Mord in Idar-Oberstein löst Debatte über Corona-Leugner aus

Ein junger Tankstellen-Mitarbeiter ist in Idar-Oberstein erschossen worden, nachdem er einen Kunden auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Das sorgt bei vielen Menschen bundesweit für Entsetzen – doch in der Corona-Leugner-Szene gibt es auch Zustimmung und sogar Jubel für die Tat. Politiker und Experten warnen heute: Teile der Querdenker-Bewegung würden sich immer mehr radikalisieren.

Idar-Oberstein trauert. Um den 20jährigen Tankstellen-Kassierer Alex W., der am vergangenen Samstag kaltblütig mit einem Kopfschuss getötet wurde. Derzeit laufen die Ermittlungen gegen einen Tatverdächtigen aus Idar-Oberstein. Eine Anwohnerin erzählt, dass der Mann in der Vergangenheit oft negativ in der Nachbarschaft aufgefallen sei.
Pia K.
„Aufbrausend, aggressiv, ja. Und nicht in der Lage, irgendwo mit Situationen umzugehen, die ihm jetzt nicht so in den Kram passen.“
Entsetzen herrscht auch bei Politikern in Rheinland-Pfalz. Sie warnen vor einer Radikalisierung unter Corona-Leugnern und Gegnern der Schutzmaßnahmen. Im Internet würden sich unter die Trauer auch Kommentare mischen, die die Tat rechtfertigen oder gar bejubeln.
Malu Dreyer. SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Wir sehen bereits jetzt, dass dieser schreckliche Mord instrumentalisiert wird. Das beobachten wir natürlich ganz genau, denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wir sehen, dass es eine Protestbewegung gegen die staatlichen Beschränkungsmaßnahmen aus dem Bereich der Corona-Leugner und im Lager der sogenannten Querdenker gibt. Wir sehen, dass Angehörige dieser Szene sich zunehmend radikalisieren und auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken.“
Hendrik Hering, SPD, Landtagspräsident Rheinland-Pfalz
„Die Politik ist jetzt gefordert, Menschen, die diese Aggressionen erleben, zu schützen, und nicht mit dieser Situation alleine zu lassen.“
Bei der Polizei sind viele Hinweise auf das Twitterprofil des Tatverdächtigen eingegangen. Dort verbreitet er im Jahr 2019 Aussagen wie:
„Gnade denen welche diese Situation heraufbeschworen haben. Oder, nein, Gnade wäre unrecht.“
„Ich freue mich auf den nächsten Krieg. Ja, das mag sich jetzt destruktiv anhören aber wir kommen aus dieser Spirale einfach nicht raus.“
Momentan wertet die Polizei Handy- und Computerdaten des mutmaßlichen Täters aus. Die Deutsche Polizeigewerkschaft warnt jedoch vor zu schnellen Rückschlüssen.
Thomas Meyer, Landesvorsitzender Deutsche Polizeigewerkschaft Rheinland-Pfalz
„Es überrascht mich sehr wohl, dass so was überhaupt passiert. Nichtsdestotrotz: Das jetzt direkt in Verbindung zu bringen mit der Querdenker-Szene, das müssen die Ermittlungen jetzt zeigen. Und dann wird man natürlich seine Schlüsse daraus ziehen, insbesondere auf die Waffe, die der Täter dort mitgeführt hat.“
Laut der Staatsanwaltschaft besitzt der Tatverdächtige nach derzeitigem Ermittlungsstand keinen Waffenschein. Auf Twitter folgt er Profilen mehrerer AfD-Politiker sowie rechten Nachrichtenportalen und Blogs. In seinen Kommentaren leugnet er den Klimawandel und richtet sich gegen die Medien. Dabei handele es sich um Aussagen, die man zuletzt auch immer wieder in der Querdenker-Szene beobachten konnte, sagt der Politikwissenschaftler Reiner Becker.
Reiner Becker, Leiter Demokratiezentrum Hessen
„Die Radikalisierung vereint sich dann in einem Kern, dass man sich im Widerstand sieht, dass es um Notwehr geht. Es ist sogar von einem Dritten Weltkrieg die Rede. Und ja, man muss ein Stück weit sehr, sehr nüchtern konstatieren, das war möglicherweise nicht die letzte Tat, die wir in dieser Form erlebt haben.“
Die Ermittlungen nach dem tödlichen Angriff werden laut Staatsanwaltschaft noch einige Wochen andauern. Eine vergleichbare Tat habe es in Zusammenhang mit Corona in Rheinland-Pfalz bislang noch nicht gegeben, so die Ermittler.