Gender-Debatte im Mainzer Landtag

„Sehr geehrte Damen und Herren“ – einer der größten Arbeitgeber Hessens, die Lufthansa, hat schon im Sommer diese Begrüßungsformel abgeschafft. Seitdem wird „geschlechterneutral“ begrüßt, wie es die Airline sagt. Kürzlich hat auch die rheinland-pfälzische Landesregierung angekündigt, zu gendern. Jetzt wird ein Gender-Leitfaden zusammen mit der Landtagsverwaltung entwickelt. Doppelpunkt, Sternchen oder gar nicht gendern? Darum ging es gestern zu vorgerückter Stunde im rheinland-pfälzischen Landtag.

Schon bei der Begrüßung der Redner wird klar: Es gibt unterschiedliche Ansichten zum Thema geschlechtergerechte Sprache:
Martin Louis Schmidt, AfD, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Sehr geehrter Präsident, liebe Kollegen.“
Marion Schneid, CDU, Abgeordnete Landtag Rheinland-Pfalz
„Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen.“
Pia Schellhammer, B‘90 / Die Grünen, Abgeordnete Landtag Rheinland-Pfalz
„Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleg:innen.“
Demonstrativ verwendet Pia Schellhammer, die bei der Debatte gestern Abend stellvertretend für die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP spricht, die Gender-Pause: Nach dem Wortstamm kurz innehalten, um zu symbolisieren, dass alle Menschen gemeint sind – männliche, weibliche und diejenigen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen.
Pia Schellhammer, B‘90 / Die Grünen, Abgeordnete Landtag Rheinland-Pfalz
„Diese Menschen sind von sehr, sehr viel Diskriminierung in ihrem Leben betroffen. Und wenn wir doch die Möglichkeit haben, mit unserer Sprache diese Menschen in unserer Mitte willkommen zu heißen, dann sollten wir diese Möglichkeit doch auch nutzen.“
Dem widerspricht die AfD. Man müsse die deutsche Sprache nicht noch komplizierter machen, als sie sowieso schon sei. Vor allem in den Schulen bestehe die Gefahr, dass die Kinder den Eindruck erhielten, dass es egal sei, wie man schreibt. Die Schüler müssten nach den amtlich gültigen Rechtschreibregeln unterrichtet werden, und die beinhalteten eben weder Gender-Stern, noch Unterstrich oder Binnen-I.
Martin Louis Schmidt, AfD, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Keine Ideologie auf Kosten unserer Kinder. Denn auch und gerade für den Unterricht gilt, dass Gender-Sprache gar nicht durchgängig umsetzbar ist, und wenn, dann um den Preis einer sprachästhetischen Katastrophe.“
Von der Landesregierung fordert die AfD, in einem Schreiben an alle Schulleiter im Land anzuordnen, dass keine geschlechtergerechte Sprache im schulischen Bereich verwendet werden dürfe. So wie es auch die jeweils CDU-geführten Bildungsministerien in Schleswig-Holstein und Sachsen getan haben.
Die rheinland-pfälzische CDU aber hält sich aus der Debatte weitgehend raus. Man müsse kein Problem heraufbeschwören, dass es eigentlich gar nicht gebe.
Marion Schneid, CDU, Abgeordnete Landtag Rheinland-Pfalz
„Wenn wir in dieser Zeit keine anderen Probleme und Sorgen haben als uns mit Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I zu beschäftigen, dann muss es uns in Rheinland-Pfalz und in Deutschland ja sehr gut gehen.“
Kritischer äußern sich die Freien Wähler.
Herbert Drumm, Freie Wähler, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz „Sprache ist ein entscheidender und prägender Teil unserer Kultur. Sie darf unter keinen Umständen leichtfertig und vorschnell dem Zeitgeist angepasst werden. Sie entsteht aus dem Volk. Und Änderungen können sich nur dann durchsetzen, wenn sie von den Menschen verstanden und akzeptiert werden.“
Das sei aber absolut der Fall, sagt Colin Haubrich von der LandesschülerInnen-Vertretung Rheinland-Pfalz. Er kenne viele Menschen, die sich oft nicht angesprochen und dadurch diskriminiert fühlten und das Gendern sei ein gutes Mittel dem entgegenzuwirken.
Colin Haubrich, Vorstand LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz „Das Gender-Sternchen wird das Problem nicht zu hundert Prozent beseitigen, aber es ist im Endeffekt ein richtiger Schritt in die Richtung. Und jeder Schritt, den wir machen, der im Endeffekt zur Gleichberechtigung beiträgt, der ist gut und den sollten wir auch gehen.“
Einer möglichen Verpflichtung gendergerechte Sprache zu verwenden steht er allerdings kritisch gegenüber, ähnlich wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Es sei aber wichtig zu lehren, wie geschlechtergerechte Sprache funktioniert.
Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender GEW Rheinland-Pfalz
„Natürlich müssen Lehrkräfte dafür vorbereitet werden. Es gibt natürlich die ein oder andere Klippe, die man beachten muss, wie wendet man das jetzt richtig an. Aber das ist alles kein Problem, weil die deutsche Sprache schon immer dem Wandel unterlegen hat und auch diesen Wandel garantiert auch verkraften wird.“
Diese Ansicht teilt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin und ergänzt:
Stefanie Hubig, SPD, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz
„Wir sagen auch heute nicht mehr ‚Fräulein‘, sondern es gibt heute Frauen und Männer und es gibt auch ein drittes Geschlecht. Und deshalb ist es gut und wichtig, dass sich auch das Bewusstsein, das sich verändert, und die Gesellschaft, die sich verändert, auch in der Sprache widerspiegelt.“
Im Frühjahr werde die Kultusministerkonferenz beraten, ob und wenn ja, welche Empfehlung für die Schulen ausgesprochen werden soll. Ob das Gender-Sternchen dann auch offiziell Teil des Deutschunterrichts wird, ob es verboten wird oder ob alles beim Alten bleibt und jeder Schüler so sprechen und schreiben darf, wie er möchte.