir testen sogar fünfmal, also an jedem Tag in der Schule, wenn es Fälle gab, und die einmalige Testung ist eine anlasslose, quasi um sich zu vergewissern.“
Regelmäßige Tests, nur eine pro Woche – eine Strategie, die der Virologe Martin Stürmer nicht gutheißt. Für ihn ist die geringe zeitliche Aussagekraft der Tests entscheidend.
Martin Stürmer, Virologe
„Ich halte das für eine falsche Richtung. Das Problem ist, dass der Antigen-Schnelltest von seiner Aussagekraft her kein großes Zeitfenster bietet, was das Infektionsgeschehen angeht. Wir sagen ja maximal 24 Stunden hat ein negativer Antigentest seine Gültigkeit und wenn ich mir jetzt vorstelle, in der Schule nur ein einziges Mal zu testen, dann habe ich doch eine sehr große Zeitspanne, die da nicht abgedeckt wird.“
Viel Gegenwind also für die neue Teststrategie in Rheinland-Pfalz. Lehrer, Schüler und Virologen sind sich einig: angesichts der zunehmend angespannten Coronalage geht der momentane Kurs der Landesregierung in die falsche Richtung.
Und die Kritik war wohl so laut, dass die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer am späten Nachmittag reagiert hat. Obwohl die neue Corona-Bekämpfungsverordnung erst gestern in Kraft getreten ist, soll sie nächste Woche schon wieder geändert werden. Die Regierungschefin begründete den Schritt mit der aktuellen Corona-Entwicklung in Deutschland.